Das virtuelle Wir – Der Mensch 2.0, BBC exclusiv
••• Marius Ueffing, dessen Berichte über den Stand der Forschungen im Bereich der Augenprothetik mich auf die entscheidende Idee für »Replay« gebracht haben, sendet mir heute einen Link zu einer auf Spiegel.TV verfügbaren Reportage der BBC. Sie zeigt nachdrücklich, wie weit die Forschung heute bereits auf dem Weg zur Technologischen Singularität ist. Man muss nicht gleich Bomben werfen wie Ted Kaczynski und sich vollständig jeglicher Technologie verweigern. Der Beitrag zeigt jedoch nachdrücklich die Gefahren auf, die in dem Vorhaben liegen, Mensch und Maschine zu koppeln und das menschliche Gehirn mittels Maschinen nachzubauen.
Im Jahr 2029, so die Prognosen, dürfte es so weit sein, dass ein einzelnes Computersystem die Kapazität eines menschlichen Gehirns übersteigt. Dann wird man ein menschliches Bewusstsein in eine Maschine übertragen können. Wie, das frage ich mich, wird ein Mensch reagieren, wenn er feststellt, dass er seinen Körper nicht mehr braucht, um agieren zu können. In der Reportage wird über ein Primaten-Experiment berichtet. Der Affe war in der Lage zu erkennen, dass keine Bewegung mehr nötig war, sondern dass allein die Gedanken genügten, um – in diesem Experiment – einen Roboterarm zu bewegen. Also stellte er die Bewegungen ein und dirigierte die Maschine allein über Gedanken.
Mich hat an diesem Experiment übrigens extrem erschreckt, wie reflexionsfähig ein Primat demnach sein muss…
Am 23. November 2012 um 13:18 Uhr
Stimmt, ein bisschen beunruhigend ist die Auffassungsgabe des Primaten schon. Oder ein Memento, das eigene Überlegenheitsgefühl als Krone der Schöpfung auch mal zu überdenken.
Aber was macht das Bewusstsein des Menschen denn wirklich aus? Ist es nur sein Denken? Ist dies nicht nur ein Reflektieren des Erfahrenen? Womit dem Menschen ohne genuine Sinneseindrücke und Bewegungserfahrung etwas Entscheidendes fehlen würde, oder?
Worüber soll er am Ende noch nachdenken? Was noch steuern zu welchem Zweck?
Und: der Computer ist doch letztlich auch nur eine Maschine, die vom Menschen ersonnen wurde und deshalb nur abbilden kann, was der Mensch zu denken in der Lage ist. Bloß schneller halt.
Denn sonst gingen der Wissenschaft ja jetzt nicht die Zufallszahlen aus.
Überhaupt der Zufall – wie oft zum künstlerischen Prinzip und Ausgangspunkt der Weltbetrachtung erhoben. Wo bliebe denn der, wenn alles sich zu immer vorhersehbareren Mustern verdichten würde?
Um reagieren zu können, wird der Mensch vielleicht keinen Körper mehr brauchen (schade um alles Sinnliche womöglich); um zu agieren hingegen schon.
Kurz – der Mensch ist ein Chaot und das ist wohl auch gut so. Eine der Konstituenten des Menschseins.
Am 23. November 2012 um 15:05 Uhr
Davon ist man lange ausgegangen, bzw. es war ein wesentlicher Streitfall pro/contra künstliche Intelligenz. Wenn jedoch das System die Funktionsweise des Gehirns nachbildet und über ebenso viel oder gar mehr Kapazität verfügt, kann sie auch gleiche Operationen ausführen. Dazu gehört dann auch, Gedanken zu haben, die der Schöpfer eben nicht vorgesehen hatte.
Natürlich macht das nur Sinn, wenn die Maschine über Sinnesorgane verfügt, über die sie »Welt« wahrnehmen kann. Und hier liegt das Problem und auch eine große Gefahr. Da kommt der Konstruktivismus ins Spiel: Dieses System kann »Welt« nur so erfahren, wie es die Sinnesorgane zulassen. Ein Computer wäre – angenommenerweise – unbeweglich, dafür aber mit sehr vielen elektronischen Quellen verbunden, die ihm einen Informationsvorsprung gegenüber einem Menschen verschaffen. Alle diese Informationen könnten aber auch falsch sein. Zudem stammen sie aus menschlichen Quellen. Grundsätzlich kann ein solches System Bewusstsein ausbilden. Fraglich ist, wie ein solches Bewusstsein ohne die Erfahrung von Körperlichkeit und Beweglichkeit aussehen würde.
Besonders spannend finde ich die Möglichkeit, ein menschliches Bewusstsein gewissermaßen in eine Maschine zu downloaden. Damit hätte ein solches elektronisches Bewusstsein die Basis der Erfahrungen eines ganzen Menschenlebens, und die Frage ist, wie es sich dann – auf der Basis unkörperlicher Existenz – weiter entwickeln würde.
In der SF-Serie »Babylon 5« gibt es diverse Referenzen auf Spezies, bei denen die Loslösung vom Körperlichen als wesentlicher Evolutionsschritt betrachtet wurde…
Am 23. November 2012 um 17:55 Uhr
Das Gedankenspiel hat schon was Faszinierendes – und seine Verwirklichung etwas Unheimliches. Insbesondere wenn man davon ausgeht, dass man ja mehrere menschliche Bewusstseinsformen „laden“ könnte.
Was geschähe dann? Was meinen wir wirklich mit Bewusstsein? Wozu brauchen wir es? Geht es nur um das sogenannte Kognitive, also eine Art Wahrscheinlichkeitsrechnung in der Abschätzung von Folgen – im Bereich des Mechanischen und Messbaren?
Wenn es hingegen darum geht, eine Einschätzung der Welt an sich zu gewinnen und danach Entscheidungen zu fällen, wäre eine Vielzahl von Bewusstseinszuständen oder Optionen wohl bewusstseinserweiternd – aber nicht mehr zielführend im Sinne einer Handlungsanweisung. Zumal sie der emotionslosen Maschine ja alle gleichwertig sein müssen.
Das ist nützlich, wenn es darum geht, bestimmte Vorgaben, wie die statisch erfolgreichste Lösung eines Konfliktes, zu erfüllen oder eine technische Aufgabe zu lösen.
Wer aber stellt die Aufgabe? Woher kommt der Impuls, die Motivation eben, die Menschen zu handelnden Wesen werden lässt? Bedürfnisse braucht die Maschine ja nicht zu befriedigen, Triebe, alles Irrationale sind ihr ja naturgemäß fremd.
In diesem Zusammenhang irritiert es mich auch etwas, dass Informationen falsch sein können. Insbesondere solche, die aus Sinneswahrnehmungen stammen. Wer bewertet sie als richtig oder falsch? Auf welche Art von Informationen trifft das sonst zu? Nicht alles lässt sich schließlich so klar unterscheiden. Da fängt die Schwierigkeit mit der Moral ja an.
Die Loslösung vom Körperlichen zum Zwecke des reinen freien Bewusstseins wiederum ist ja etwas, worum sich viele spirituelle Traditionen seit jeher bemühen. Im Sinne eines höheren Bewusstseins vom Wesen des Seins. Immer aber im Widerstreit mit den menschlichen Begierden. Zur Überwindung des irdischen Daseins. Dessen Motor offenbar alles Widersprüchliche ist, die stete Hin- und Her-Bewegung.
Am 23. November 2012 um 21:44 Uhr
Auch die Maschine wird Bedürfnisse haben und sei es nur jenes, dass kein Mensch ihr den Strom abschaltet.
Interessant ist die Frage nach Emotionen. Einige davon zumindest sind an Körperlichkeit gebunden, aber vielleicht nicht alle. Ich würde also nicht zwingend davon ausgehen, dass ein solchen Bewusstsein emotionslos ist.
Und wer die Aufgabe stellt? Spannend wird es ja, wenn das künstliche Bewusstsein sich selbst Aufgaben stellt und möglicherweise bewusst entscheidet, eine von einem Menschen an die Maschine herangetragene Aufgabe nicht zu lösen.
Am 18. März 2013 um 13:15 Uhr
wie ein mensch reagieren könnte/wird, wenn er feststellt, daß er seinen körper nicht mehr braucht, weil er zur software geworden ist, darüber hat owald wiener als „evo präkogler“ geschrieben in: „Nicht schon wieder…! Eine auf einer Floppy gefundene Datei, München: Matthes & Seitz, 1990“ schöne grüße, s.l.