Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich mache und sage, aufgenommen wird.
••• Der »Guardian« wartete gestern mit weiteren Details zur PRISM-Affäre auf. Edward Snowden ist der Mann, der nach vier Jahren Arbeit für die NSA mit seinem Wissen über PRISM an die Presse ging. »Ich will nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich mache und sage, aufgenommen wird.« Snowden ist nach Hongkong geflüchtet und stellt sich auf ein lebenslanges Exil ein – in der Hoffnung, nicht an die USA ausgeliefert zu werden.
Seinen Erklärungen zufolge handelt es sich bei PRISM nicht um ein Projekt, sondern um ein Computersystem zur systematischen Datenabfischung. »Sie haben keine Ahnung, was alles möglich ist«, sagt Snwoden über das System, das tatsächlich »Boundless Informant« heißt (sic!): »Wenn ich in ihre E-Mails oder in das Telefon ihrer Frau hineinsehen wollte, müsste ich nur die abgefangenen Daten aufrufen. Ich kann ihre E-Mails, Passwörter, Gesprächsdaten, Kreditkarteninformationen bekommen.«
Die detaillierteren Enthüllungen Snowdens schockieren mich weniger wegen des Ausmaßes der angewendeten Datenfischerei. Bedenklich ist, wie das System eingesetzt wird. Das Vorgehen unterscheidet sich nämlich nicht von der auch in Deutschland per Gesetz statthaften Praxis. Die Unternehmen geben dem Staat nur auf richterlichen Beschluss hin Einsicht in die Daten der Nutzer. Dass der Abgriff direkt über Server der jeweiligen Unternehmen erfolgt, wird derzeit von den Internet-Giganten noch unglaubwürdig bestritten. Es wäre jedoch auch nicht überraschend. Mobilfunkanbieter müssen auch hierzulande die Bewegungsprofile und die Verbindungsdaten ihrer Kunden für mehrere Monate speichern und sind gesetzlich verpflichtet, den Ermittlungsbehörden des Staates auf richterlichen Beschluss hin volle Einsicht zu gewähren. Neu am »Boundless Informant« ist die Menge und Art der ausgewerteten Daten, die über Bewegungsprofile und Telefonverbindungsdaten weit hinausgehen. Viel Phantasie braucht man jedoch nicht, um sich vorzustellen, dass auch deutsche Ermittlungsbehörden ihre Befugnisse gern so weit ausweiten lassen würden – wenn denn nur die Firmen, die auf den Datenschätzen sitzen, in Deutschland säßen und nicht in den USA.
Mit vorschnellen Aufschreien gegenüber der US-Administration muss man demnach vorsichtig sein. Wie laut ist denn der Protest gegen die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland? Das aktuelle Beispiel aus den USA zeigt lediglich, in was für eine Situation wir nahezu automatisch manövrieren, wenn wir uns erst einmal mit der grundsätzlichen Idee der Vorratsdatenspeicherung arrangiert und sie gesetzlich gestattet haben. Und das haben wir. Auch hier in Deutschland.
Am 10. Juni 2013 um 14:43 Uhr
Das Schlimmste ist, dass „die Leute“ (wer immer das konkret sein mag) gar kein Bewusstsein für Privatheit und Datenschutz haben: Es betrifft keine Wahlentscheidung und kein Konsumentenverhalten; ein Symptom der Postdemokratie
Und: „Hast Du etwas zu verbergen?“ oder „Willst Du Kinderschänder beschützen!?“