Ein Gastbeitrag von: lykomedite
Der Müller
Wo ein treues Herze in Liebe vergeht,
da welken die Lilien auf jedem Beet,
da muß in die Wolken der Vollmond gehn,
damit seine Thränen die Menschen nicht sehn;
Da halten die Englein die Augen sich zu
und schluchzen und singen die Seele zur Ruh‘!
Der Bach
Und wenn sich die Liebe dem Schmerz entringt,
ein Sternlein, ein neues, am Himmel erblinkt. –
da springen drei Rosen halb rot und halb weiß,
die welken nicht wieder, aus Dornenreis;
und die Engelein schneiden die Flügel sich ab
und gehn alle Morgen zur Erde herab.
Der Müller
Ach Bächlein, liebes Bächlein, du meinst es so gut;
ach Bächlein, aber weißt du, wie Liebe thut?
Ach unten, da unten, die kühle Ruh‘!
Ach Bächlein, liebes Bächlein, so singe nur zu.
Wilhelm Müller (1794-1827)
••• Vollmond lässt mich dieses wunderschöne Gedicht erinnern, welches ich allerdings nur in vertont textigem Zustand im Kopf habe. Es ist Müllers/Schuberts Dialoglied „Der Müller und der Bach“, die vorletzte Szene aus Schuberts tragischem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“. Der Protagonist, ein junger Müller, sucht in seinem Liebesschmerz Trost beim ewigen Lied des Baches, in dem er sein nasses Grab finden wird.
Im Augenblick höre ich mir die Transkription von Franz Liszt an – sie ist eine von mehr als 50 Bearbeitungen von Schubert-Liedern, die Liszt zwischen 1839 und 1846 veröffentlichte – gespielt von Arcardi Volodos. Bei dieser Aufnahme handelt es sich übrigens um die letzte aus den berühmten Wiener Sofiensälen, die im August 2001 durch einen Brand restlos zerstört wurden. Ursprünglich ein Ballsaal, in dem schon der Sohn von Johann Strauß mit seinem Orchester zum Tanz aufspielte, wurde das Kleinod später in ein Tagungszentrum umgewandelt, bevor Tontechniker die hervorragende Akustik entdeckten. Die letzten Töne, die in den Wiener Sofiensälen erklangen, stammten von Franz Schubert, einem der populärsten Söhne der Stadt.
Wenn ich Schubert höre, fühle ich Sehnsucht, die ganz unten von meinem Grund langsam nach oben auftaucht… eine ursächliche Sehnsucht, die in mir geklärt ist und eine Sehnsucht, von der ich glaube, dass wir alle sie in uns haben, und unser Leben lang danach suchen. Es ist wie eine Spur von Kennen, von Wissen, von Umhüllung von Liebe, und von Sehnsucht nach dieser Geborgenheit. Sehnsucht nach Echo?… nach reiner Liebe an sich? Für mich trifft Schubert genau diesen Punkt – von seinem Schmerz an sich, seiner Verzweiflung auch später über seine eigene Vergänglichkeit, seinen Entbehrungen und seinem Verzicht auf Erfüllung ganz abgesehen.
Als ich das Buch (es ist das Drehbuch) zum Film von Fritz Lehner „Mit meinen heißen Tränen“ (ja, ch habe es noch gebraucht kaufen können), las, habe ich mich wieder gefragt, was Schubert wohl durchlitten hat. Und dann frage ich mich: Braucht es den Schmerz der Nichterfüllung, um so begnadet schaffen zu können?
Ich will nicht für mich in Anspruch nehmen, dass ich Schubert verstehe. Es gibt ständig Kritiker, Zuhörer oder Leser, die für sich in Anspruch nehmen, dass sie die Stücke des Autors oder des Komponisten besser kennen als der Autor oder der Komponist selbst. Aber ich glaube, ich kann Schubert hören.
Ein Gastbeitrag von: lykomedite
Am 23. Oktober 2007 um 14:24 Uhr
den letzten satz finde ich sehr gut.
Am 23. Oktober 2007 um 17:26 Uhr
Jupp, ging mir genauso. Man muss ihn eine Weile nachschwingen lassen…