Cees Nooteboom — © Baska Hempel (2007)
Landungsbrücke, das Schiff, das wegfährt
über flüssiges Glas.
Jetzt bin ich allein mit Chong Er,
die Aussicht einer Ebene,
meine Freunde Klausner in den Hügeln,
Männer, schon fast aus Stein.
Dunkel bleibe ich von jetzt an,
weit von den weißen Hirschen,
die wir ritten in Feldern und Wolken
und Nebel.
Zwischen dem Jetzt und dem Tod
eine Zeit für Gedanken, von niemand
geschrieben, Scham auf einer Tafel,
mit weißer Kreide, mein Name befreit
von seinen Buchstaben, leer
wie ein Klang.
Elfenbein und Juwelen,
das alles kannte ich, mein Schatten
verschwindet in einer Falte der Zeit,
nichts lasse ich nach, verrieben
zwischen dem Staub der Tage
teile ich das Schicksal von Steinen und Muscheln,
ein Prinz ohne Worte
in einem Gewebe
gesponnen aus nichts.
© Cees Nooteboom, in: Akzente 5/2007
Nachdichtung von Ard Posthuma
••• Vor Jahren gab es im Fernsehen eine Sendung, die für Buchhändler von eminenter Wichtigkeit war. Sie erfuhren, welche Bücher sie im Eingangsbereich ihres Geschäfts auf Tischen aufstapeln mussten. Ab und an habe ich mir das „Literarische Quartett“ gern angesehen. Ich mochte Reich-Ranicki in der sehr dankbaren Dompteursrolle. Und es gab in jeder Sendung etwas, worüber man sich herzlich aufregen konnte.
In einer dieser Sendungen hörte ich zum ersten Mal von Cees Nooteboom. Es ging damals um „Rituale“, einen Roman, der einhellig gelobt wurde und den ich umgehend bestellte. Er gefiel mir nicht. Aber noch immer nehme ich das Taschenbuch gern zur Hand, ein schwarzes Paperback mit metallicrotem Titelaufdruck. Erst letztens habe ich es erneut zu lesen begonnen, und ich bin erneut nicht warm geworden. Aber das macht gar nichts. Denn es gibt wenigstens zwei Bücher von Nooteboom, die ich ungemein schätze. Von ihnen wird noch zu berichten sein.
Was ich nicht wusste: Dass der Erzähler Nooteboom auch Lyrik schreibt.
der Traum verbotener Reisen,
ein Tor, für immer verschlossen,
nun halb offen, die Gefahr eines anderen
Lebens, ein Gedicht
Ich fühle mich diesen Versen nicht wirklich nah verwandt. Aber der „Prinz ohne Worte“ und jene vier Zeilen haben mir Appetit gemacht auf mehr.