Das Gift
Der Wein verwandelt oft die schmutzigsten Spelunken
In Schlösser voller Märchenpracht,
Und Säulenhallen er vor uns erstehen macht
Aus rotem Dunst und goldnen Funken,
Wie eine Sonne, die versinkt in Nebelnacht.
Das Opium weitet aus, was ohne Grenz‘ und Schranken,
Es dehnt die Unermesslichkeit,
Es höhlt der Wollust Rausch, vertieft das Meer der Zeit,
Und mit Genüssen, schwarzen, kranken
Macht es die Seele übervoll und weit.
Nichts aber gleicht dem Gift aus deinen grünen Augen,
Den tiefen Seen, drin gramerfüllt,
Verzerrt und zitternd malt sich meiner Seele Bild,
Aus denen durstige Träume saugen
Die tiefe Bitternis, die Qualen weckt und stillt.
Nichts aber gleicht dem Gift, dem Gift von deinem Munde,
Das in mir wühlt und mich verzehrt,
Die Reue tötet und schamlos Vergessen lehrt,
Den Wahnsinn träufelt in die Wunde
Und mit dem irren Geist taumelnd zur Hölle fährt.
Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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Am 30. Juli 2009 um 00:09 Uhr
[…] der Assoziation war übrigens Baudelaires Zeile Nichts aber gleicht dem Gift aus deinen grünen […]