••• Nicht nur der Autor bekommt nach dem ersten Layout-Entwurf die Fahnen zur Korrektur. Auch das Lektorat und Korrektoren bekommen Exemplare und senden sie mit ihren Korrekturen an den Verlag zurück. Die Volontärin hat dann die Aufgabe, diese Korrekturen in einem Fahnenset zusammenzuführen. Das nennt man Kollationierung. Wenn man es mit einem pingeligen Autor zu tun hat, werden auch noch Änderungswünsche am Layout notiert. Die zusammengeführten Korrekturen gehen an die Herstellung und werden eingearbeitet. Dann gibt es ein zweites Set Fahnen, in dem meist alles – inklusive Titelei und Impressum – schon so gestaltet ist, wie es am Ende aussehen soll. Das geht erneut an den Autor zur Freigabe.
Bei der »Leinwand« hat mich das zweite Fahnen-Set in ziemliche Aufregung versetzt, weil die Korrektoren nach gerade mal gültiger »neuer« Rechtschreibung korrigieren. Ich fand dann im freizugebenden Fahnen-Set Monstrositäten, die mir Augenschmerzen bereiteten. Gerade wenn es darum geht, getrennt oder zusammen zu schreiben, hat die »neue« Rechtschreibungen diverse Scheußlichkeiten zu bieten. Auch der Umgang mit Lehnwörtern – speziell Anglizismen – ist erstaunlich. Das hat dazu geführt, dass ich mit der Lektoratsassistenz mit dem Fahnen-Set der Korrektoren über den kollationierten Fahnen saß und mühsam diverse »Korrekturen« der Korrektoren wieder korrigiert habe.
Das sollte diesmal nicht passieren. Also haben wir uns gleich zur Kollationierung verabredet und sind die Korrekturvorschläge der Rechtschreibhüter durchgegangen, bevor sie ins kollationierte Exemplar übernommen wurden.
Es geht eigentlich fast immer um Kann-Bestimmungen, Regeln also, wo man nach »alter« oder »neuer« Rechtschreibung gehen kann. Zum Beispiel bin ich dabei geblieben, bei erweitertem Infinitiv mit »zu« das Komma zu setzen, das die »neue« Rechtschreibung nicht mehr vorsieht. Auch wenn nach Verbindungsworten, wie »und« oder »oder« ein Hauptsatz folgt, bleibe ich beim Komma, das die »neue« Rechtschreibung einspart. Dann die beliebte Frage von »f« statt »ph«. Mit Fotografie kann ich mich unterdessen arrangieren. Aber zwischen Phantasie und Fantasie gibt es einen Unterschied: Fantasie ist eine Kompositionsform. Da bleibe ich für die Phantasie doch lieber bei »ph«.
Ein paar Beispiele für den Umgang mit Anglizismen gefällig? Statt Jaguar Vintage-Cabrio hätte ich schreiben sollen: Jaguarvintage-Cabrio. Autsch. Statt Pushup hätte es Push-Up heißen sollen und Work-Out statt Workout – naja.
Dann gibt es noch ein paar Kommasetzungen – etwa bei eingeschobenen Nebensätzen oder bei Nebensätzen nach Appositionen in Gedankenstrichen – die ans Esoterische grenzen. Im letzten Satz beispielsweise hätte nach dem zweiten Gedankenstrich ein Komma stehen sollen. Das lasse ich weg, weil der Gedankenstrich die Kommafunktion übernehmen kann und »-,« einfach scheußlich aussieht.
Das mag alles etwas zwanghaft wirken, aber eigentlich sollte die Literatursprache doch die Rechtschreibung formen und nicht umgekehrt, oder? Ich frage mich, was Reinhard Jirgl bei solchen Korrekturdurchgängen durchmachen muss. Ob er speziell für seinen Schreibstil ausgebildete Korrektoren zur Verfügung hat, die zwischen Eigenart des Stils und Fehler unterscheiden können?
Glücklicherweise aber gibt es die Korrektoren. Auch diesmal haben sie so viele echte Tippfehler gefunden, die mir und dem Lektor bei mehreren Korrekturdurchgängen nicht aufgefallen sind. Mitunter ist es unfassbar, was für ein Buchstabengewurschtel man da übersehen hat.
Nun also steht der finale Text. Gegen Ende der Sitzung kam noch die Herstellerin dazu. Am Layout haben wir fast nichts geändert. Die Paginierung wird nach außen rutschen, und es gibt eine Zeile weniger pro Seite – zur Auflockerung. Das heißt, dass sich der Umbruch noch einmal ändern wird. Wenn das 2. Fahnen-Set kommt, werde ich mich also noch um »Hurenkinder« – Übersatz am Seitenende – kümmern müssen. Das ist eine undankbare Aufgabe, weil man kürzen muss, damit der Text passt. Während meiner Zeitschriftenzeit war ich das gewohnt, und bei Artikeln hat es mich nie gestört. Bei einem literarischen Text ist es aber doch immer merkwürdig, etwas herauszuschnitzen, nur damit der Text auf die Seite passt. Überlebt man aber auch.
Übrigens gibt es noch kein Lebenszeichen von Leander Eisenmann, was das Cover angeht. Bis Ende September werden wir noch auf seinen Entwurf warten müssen.
Am 7. September 2011 um 12:17 Uhr
Danke für die Aufklärung, was eine sog. Kollationierung bertifft… – Lag‘ ich mit meinen Kollateralschäden ja gar nicht so weit weg… :-)
Na, mal gut, daß Du entspannte Leute an Deiner Seite hast, die offensichtlich Lesegefühl vor Rechtschreibung ergehen lassen…!
Am 8. September 2011 um 22:28 Uhr
Na dann – die Spannung steigt – und die Vorfreude auch ;)