Das nächste Date mit Katelyn war eine Tortur. Sie war bestens aufgelegt und scherzte, aber ich fühlte mich in mich zurückgezogen wie eine Schnecke im Haus. Ich konnte Katelyn kaum in die Augen sehen und brachte keinen zusammenhängenden Satz heraus, weil ich fürchtete, mich zu verraten. Es kam mir vor, als wären Nebelschwaden zwischen uns aufgezogen, die mein Bild von ihr überlagerten, die Details, die ich sah und an denen ich mich bislang gefreut hatte, ihre Augen, ihre Lippen, die frech in die Stirn stehenden blonden Haarspitzen. Was sie sagte, erreichte mich nur noch gedämpft und wie verzerrt. Über alles hatte sich eine graue, wabernde Wolke geschoben, die Vorstellung, dass alles zum letzten Mal geschah, dass die Zukunft mit ihr hier und jetzt endete, obwohl keiner von uns es so wollte.
Katelyn war ahnunglos und lachte hell auf, als sie merkte, wie abwesend ich war.
Wohin, fragte sie, hast du dich denn verirrt? Ich bin sicher, du hast kein Wort von dem mitbekommen, was ich eben gesagt habe.
Ich nickte, versuchte ein Lächeln und eine Entschuldigung. Ich faselte etwas von einer schwierigen Phase in meinem Projekt, einem Problem, das ich seit Tagen nicht hätte lösen können und das mich und den Fortgang der Forschungen blockierte.
Das wird sich finden, sagte sie. Sei nicht so dramatisch. Im übrigen sei es uncharmant, an Maschinen zu denken, während ich mit ihr ausging, einer Frau aus Fleisch und Blut.
Schau her, sagte sie und warf sich kokett in die Brust: Das sollte dich deine Bitmuster vergessen lassen, findest du nicht?
Sie musste, dachte ich, wirklich ahnungslos sein, und ich wusste nicht, ob mich das erleichtern sollte oder noch schuldiger machte.
Der Tag darauf war mein Geburtstag. Zu den Glückwünschen, hatte Matana mich vorgewarnt, würde es keine Geschenke geben, sondern einen Sack voll neuer Verpflichtungen. Es gebe keinen besseren Zeitpunkt, hatte er gesagt, um mit meinem Trainingsprogramm zu beginnen. Zu zehn Uhr hatte er mich in sein Büro zitiert, um mir den Personal Trainer vorzustellen, der mich fit machen sollte für meine Mission.
Ich war pünktlich. Zwei Minuten vor zehn stand ich in Matanas Vorzimmer und begrüßte die Sekretärin.
Gehen Sie nur, sagte sie: Sie werden erwartet.
Als ich die Tür zu Matanas Büro öffnete und eintrat, kam es mir vor, als würde ich eine Bühne betreten. Mein Blick fiel auf Matana, der hinterm Schreibtisch entspannt zurückgelehnt auf seinem thronartigen Ledersessel saß. Wie am Tag meines Vorstellungsgesprächs hielt er seine Taschenuhr in der Hand und strich mit dem Daumen versonnen über das Nymphenrelief. Über seinem Kopf prangten die Augen des Firmenlogos und starrten mich an. Das alles wirkte wie arrangiert, eine wohldurchdachte Inszenierung, die mich beeindrucken sollte. Und das tat sie. Matana ließ die Uhr in der Westentasche verschwinden und wies mit ausladender Geste zu der Sitzgruppe, auf der wir vor Jahren die Modalitäten meines Arbeitsvertrages ausgehandelt hatten. Dort saß bereits jemand, eine überaus attraktive Frau, blonder Bob, grüne Augen. Unterm Saum des Bleistiftrock blitzte ein Hauch von Strumpf…
Voilà, hörte ich Matana sagen. Katelyn stand auf, und die Sekretärin schloss hinter mir die Tür.
aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)
Am 12. Juni 2011 um 00:27 Uhr
[…] ging über den Vorfall hinweg. Das erleichterte mich zunächst, weil ich nicht ahnte, dass mich diese Art, die Situation […]