Im Erinnerungsgarten eines jeden gibt es wohl das eine oder andere schwarze Schaf, das dort vermeintlich friedlich und unbeobachtet grast. Es wächst nicht, aber es wird auch nicht kleiner, und vor allem stirbt es nie. Es grast, und gelegentlich blökt es laut und vernehmlich, damit man es ja nicht vergisst.
Das ist die Erinnerung an Augenblicke tiefster Peinlichkeit, Situationen, in denen wir uns einmal befunden haben und wünschten, umgehend im Erdboden zu versinken und nie wieder sichtbar zu werden. Allein die offenbar nie verblassende Erinnerung an jene Momente, die uns wieder und wieder unangekündigt zu überfallen vermag, genügt, die Scham erneut in uns aufsteigen zu lassen. Sie verblasst nicht, die Schuld ebenso wenig, und zu beidem gesellt sich auch noch die unbezwingbare Angst, dass andere sich ebenso lebhaft wie wir selbst an das Geschehen erinnern und uns jederzeit bloßstellen könnten.
Mein schwarzes Schaf, zumindest eines davon, ist die Erinnerung an jenen Moment in Matanas Büro, die Sekunden, in denen mir der Boden unter Füßen schwand und alles über mir einzustürzen drohte, weil mir klar wurde, dass ich enttarnt war und mein Verrat offenbart, dass kein Leugnen mehr nützen würde und ich nun der Gnade derer ausgeliefert war, die ich betrogen hatte.
Das Perfideste an der Situation war, dass Katelyn unbeirrt lächelte, während sie auf mich zukam und mir die Hand entgegenstreckte, als würden wir uns nicht kennen. Wusste sie nicht, dass ich Matana eingeweiht hatte? Oder war der Handschlag, mit dem sie mich begrüßte, bereits die Ankündigung eines unwiderruflich veränderten Verhältnisses zwischen uns, der Rückkehr zu Fremdheit und Distanz? Womöglich hatte Matana sie im Glauben belassen, er wisse nichts von unserem Verhältnis. Vielleicht spielte sie ihm gegenüber, wie ich ihr gegenüber gespielt hatte. Es konnte sein, dass Katelyn über Wochen schon bescheid gewusst hatte, während ich mich mit meiner Heimlichtuerei vor ihr lächerlich machte. Ebenso gut konnte es allerdings auch sein, dass sie nicht ahnte, dass Matana dies alles arrangiert hatte und nun belustigt beobachtete, wie sie vorgab, mich nicht zu kennen, und wie ich, um sie nicht bloßzustellen, darauf einging. Das nun wiederum wäre ein Verrat Matanas an mir gewesen.
Es mag unglaubwürdig erscheinen, wenn ich sage, dass wir nie über diese Situation gesprochen haben. Aber so ist es. Möglicherweise liegt es daran, dass uns dieser absurde Augenblick als Team zusammengeschweißt hatte, als ein Trio illoyaler Lügner und potentieller Verräter vor Freunden und Geliebten. Was hatten wir denn voneinander erfahren? Uns war nicht zu trauen. Jeder von uns wusste es, und jedem mochte es gleich unangenehm sein, derart ertappt worden zu sein.
aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)
Am 12. Juni 2011 um 23:50 Uhr
Hab ich gerade angeschaut: http://youtu.be/829ZvtRKzAU
Am 13. Juni 2011 um 10:51 Uhr
Joho, nicht übel, sollten wir mal ausleihen :-)
Am 13. Juni 2011 um 11:01 Uhr
Ich hab ihn doch gestern angeschaut. Haben wir also da. Lohnt sich aber wirklich nicht. ;)
Am 13. Juni 2011 um 11:31 Uhr
Ach so. Ich dachte, Du hättest nur den Trailer gesehen. Nö, einen »nicht lohnenden« Horror brauche ich nicht. Muss noch den 3. Matrix-Film ansehen. Habe ich gestern nicht mehr geschafft, weil der Pan-Text grad so gut fließt.