Was sagst du heute abend
Was sagst du heute abend, arme Seele,
Was sagst du Herz, schon fast verwelkt, verblüht,
Der schönen, holden Göttin ohne Fehle,
Ihr, deren Blick belebend dich durchglüht?
All unser Stolz ist ja, ihr Lob zu singen,
In deren Dienst die müde Seele ruht,
Um ihren Leib sich Himmelsdüfte schwingen,
Ihr Aug‘ umkleidet uns mit lichter Glut.
Mag ich zur Nacht im Zimmer stumm, allein,
Auf lautem Markt im Volksgedränge sein,
Ihr Geist umschwebt mich hell wie eine Sonne
Und flüstert: »Ich bin Glanz aus lichten Höhn,
Um meinetwillen liebe nur was schön,
Denn ich bin Schutzgeist, Muse und Madonne.«
Charles Baudelaire
aus: „Les Fleurs du Mal – Die Blumen des Bösen“
Übertragung: Therese Robinson
© Georg Müller Verlag München (1925)
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