••• Ich musste nachsehen. Es ist tatsächlich schon wieder vier Jahre her, dass ich als Herausgeber und beitragender Autor an einer sehr interessanten Sonderpublikation von spatien über Literarische Weblogs beteiligt war. Dreizehn Autorinnen und Autoren, die Literarische Weblogs betreiben, äußerten sich in diesem Buch mit theoretischen Texten und illustrierenden Beispielen aus ihren Blogs zu der Frage, was ihnen das Literarische Weblog bedeute. So illuster der Kreis der Autoren war, so vielfältig fielen auch die Ansichten zum Thema aus.
Unter den damaligen Autoren fand sich selbstverständlich auch Alban Nikolai Herbst. Selbstverständlich deshalb, weil sein Blog »Die Dschungel. Anderswelt« so etwas wie das Urgestein unter den Literarischen Weblogs deutscher Sprache ist. Er hat vor uns allen begonnen, und man konnte sich damals schon des Eindrucks nicht erwehren, dass man ihn auch nicht würde »einholen« können, dass man nicht würde aufschließen können. Für Herbst nämlich, so stellte es sich dar, war (und ist) sein Dschungel nicht einfach nur irgendeine Plattform der öffentlichen Präsentation seines Arbeitens, sondern das Weblog ist ein Grundpfeiler seines literarischen Werkes. Entsprechend aktiv führt er es. Entsprechend vehement entwickelt er auch seine poetologischen Überlegungen rund ums literarische Bloggen weiter.
Seit geraumer Zeit gibt es in den Dschungeln eine Rubrik mit dem Titel »Kleine Theorie des Literarischen Bloggens«, in der Herbst den wesentlichen Teil dieser poetologischen Überlegungen kondensieren lässt. Hartmut Abendschein, der seinerzeit bereits die Anthologie »literarische weblogs« verlegerisch betreut hat, stellt nun in seiner zu einem Verlag mit kontinuierlich wachsendem Programm gereiften edition taberna kritika unter genau dem Titel der Dschungel-Rubrik eine Essenz der Herbstschen Überlegungen zum Literarischen Bloggen als Buch vor. »Erste Lieferung« heißt es im Untertitel, und das 130 starke Paperpack schließt mit dem Hinweis: »Fortzusetzen.«
Damit hat Herbst sicher recht, mit vielen, vielen anderen Überlegungen in diesem Buch ebenso. Und daher kann ich, bevor ich hier mehr darüber schreibe, eines vorausschicken: »Lesen!« Das gilt vor allem für jene unter uns, die selbst ein Literarisches Weblog führen. Die Lektüre lohnt unbedingt.
Gemessen an Herbsts eigener Poetik müsste man den Band vielleicht als »Mogelpackung« bezeichnen. Geboten werden nämlich Beiträge aus den Dschungeln, aus besagter Rubrik und angrenzenden Rubriken, sowie Kommentare und Repliken des Autors auf diese Kommentare. Allerdings ist nicht ersichtlich, ob das Material für die Drucklegung überarbeitet wurde. Es ist auch nicht klar, ob die Beiträge in der Reihenfolge ihres Erscheinens in den Dschungeln präsentiert werden oder anderweitig geordnet worden sind. Der Verzicht auf die »Einblendung des Zeitstrahls« habe ich sehr bedauert. Eines Nach- oder Geleitworts, das Auskunft hätte geben können über den Prozess der Übertragung aus den Dschungeln ins Druckmedium wäre ebenfalls wünschenswert gewesen und hätte – obgleich »nur« editorische Notiz – die in den Texten entwickelte Poetologie einmal mehr unterstreichen können, ein spannender Zusatz.
Poetologisch konsequent hingegen finde ich es, die Theorie im Entstehungsprozess zu zeigen, indem die Blogbeiträge herangezogen werden, statt post factum (wenn es das denn in diesem Fall geben kann) einen runden, akademisch gebauten theoretischen Traktat voller Schlussfolgerungen vorzulegen. So dürfen wir teilhaben an Ideen, die auch wieder verworfen wurden, an anderen, die zum Programm geworden sind. Das Bild, das sich schließlich ergibt, ist ungemein inspirierend.
Wie kann man kurz umreißen, worum es Herbst geht? Vielleicht so: Das Leben ist als Roman zu begreifen, und das Literarische Weblog ist das liquide Medium, in dem dieser Roman sich schreibt. Die Beitragenden – nämlich der Autor und die Leser – schreiben ihn fort und halten ihn lebendig, indem sie sich permanent Änderungen am Gewesenen zugestehen. Dabei werden alle Zutragenden automatisch zu Figuren in diesem Roman, und die Grenzen zwischen natürlichen Personen und Avataren (also Pseudonymen für tatsächliche oder erfundene Personen), zwischen Autor, Leser und Figur verschwimmen. Das Leben als Roman begreifen, bedeutet für Herbst auch die Forderung, als Autor die eigene Person rückhaltlos öffentlich zu machen, ohne Rücksicht auf sich selbst und nur unter innerem Protest mit Rücksicht auf »reale« Personen im eigenen Umfeld, die eigene Familie bspw., vor allem die Kinder. Der innere Protest ist dabei ein Protest aus dem festen Willen heraus, authentisch zu sein, der gelegentlich mit dem menschlichen Wunsch, nicht zu verletzen, kollidiert. Das übrigens ist allein schon eine interessante Volte in der Herbstlichen Poetologie: Was denn bedeutet authentisch, wenn absichtsvoll jede erwähnte Person, jede erwähnte Begebenheit ebenso gut erfunden wie auch »real« sein kann?
Die meisten Beiträge, die nun in diesem Band zusammengefasst wurden, habe ich zuvor irgendwann in den Dschungeln gelesen. Aber erst jetzt, da ich sie geordnet und gedruckt vor mir hatte, hat sich mir erschlossen, was mir über die Jahre des – mal sporadischen, mal genaueren – Verfolgens der Dschungel mitunter nicht einleuchten wollte. Ich möchte selbst wirklich nicht Herbsts poetologische Schlussfolgerungen ziehen müssen, was das Private angeht, aber immerhin verstehe ich nun, warum es ihm so wichtig ist, warum er das persönliche Tagebuch als Variante und Baustein für im Gesamt-Dschungel so wesentlich hält. Auch wurde mir erstmalig nachvollziehbar, warum Herbst der zuzeiten unerträglichen Trollerei in seinen Dschungeln nie final durch Unterbinden anonymer Kommentare Einhalt geboten hat. Das alles muss den Herausgeber/Autor der Dschungel ungemein viel Kraft kosten. Die eigene Poetologie so konsequent zu leben, nötigt im Gegenzug Respekt ab. Dass mir dieses gedruckte Buch nun vermitteln konnte, was sich aus der fortlaufenden Lektüre der Dschungel nicht erschlossen hat, ist allerdings eine Kuriosität, über die auch nachzudenken lohnt. Ich will später noch einmal auf diese Frage zurückkommen.
Wenn ich nun hier einige Anmerkungen zu Herbsts Überlegungen notiere, verstehe ich sie nicht als Kritik, sondern als versicherndes Nachfragen bzw. als Diskursangebot, als Einstreuen von Punkten, die ich für weiter diskussionswürdig halte.
Beginnen möchte ich mit technischen Fragen. Herbst erläutert sehr nachvollziehbar, wie er zu seiner Praxis bspw. von versteckten Links gekommen ist. Er thematisiert die Problematik des Zeitstrahls, also des ins Vergessen Absinkens älterer Beiträge und wie man ihm begegnen kann. Er beschreibt die Aufteilung der Dschungel in Hauptsite und Rubriken-Nebenstränge – ein Umstand, der mir tatsächlich bislang gar nicht klar war.
Die erste Frage, die sich mir aufdrängt, ist diese: Warum vertraut man ein Projekt wie dieses einem öffentlichen Provider mit vergleichsweise eingeschränkten technischen Möglichkeiten an? Ich denke an Haltbarkeit, an technische Erweiterungen, wie sie die Poetologie eigentlich fordern würde, die der Hoster aber nicht bietet (und Herbst überraschenderweise nicht erwähnt). So hielte ich es für sehr interessant, wenn die Dschungel Versionierung böten, also die Möglichkeit, editorische Eingriffe im Nachhinein nachzuverfolgen. (Oder ginge das gegen die Idee der Liquidität des Mediums, in dem etwas eben noch Dagewesenes plötzlich verschwunden sein kann? Es bleibt aber verschwunden, und der Augenblick bzw. der Umstand des Verschwindens versus eines Nie-Gewesenseins ist nicht mehr nachvollziehbar.)
Die Frage des Hostings drängte sich mir auf, weil es aus Herbsts Überlegungen heraus zwingend scheint, den Dschungel auf einem Hybriden aus Weblog und Wiki zu betreiben. Das nämlich würde die Zeitstrahlproblematik, das In-Vergessenheit-Geraten älterer Beiträge eliminieren. Bestimmte Stränge wie etwa die Tagebücher von Herbst und Dschungel-Gästen sind in Blog-Strukturen hingegen sehr gut aufgehoben. Ein Wiki – im Gegensatz zum Weblog – ist auch nur on-site sinnvoll lesbar. Und hier sind wir bei dem womöglich entscheidenden Punkt, den ich in Herbsts Überlegungen noch vermisse: die Berücksichtigung nämlich der Lesegewohnheiten. Die meisten Blog-Leser verfolgen ihre Lieblingssites per RSS-Reader. Liest man die Dschungel so, bekommt man von der Aufteilung der Site in unterschiedlichste Dschungelgegenden kaum etwas mit. Die Beiträge erscheinen im Reader in der Folge ihres Erscheinens, und die Plazierung – Hauptsite oder Nebenstränge – geht verloren. Bei dieser Rezeption fallen auch viele der ja oft ausufernden Kommentarwellen durch, bzw. man liest sie ganz anders, weil das Threading (auf der Site nach meinem Empfinden nicht wirklich optimal visualisiert) im RSS-Feed ganz verloren geht. Dafür aber speichern die RSS-Reader einen Stand des Blogs auf dem Rechner des Lesers, der schon wenige Minuten später womöglich gar nicht mehr dem Stand der Site entspricht, denn Löschungen werden nicht propagiert. Ein Kommentar, sei er auch vom Verfasser oder vom Herausgeber nachträglich bearbeitet oder gelöscht worden, erreicht den RSS-Abonnenten eventuell noch in seiner ursprünglichen Form. Von der Revision bekommt er nichts mit.
Die Dschungel, nimmt man Herbst beim Wort, müssten sicherstellen, dass man sie on-site liest. Oder die Site-Gestaltung, bspw. als Wiki eher denn als Blog, müsste beim On-site-Lesen einen so handgreiflichen Vorteil haben, dass der Leser es auch so hält. Die Frage wäre dann noch immer, ob sich auf diesem Weg der gleiche Grad an Leserbindung halten ließe, wie er durch RSS-Feeds zu erreichen ist. Zumindest müsste es konfigurierbare Feeds geben, in denen der Leser Rubriken bündeln kann, die er verfolgen möchte etc. Das Rezeptionsverhalten jedenfalls halte ich für untersuchungswürdig, dieses und die Rückschlüsse aus den Erkenntnissen darüber auf die Poetik selbst.
Sympathisch übrigens finde ich Herbsts Überlegungen zu einer neuen Form des Mäzenatentums durch die Leser, was die Entfernung vom Markt und seinen oft zu künstlerischen Kompromissen (ver-)führenden Gegebenheiten ermöglicht, ohne dass der Autor automatisch in Armut versinkt. Ich fühlte mich an kickstarter.com erinnert, nur mit dem zusätzlichen Aspekt einer länger andauernden, den Autor stützenden Gemeinschaft.
Das Nachdenken über dieses Modell hat mich erneut zu einer technischen Frage geführt, nämlich der der Reichweitenbestimmung, sprich: Wieviele Leser hat ein Weblog wirklich? Weit über 90% aller Zugriffe sind durch Maschinen generiert, also durch Spider von Suchmaschinen oder auch Bots, die nach Sicherheitslücken suchen etc., allem möglichen, jedoch nicht dem »idealen«, dem menschlichen Leser. Nun ist in der Tat bei Herbst allerhand los, unter anderem – leugne er es nicht! – weil es troll-freundliches Territorium ist, vor allem aber weil der Nachschub an hochwertigem Lesestoff gewaltig und stetig ist. Wie aber steht es um das deutschsprachige Literarische Weblog abseits der Dschungel-Singularität? Auch: Wieviel Traffic entfällt auf echtes Surfen durch den Site-Dschungel (im Sinne der Poetologie). Und wieviel Traffic ergibt sich aus Klicks aus Suchanfragen heraus? Wie hoch ist der Anteil zurückkehrender Leser? Wie also steht es um die Leserbindung, die ja Voraussetzung wäre für ein funktionierendes Modell der bezahlten Autorschaft, das sich direkt zwischen Leser und Autor abspielt?
Wie weit man diesen Fragen als Autor wirklich nachgehen sollte und wie weit als bspw. Germanist, der auf diesem Gebiet forscht, will ich offen lassen. Aber es sind in jedem Fall interessante Fragen, die durchaus auf die Poetik zurückwirken könnten oder gar müssten. Eine entsprechende technische Ausstattung, die diese Informationen zugänglich macht, hielte ich daher bei einem so avancierten Projekt für notwendig.
Ich habe den Verdacht, dass sich die Dschungel, würde man sie auf Buchseiten bringen wollen, zu Wälzern von insgesamt 10.000 bis 15.000 Seiten ausgewachsen haben. Das ist eine ungeheure Menge. Das Projekt dauert seit Jahren an, und es ist weder anzunehmen noch zu wünschen, dass es eingestellt wird. Somit haben wir es mit einem Proust-Phänomen in Potenz zu tun: Ein Werk erwartet, den Leser Tag für Tag durch Jahre seines Lebens zu begleiten bzw. von ihm/ihr begleitet zu werden. Dieser Wille zur permanenten Anwesenheit im Leben anderer (der Leser) bzw. der permanenten Anwesenheit vieler »Fremder« im eigenen Leben, ist speziell am Projekt der Dschungel, und ich würde mir wünschen, Herbst diesen Aspekt auch einmal reflektieren zu sehen. Auch hier: Dies sehe ich nicht als Kritik, ich empfinde und handhabe es lediglich anders. Weder möchte ich die Leser permanent zu Besuch in meinem Arbeits- oder gar Wohnzimmer haben, noch möchte ich permanent in deren Leben zugegen sein. Eher als Gast auf einen inspirierenden Besuch, der natürlich gern auch lange nachwirken darf.
Ich will nicht ausufern, aber eines doch noch anmerken: So sympathisch und konsequent die Präsentation von Blog-Beiträgen als Buch zur Entwicklung einer Poetologie des Literarischen Bloggens auch ist, wäre es doch auch wünschenswert, das Thema einmal in etwas geordneterer Form angepackt zu sehen. Zum Beispiel hielte ich Begriffsklärungen für wichtig: Was wird unter einem Avatar verstanden etc.? In einem solchen Umfeld ließen sich auch einmal technische Fragen untersuchen, etwa die einer Verknüpfung von Weblog- und Wiki-Software, die der Ergonomie, also Fragen des User Interface wie etwa Rubrizierungen, RSS-Feeds, die Darstellung von Kommentar-Threads, die Unterscheidung von Binnen- und Außenlinks, die Kennzeichnung auch von Inhalten, auf die von außen verlinkt wurde (Trackbacks) etc. pp. Kurz: Ich meine tatsächlich, dass eine Poetologie des Literarischen Bloggens sich dem Medium nicht nur theoretisch sondern auch technisch detallierter widmen müsste.
Was mir bleibt an dieser Stelle: ANH und Hartmut Abendschein für dieses Buch zu danken und für die vielen Anregungen zum Thema, die mir – obgleich selbst seit vielen Jahren mit dem Turmsegler im Netz – noch nicht in den Sinn gekommen waren.
Alban Nikolai Herbst: »Kleine Theorie des Literarischen Bloggens«
edition taberna kritika, September 2011
132 S., ISBN: 978-3-905846-18-8
14,- € / 22,- SFr
Am 17. Oktober 2011 um 19:27 Uhr
[…] Kleine Theorie des Literarischen Bloggens Oktober 17th, 2011 in Fundstücke, Rund ums Bloggen | tags: Bloggen, literarisches Bloggen, Literatur […]
Am 17. Oktober 2011 um 19:32 Uhr
Gerne erwiderte ich auf einige Punkte, möchte aber einer Diskussion hier nicht im Weg stehen, sondern abwarten. Zu einem einzigen Einwand habe ich eben >>>> dort etwas geschrieben, das die Perspektive erklärt, in der ich Literarische Weblogs ästhetisch verstehe.
Am 17. Oktober 2011 um 21:55 Uhr
Ich sehe einige der hier dargestellten Punkte dezidiert anders und werde dazu in einigen Tagen (die brasilianische Post streikte, so dass ich das Buch sehr verspätet erhielt) eine Rezension auf Avenida Perdida publizieren.
Am 17. Oktober 2011 um 22:07 Uhr
Lieber Markus, da bin ich sehr gespannt. Und überhaupt freut es mich, auf diesem Weg wieder einmal von Dir zu hören.
Am 18. Oktober 2011 um 23:02 Uhr
Lieber Benjamin,
habe mich mal „eingedschungelt“ auf dem entsprechendem Weblog. Meine Motivation war, um ehrlich zu sein, dass bei mir bei jeglichem sog. Willen, und dann auch noch zur Authentizität, die Alarmglocken schrillen… :-)
Nee, im Ernst, diesen Willen kann ich so gar nicht verspüren in dem Weblog, zumindest nicht beim ersten Durchlauf. Im Gegenteil.
Woran meinst Du denn diesen Willen zur Authentizität zu erkennen, oder sagt der Autor das ggf. selbst so (kann ich mir zwar nicht vorstellen, kenne aber das Buch, auf welches Du Dich ja beziehst, nicht).
Auch andere Einschätzungen Deinerseits sehe ich anders, ich habe das Gefühl bzw. den Eindruck gewonnen, der Autor bewegt sich gar nicht in den Diskursen von „Wille“, „Authentizität“, permamanter Ab- und Anwesenheit, weder im Leben der anderen noch im Leben des „eigenen“. Auch hier würde ich sagen, im Gegenteil.
Meines Erachtens besteht seine Radikalität darin, die eigene Person / Ego zurückzustellen und zurücktreten zu lassen. Den Wunsch nicht zu verletzen kann ich auch ausmachen, schon gleich gar nicht als „Korrektiv“, das sehe ich eher als apriori und gesetzt, als Selbstverständlichkeit.
Hinzukommt: Verletzung würde Verbindung auschließen bzw. unmöglich machen. Und darum geht es dem Autor meines Erachtens und in erster Linie: Networking; verbinden, was ggf. bislang getrennt war usw. usf.
Ich würde sagen, wenn überhaupt „Wille“, dann der, sein Ego in Schach zu halten. Denn in dessen Natur liegt nun wirklich der Wille zur Durchsetzung.
Auch sehe ich erstmal nicht, dass es seine Motivation / sein Motiv ist, seine eigene Poetologie, wie konsequent auch immer, zu leben (was ich nebenbei schwierig bis aufhorchenswert und auch langweilig finden würde…).
So, das sind so meine ersten Gedanken. Eigentlich wollte ich mich ja nicht in die Debatte „reinhängen“, aber so ist das eben mit dem „Willen“, auch dem zur Einmischung… :-)
In diesem Sinne + Liebe Grüße + interessant in jedem Falle, das Thema,
Dorit
Am 19. Oktober 2011 um 08:43 Uhr
[…] von Alban Nikolai Herbst, ist ein Buch. Dieses Offensichtliche wird von Benjamin Stein in seiner Rezension hinterfragt, wenn er es “vielleicht als »Mogelpackung«” bezeichnet. Denn, so […]
Am 19. Oktober 2011 um 09:05 Uhr
@Dorit: Ich kann nicht nicht ganz folgen. Ich habe die Befürchtung, mich zu unklar ausgedrückt zu haben.
Die Rede ist hier nicht von menschlicher Authentizität, sondern der als Kategorie des Literarischen. Es gibt Poetiken, die sich darum gar nicht scheren. Nicht so die Herbstsche: Hier steht diese Frage sogar im Zentrum. Und entsprechend gehört künstlerischer Gestaltungswille dazu, das Gelingen auch immer wieder zu hinterfragen. Kurz: Es geht nicht darum, dass sich einer zwingen müsste, er selbst zu sein.
Das kann ich in den Dschungeln nun wirklich nicht feststellen. Die – nennen wir es einmal so – Herausgerberfigur ist in den Dschungeln überaus präsent. Und man darf getrost annehmen, dass diese Figur dem tatsächlichen Herausgeber enorm ähnelt. ANH auf den Pfaden des »Bitul Atzmo«? Also, da kann ich Dir nun wirklich nicht folgen.
Wenn nicht gerade ANH seine Poetologie konsequent lebt, sei es in den Dschungeln oder in anderen Arbeiten, dann weiß ich nicht, was es bedeuten sollte. Und was soll daran langweilig sein? Was ist langweilig an Konsequenz, zumal künstlerischer? Das halte ich für »authentisch«: nicht nur zu behaupten, das Leben sei ein Roman, sondern es auch so zu leben.
Am 19. Oktober 2011 um 09:13 Uhr
Wie angekündigt schreibt auch Markus A. Hediger nun über die »Kleine Theorie«, nebenan auf Avenida Perdida.
Er scheint mir im Moment mehr im Banne von Barthes als von ANH zu stehen :-) Das macht die Lektüre seines Betrages aber nicht weniger inspirierend. Von den »angedrohten« dezidiert anderen Ansichten kann ich in dem Artikel allerdings gar nichts finden. Markus hat anderes an dem Buch genossen als ich, bei ihm scheint es weniger Fragen aufzuwerfen als bei mir.
Aber auch an seiner Einleitung sehe ich, dass meine Formulierungen oben missverständlich gewesen sein könnten.
Natürlich haben wir es hier mit einem Buch zu tun, das als Buch gestaltet wurde. Wenn ich »Mogelpackung« in Gänsefüßchen sage, dann aus nur einem Grund: Die Poetologie reklamiert Liquidität, Nachvollziehbarkeit der Entstehungsgeschichte, verweist auf die unterschiedlichen »Zeitstrahlen« im Weblog etc. Die Spuren dessen sind in diesem Buch aber editorisch getilgt. Gemogelt im Sinne der Poetologie finde ich lediglich, diesen Umstand nicht durch eine editorische Notiz reflektiert und ggf. begründet zu haben.
Am 19. Oktober 2011 um 10:24 Uhr
Da scheinst du aber schlicht und einfach den Zusammenhang überlesen zu haben, den ich zwischen Barthes und Herbst herstelle. Dass bei Herbst eben nicht nur die „Lust“ eine wesentliche Rolle spielt, sondern eben auch die „Wollust“ im Bartheschen Sinne und dass ich letztere als ganz wesentlichen Bestandteil von Herbsts Schaffens erachte.
Man kann ewig lang über technische Fragen bei Herbst diskutieren, dagegen habe ich nichts, und es ist ganz sicher einfacher und bequemer, als den Versuch zu wagen, inhaltlich etwas zu Herbsts bisweilen auch selbstwidersprüchlichen Theorie zu sagen. Indem ich Barthes bemühe, hebe ich einen bestimmten Aspekt seines literarischen Bloggens hervor, ich hätte es auch mit Borges tun können, aber das macht Herbst ja selbst.
Am 19. Oktober 2011 um 10:33 Uhr
Ich habe das durchaus nicht überlesen. Allerdings finde ich es nicht per se »bequemer«, wenn ich die Fragen stelle, die mich beschäftigen. Das sind momentan vielleicht vorwiegend technische, aber das ist legitim. Ich rezensiere ja hier nicht, sondern möchte diskursiv mit meinen Fragen an Herbsts Überlegungen zum Thema anknüpfen.
Wenn sich ein bildender Künstler eine neue Technik aneignet, muss er sie auch durchfühlen, üben, meistern. Wenn wir mit Weblogs zu tun haben, befinden wir uns in der Welt der IT, der Software. Vielleicht liegt es an meinem beruflichen Hintergrund, dass mich dieser Aspekt besonders interessiert. Die Idee bspw., über Weblog-Wiki-Hybriden nachzudenken, ist mir erst durch die Lektüre dieses Buches gekommen – ein Rückwirken der formulierten Poetologie auf die Wahl der technischen Mittel.
Am 20. Oktober 2011 um 11:48 Uhr
[…] (siehe auch bei Turmsegler) […]
Am 20. Oktober 2011 um 19:08 Uhr
Jetzt habe ich, lieber Benjamin Stein, genug, glaube ich, abgewartet, welcherlei Kommentare zu Ihrem Beitrag kämen; jetzt darf ich ein bißchen was entgegnen.
1) Mogelpackung:
Gemessen an meiner Poetologie-im-Netz haben Sie recht, gemessen an der für ein traditionelles Buch aber nicht. Wir haben, Abendschein und ich, ganz bewußt auf Rücklinks, Datierungen usw. verzichtet, weil die Ästhetik eines poetischen Buches anderen Gesetzen gehorcht als die die Netzes und vor allem als die einer streng-wissenschaftlichen Publikation. Ich bin hier sehr durch Adorno geprägt, der es in seinen großen Büchern ähnlich hielt, wie auch Ernst Bloch, der meine zweite wichtige Bezugsgröße ist. Und Nietzsche „natürlich“, dessen Widerstreben gegens System ich teile, vielleicht auch, als sein Leser, von ihm geerbt habe. Darüber hinaus läßt sich alles, was Ihnen fehlt, eigenständig eruieren, wenn man nur parallelliest, also Die Dschungel selbst hinzuzieht – was sehr leicht ist unterdessen. Vermittels der Search-Funktion ist alles das zumal sehr bequem zu finden, was nun vermißt wird.
2)
Ich bin kein Programmierer; mein Interesse am Programmieren ist auch eingeschränkt. Ich nutzte das Medium, und wo ich technische Hilfe brauche, hole ich sie mir, ohne selbst zum Experten werden zu müssen. Das gebietet allein schon die Arbeitsteilung und vor allem gebietet es die Menge meiner Arbeitsvorhaben. Man kann ein meisterlicher Autofahrer sein, ohne Kenntnisse der Automechanik zu haben.
Zugleich sind mir
3)
die Einschränkungen bei Twoday bewußt, und manchmal haben sie mich auch geschmerzt, weil noch so vieles andere möglich ist, auf anderen Plattformen, bei anderen Hosters, das ich auch gerne realisierte. ABER: Ich bin ein treuer Mensch, auch wenn man’s mir nicht glaubt. Twoday hat von Anfang an Die Dschungel gefördert, ja mich von allen finanziellen Belastungen freigestellt. Dafür habe ich Twoday eines der wichtigsten Literarischen Weblogs – vielleicht unter ihnen sogar wirklich das erste, das weiß ich nicht genau – zur Verfügung gestellt, nein: für Twoday erarbeitet, oft mit vielen Stunden der Anstrengung täglich. Twoday, also die Knallgrauen wissen das und wissen es, glaube ich, zu schätzen. Wir tun hier etwas wechselseitig füreinander. Nun, da Die Dschungel berühmt ist, den Hoster zu wechseln, wäre schäbig. Wenn einem ein kleiner Verlag zur Bekanntheit verhilft, wechselt man auch nicht zu einem großen, der dann lockt, es sei denn, der kleine Verlag arbeitet nicht mehr oder betrügt einen sogar. Was ja schon vorgekommen ist. Nicht aber bei Twoday. Ich fühle mich Twoday verpflichtet. Das ist ein moralisches Argument, ich weiß, aber mir ist das wichtig.
Diese drei „Dinge“ wollte ich nach Ihrer Rezension gerne loswerden und – bin sie nun los.
Ganz herzlich,
Ihr
ANH
Am 21. Oktober 2011 um 09:59 Uhr
[…] weiter? Herbst bemerkt ausdrücklich, dass auch das Buch nur vorläufig sei und fortgesetzt werde. Benjamin Stein hat in seiner Besprechung die Problemen mit Herbsts Dekonstruktion der Zeitachse angesprochen und die Fragen aufgeworfen, ob […]
Am 21. Oktober 2011 um 12:13 Uhr
Macht nüscht lieber Benjamin,
fehlte mir persönlich einfach nur ein bisschen die „Trennschärfe“ in den Begrifflichkeiten und Bezüglichkeiten. Das hat mich zwar auf die falsche Fährte gelockt, aber gleichzeitig in den entsprechenden Weblog. :-) Auch nicht schlecht, oder?
Fazit für mich: Okay, ich sehe es ein, ich werde das Büchlein „Kleine Theorie des literarischen Bloggens“ lesen müssen, auch wenn der Beitrag von Markus A. Heidiger schon sehr erhellend und aufschlussreich für mich war.
Nee, und wenn allen Usern des Weblogs klar ist, dass sie an einem „Roman“ mitschreiben, dann ist doch alles okay. Ist doch alles nur eine Frage der Verabredung, muss man ja als Nutzer / Leser eines bzw. dieses lit. Weblogs ja nur wissen, wie ich finde, damit man sich ggf. nicht „verwurstet“ fühlt und da nichts verwechselt etc.
So, und genau diese Frage drängt sich mir auch auf, Benjamin, was ist in diesem Zusammenhang denn eigentlich „authentisch“ bzw. wozu braucht man diese Kategorie, warum überhaupt bzw. warum eben keine andere. Die russischen Symbolisten z.B. lösen in ihren „Poetologien“ diese Frage ja anders für sich und stellen sich meines Erachtens der gleichen bzw. einer ähnlichen Herausforderung, und zwar explizit.
Völlig einverstanden, es ist natürlich nicht langweilig, und schon gar nicht per se, Kunst in Leben zu „überführen“ und umgekehrt, diese kleine „Provokation“ sei mir gestattet gewesen, denke ich. :-)
Nein, ich finde nix langweilig an Konsequenz, schon gar nicht an künstlerischer, zumal und wenn sie in Kunst mündet. Das finde ich höchstspannend. So wie bei Wissenschaft auch bzw. generell jeder menschlichen Tätigkeit und „Entäußerung“.
So, und bevor ich noch in Selbstverständigungsprozesse „abgleite“ aus Versehen bzw. weitere Eulen nach Athen trage, mache ich mal meine „Hausaufgaben“ und gehe so lange vom Sender… :-)
Richtig, ich habe auch nix dagegen nicht nur zu behaupten, das Leben sei ein Roman, sondern es auch zu leben. Im Gegenteil (siehe z.B. Nikolai Berdjajew, Andrej Bely und Alexander Blok, oder auch z.B. ihr „Haus- und Hofphilosoph“ Wladimir Solowjow). Alles sehr produktiv, bereichernd und inspirierend, was die Herren „abgeliefert“ haben. :-)
So, das mal zu den Fragen, die mich beschäftigen. :-) Apropos technische Fragen, Benjamin, was sagste eigentlich zur Grundlagenforschung bezüglich eines Quanten-PCs. Haste davon schon mal was gehört…? Das finde ich spannend. – Genial im grunde + dass da nicht schon mal einer früher draufgekommen ist, oder…?
In diesem Sinne,
Dorit
Am 21. Oktober 2011 um 20:45 Uhr
Soweit die poetologische Theorie, soweit der Anspruch der „Theorie des Literarischen Bloggens“, verdichtet in dem Satz „Das Leben als Roman zu begreifen, und das Literarische Weblog ist das liquide Medium, in dem dieser Roman sich schreibt.“
Messe ich diesen Anspruch an der Praxis des Literarischen Bloggens, werden schnell die systemimmanenten Grenzen deutlich. Gerade die Arbeit mit Avataren, mit anonymen zumal, zeigt das Problem. Wer schreibt da real und wirklich? Ist es – wie andere Rezensisten immer mal wieder mutmaßen – gar der Autor selbst, der aus Gründen nachlassenden Traffics die Diskussion höchstpersönlich befeuert, neben Argumenten, Handlungen und Empfindungen auch immer das Gegenstück dazu mitliefert. Und ist der Eifer, die Wut, die Empörung nicht weitgehend gespielt, eben romanhaft und fiktional ausdifferenziert? Verschiebt er sich mit erfundenen Avataren in den sogenannten Anti-Herbst?
Die Trennung ist nicht eindeutig und wie Sie in Ihrer Besprechung richtig schreiben, verschwimmt das Konstitutive des Autors und der tatsächlichen und erfundenen Personen. Und selbst wenn er die Anonymen nicht selbst kreiert, welchen Stellenwert hat das Geschriebene und woher stammt es? Aus der Feder, der Tastatur des Anonymen? Oder sind es Collagen? Plagiate gar? Und wenn ja, mit welchen urheberrechtlichen Folgen?
Dieses fiktionale Vorgehen überfordert selbst seine eingefleischten Vasallen, die seine Theorie für die Praxis halten oder das Fiktionale für die Realität. So übernimmt der Autor Avatare aus dem Roman des Literarischen Blogs in Romane, die er auf dem konventionellen Weg Lesern bzw. vorzugsweise Leserinnen andient, gleichzeitig stellen seine (vor allem männlichen) Vasallen Fahndungslisten auf, suchen mit großem Programmiereifer vermeintlich mißliebige Avatare am Kommentieren zu hindern, drohen mal mit der Staatsanwaltschaft, mal mit unverhohlener Selbstjustiz.
So scheitert die aufgeblasene Theorie des Literarischen Bloggens an der Praxis der vehementen Verfolgung und des kategorischen Ausschlusses, fehlt nur noch die Androhung eines Trojaners. Einigermaßen fassungslos liest man die Herbstsche Mitteilung „Das Hübsche ist, daß wir jetzt eine Watch- und eine Blacklist sogar haben, die automatisch IPs protokolliert, sie mit den Nicknames vergleicht und die Ergebnisse speichert.“
Geradezu generös wirkt dagegen die Spezialbehandlung einer Kommentatorin, die in einem kurzen Beitrag seine Pettersson-Hommage als „Wortbrei ohne Punkt und Pause“ kritisiert. „Was nun (Name der Kommentatorin) speziell anbelangt, sehe ich momentan von einer rechtlichen Behandlung ihres Stalkings ab; statt dessen wird sie, und zwar für immer, ebenso aus Der Dschungel ausgesperrt werden, wie das auf einer anderen Site schon erfolgreich geschehen ist. Möglicherweise lassen wir sie für twoday-insgesamt sperren.“
Aber nur nicht vorschnell den Kopf schütteln, auch hier: Realität? Fiktion? Die Watch- und Blackliste muß (und wird es hoffentlich) nicht geben, eine twoday-insgesamt-Sperrung ebenfalls nicht. Auch mir wird – wie Sie schreiben – „erstmalig nachvollziehbar, warum Herbst der zuzeiten unerträglichen Trollerei in seinen Dschungeln nie final durch Unterbinden anonymer Kommentare Einhalt geboten hat.“
Daß „das alles den Herausgeber/Autor der Dschungel ungemein viel Kraft kosten (muss)“ – wie Sie vermuten – kann ich allerdings nicht erkennen, bleibt es doch allein eine Frage der Kybernetik.
Am 22. Oktober 2011 um 07:51 Uhr
Lieber Benjamin Stein,
mit „Henze“ haben Sie sich jetzt leider einen derjenigen Trolls eingefangen, die – nachdem er jahrelang aufs infamste in Der Dschungel kommentierte – von meinem Programmierer auf eine Blacklist gesetzt worden sind. „Henze“ taucht übrigens, unterdessen nachweisbar, unter verschiedenen Anonymen auf. Hier jetzt gibt er sich, noch, seriös; in jedem Fall aber ist die Absicht meine Schädigung. „Henze“ und seine Anonyma versuchen seit langem nicht nur, das Projekt Der Dschungel zu torpedieren, sondern vor allem geht es darum, mich persönlich zu diffamieren. Wenn Henze weiterhin so agiert, werde ich seine IP deshalb öffentlich machen. Mir sind auch rechtliche Schritte, etwa nach § 238 StGB, nahegelegt worden, wovon ich aber noch Abstand nehme. Wenn allerdings deutlich werden sollte, daß sich „Henze“ und seine anderen Anonyma jetzt,da ihnen Die Dschungel versperrt ist, wellenartig, um mir weiter zu schaden, auf andere Blogs ausweiten, werde ich den Schritt tun.
Seien Sie gegrüßt,
ich habe leider mit so etwas gerechnet:
Ihr ANH
Am 22. Oktober 2011 um 10:16 Uhr
Zum eskalierten Trollkomplex jetzt, unverärgert, >>>> dort.
(Sollten Sie dies alles weglöschen, hätte das mein ausgesprochenes Verständnis. Diese Schlachten sollten hier ebensowenig geführt werden wie >>>> auf Tainted Talents, wo das ebenfalls versucht worden ist.)
Am 22. Oktober 2011 um 20:23 Uhr
Den Schlussfeiertagen von Sukkot folgte gleich Schabbat; so war ich drei Tage offline, während hier die letzten Kommentare eingingen.
Der Reihe nach…
@ANH: Ihre Erwiderung ist mir sehr sympathisch, zeigt sie doch, dass Poetologie, die zur Ideologie würde, deutlich an Charme verlöre. Und sie zeigt auch, dass die menschliche Komponente zu einer Kunstauffassung dazugehören muss. Ich verstehe die Loyalität dem Hoster gegenüber.
Dass Sie kein Programmierer sind, ist mir bewusst. Die Frage aber, meine ich, bleibt im Raum, ob wir, wenn wir uns in diesem Medium bewegen, so sehr künstlerisch darauf setzen, uns eben nicht doch mehr auch technisch damit auseinandersetzen müssen. Ich hatte oben den Bildenden Künstler erwähnt, der sich Drucktechniken bspw. auch erarbeiten muss. Mein Schwager arbeitet neuerdings für seine großen Skulpturen mit Glasplatten, die mit transparentem Silikon verklebt werden. Jede Skulptur ist für ihn auch eine technische Herausforderung. Die Beschäftigung mit Verbundstoffen, ihrer Haltbarkeit und Witterungsbeständigkeit ist keine per se künstlerisch zu nennende Tätigkeit, gehört aber dazu. Verstehen Sie recht: Die Frage, die ich mir stelle, ist die, wie weit wir uns eben doch auf die Technik und – in diesem Fall – Web-Entwicklung einlassen oder eben konsequent Beratung von technisch Versierten einholen müssten. Das alles unter der Headline »das eigne Medium meistern«.
Zu Henze: Wer je ein Weblog geführt hat, wird sich auch mit Fragen der Leserbindung, also des Erhalts oder der Erhöhung des Traffics befasst haben. Eines aber kann ich mir aus eigener Erfahrung nicht vorstellen, nämlich dass man, um mehr Traffic zu erreichen, die psychische Spaltungsleistung vollbringt, sich selbst derart zu beschimpfen, wie es ANH regelmäßig in den Dschungeln ergeht. »Viel Feind, viel Ehr«, heißt es. Und die Ehre hat ANH allemal, dass er Selbstbeschimpfungen aus Mangel an Feinden sicher nicht nötig hat. Eine solche Einlassung halte ich für eine abwegige Unterstellung.
Mir ist andererseits nicht ganz klar, warum das ANH so sehr auf die Palme bringt, dass er Blacklisting und rechtliche Schritte erwägt. Ich habe freilich nicht den Überblick, was dieser Avatar sonst noch alles in den Dschungeln und anderswo ebenso abwegig unterstellt haben mag.
Blacklistings sind IMHO kaum realisierbar. Die IP-Adressen wechseln bei privaten Anschlüssen recht oft, meist binnen 24h. Die IP-Adresse bekommt dann ein anderer, der dann statt des gebannten Trolls geblockt wäre. Für Trolls gibt es heute, finde ich, eine viel schönere Lösung: Man zeigt im Blog den Kommentar des Trolls an, aber nur für ihn selbst. Alle anderen Besucher sehen ihn nicht. So bekommen die Trolle, was sie verdienen: Sie werden, ohne dass es jemanden eine Kraftanstrengung kosten würde, ignoriert.
Das übrigens wäre ein Vorschlag, um bei Rodungen von Troll-Kommentaren, nicht ganze Antwort-Threads eliminieren zu müssen: Den Kommentar editieren und die Beleidigungen ersetzen mit »Hier stand ein Troll-Kommentar«. Oder man lässt einfach nur einen Punkt stehen. Aber damit sind wir wieder bei den technischen Möglichkeiten, die eine Blog-Software bietet. Bei aller verständlicher – und sympathischer – Loyalität, würde ich mir als Künstler das Heft nicht so weit aus der Hand nehmen lassen, dass ich Kommentare als Herausgeber (Admin) des Blogs nicht bearbeiten, löschen, verschieben etc. kann, wie es nötig wäre.
Am 22. Oktober 2011 um 21:14 Uhr
Kurzer Einwurf von mir: Die Möglichkeit, einen fremden Kommentar zu editieren besteht bei twoday nicht. Die IP-Adressen der Kommentatoren werden auch nicht – wie bei WordPress – automatisch erfasst. Man braucht bei Setzen eines Kommentars auf twoday noch nicht einmal eine E-Mail-Adresse anzugeben. Man kann als Admin bei twoday einzig eine Moderation vorschalten. Dann muss man sich irgendwann entscheiden, den Kommentar in Gänze freizugeben oder in den Orkus zu befördern.
Am 22. Oktober 2011 um 21:32 Uhr
So hatte ich es verstanden. Das ist schon hinderlich.
Am 22. Oktober 2011 um 22:03 Uhr
Apropos Trolle: Ist eigentlich jemandem bekannt, inwiefern es dieses Problem auch in anderen Ländern (hier besser: Sprachen) gibt? Ist der »Deutsche Troll« eine spezielle Spezies? Oder eher nicht? Ich sollte mal bei D G Myers nachfragen.
Am 23. Oktober 2011 um 17:26 Uhr
Der englischsprachige Wikipedia-Artikel ist ausführlicher als der deutschsprachige und enthält einige Hinweise auf phänomenologische Untersuchungen und auch einen Artikel über einen justiziablen Fall eines Facebook-Trolls in Australien.
Massenwirksame Blogs umgehen das Trollproblem zumeist mit vorgeschalteter Moderation (so wird bspw. der Blog von Pierre Assouline moderiert).
(Einen Hinweis zu twoday habe ich noch vergessen. Er soll der Vollständigkeit halber erwähnt werden: twoday ermöglicht es, bestimmte Nicks bzw. Pseudonyme zu „blockieren“. Auch das kann natürlich sehr leicht umgangen werden, weshalb es sich eigentlich nur für die angemeldeten User anbietet. Zusammen mit der Möglichkeit, keine Gastkommentare zuzulassen, gibt es auch bei twoday Möglichkeiten, sich solcher Störungen vom Hals zu halten. Die Nicht-Editierbarkeit von fremden Kommentaren ist übrigens gewollt.)
Am 23. Oktober 2011 um 21:57 Uhr
Worum geht es Herbst?
Ich will Ihre Antwort auf diese Frage nur der Vollständigkeit halber noch einmal wiederholen: „Das Leben“ schreiben Sie „ist als Roman zu begreifen, und das Literarische Weblog ist das liquide Medium, in dem dieser Roman sich schreibt. Die Beitragenden – nämlich der Autor und die Leser – schreiben ihn fort und halten ihn lebendig, indem sie sich permanent Änderungen am Gewesenen zugestehen. Dabei werden alle Zutragenden automatisch zu Figuren in diesem Roman, und die Grenzen zwischen natürlichen Personen und Avataren (also Pseudonymen für tatsächliche oder erfundene Personen), zwischen Autor, Leser und Figur verschwimmen.“
Und meine Frage lautet: Ist das Romanhafte seiner „Kleinen Theorie des Literarischen Bloggens“ nun seine Anspruchsfolie. Und wenn ja: Wird dieser Anspruch der „Praxis des Literarischen Bloggens“ gerecht?
Ich – und im Übrigen nicht nur ich – habe da meine Zweifel anzumelden. Natürlich gibt es in die „Die Dschungel“ auch Pseudonyme für tatsächliche Personen, die erstaunlicherweise selbst bei üblen Beleidigungen und Schmähungen höchst selten gelöscht oder verschoben werden, ohne Zweifel tauchen höchst unregelmäßig und dann gehäuft Pseudonyme für (vom Betreiber selbst) erfundene Personen auf. Verifizierbar ist das selbstredend nicht. Und auch nicht erwünscht und notwendig. Im Romanhaften verschwimmen eben Realitäten und Fiktionen. Augenfällig ist ja die seltsame Ruhe jener vermeintlichen Störenfriede, wissen wir doch um die auch von Ihnen erwähnte immaterielle und technische Sinnlosigkeit sogenannter Schwarzer Listen. Offensichtlich aber existieren diese Avatare nur als Romanfiguren, die aus unterschiedlichen Gründen, mögen es dramaturgische, mögen es aufmerksamkeits- und trafficsteigernde Gründe sein, mal auftauchen und dann wieder verschwinden.
Immerhin: die selbstreferentielle Diskussion an einem sonst trafficarmen Wochenende ist gesichert, wobei sie bekanntermaßen und wie gehabt sehr asymmetrisch verläuft. In Ermangelung von ernsthaften literaturjournalistischen Rezensionen in den Printmedien ist er noch dankbar für jede Besprechung in befreundeten Blogs, die Diskussion aber, so seine Vorstellungen, sollte schon in seinem Blog stattfinden, er selbst hinterlässt in anderen Blogs meistens nicht viel mehr als Querverweise oder eben nichts. Im „Begleitschreiben“ beispielsweise findet sich von ihm kein Wort!
Am 23. Oktober 2011 um 23:03 Uhr
Fragen Sie sich das, aber diese Frage ist nicht Gegenstand dieses Beitrages. Ich verfolge Die Dschungel über die letzten Jahre auch nicht durchgängig mit allen Beiträgen und Kommentaren. Ich könnte sie nicht einmal beantworten, wenn ich wollte.
Auch ANHs Praxis der Kommentierung von fremden Blogbeiträgen ist hier nicht Gegenstand der Betrachtung. Das muss und kann jeder halten, wie er will.
Mir ging es hier um seine theoretischen Überlegungen im besprochenen Buch. Sie wären sogar dann allein als solche von Interesse und diskussionswürdig, wenn ANH gar kein Weblog führen würde. Das aber tut er und mit Verve und Ausdauer.
Wenn Ihnen missfällt, was ANH tut und treibt, können Sie leicht Abhilfe schaffen: Zerknüllen Sie einen Wutzettel und – bleiben Sie Den Dschungeln fern.
Am 24. Oktober 2011 um 09:50 Uhr
Lieber Benjamni Stein,
Sie schreiben, dass Sie ‘nicht rezensieren’, sondern ‘nur diskursiv an Herbsts Überlegungen anknüpfen’. Ich denke, dass Sie sehr wohl ‘rezensieren’, und zwar im besten Sinne: recenseo = mustern, also aufmerksam beobachten und eine Meinung abgeben (nicht ein pauschales Werturteil). Insgesamt finde ich, dass die Diskussion hier ein sehr schönes Beispiel dafür ist, was ‚Literaturkritik‘ in dieser dialogischen Form im Vergleich zur herkömmlichen Ein-Weg-Besprechung leisten kann.
Am 5. Dezember 2016 um 20:16 Uhr
[…] https://turmsegler.net/20111017/kleine-theorie-des-literarischen-bloggens/ […]
Am 8. Dezember 2016 um 11:08 Uhr
[…] Bereits realisiert wurde eine „Kleine Theorie des Literarischen Bloggens“, nämlich hier: https://turmsegler.net/20111017/kleine-theorie-des-literarischen-bloggens/ […]