Bücher, schon gar nicht Romane, verbietet man nicht. Man verbrennt sie schließlich auch nicht. Ein Land, dessen Rechtssystem nicht begreift, dass man bestimmte Bereiche der Freiheit nicht antasten darf, macht mir einerseits Angst, andererseits macht es mich wütend.
••• Maxim Billers Roman „Esra“ ist nun tatsächlich auch letztinstanzlich – vom Bundesverfassungsgericht – verboten worden. Die beiden Damen, die sich darin porträtiert fanden, haben sich somit endgültig mit ihrer Klage durchgesetzt. Sie sahen ihre Persönlichkeitsrechte verletzt. Schadenersatz und ein Verbot des Buches haben sie sich erstritten. Ich sehe darin ein erbärmliches Armutszeugnis nicht nur der deutschen Justiz sondern auch des deutschen Verständnisses von Freiheit der Kunst (und letzten Endes auch der Presse).
Es gab Zeiten, da genügte es vollauf, am Anfang oder Ende eines erzählerischen Werkes – Buch, Film, was auch immer – darauf hinzuweisen, dass Handlung und Personen frei erfunden und Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen rein zufällig wären.
Düstere Aussichten für dieses Land. Wer mag da noch erzählen oder als Journalist berichten? Den oben zitierten Worten vom Don ist nichts hinzuzufügen.
Es ist einfach nur widerlich.
Update: Die offizielle Pressemitteilung zum Urteil ist » hier zu finden. Sie enthält unter anderem auch das Sondervotum dreier Richter, die gegen das Mehrheitsvotum des Senats stimmten.
Update: Auch Alban Nikolai Herbst äussert sich zum Urteil und wird in seiner 1. Heidelberger Vorlesung darauf Bezug nehmen. Interessant finde ich seinen Standpunkt, dass allein die Gestalt(ung) die Kunst mache:
Kunst bestimmt sich eben durch die Form; der Inhalt ist – für die Definition von Kunst und also dasjenige, was die garantierte Freiheit der Kunst angeblich schützen will – völlig einerlei […]
(Das Gericht sah vielmehr den Grad der Verfremdung als Massstab des Künstlerischen an.)
Am 14. Oktober 2007 um 14:55 Uhr
Stell Dir vor, jemand würde über Deine sexuellen Praktiken schreiben, die nur (sie) kennen kann, was würdest Du dann tun?
Am 14. Oktober 2007 um 16:58 Uhr
Wenn nur (sie) sie kennen kann – gar nichts.
Wohlgemerkt, es ist sicher ein Vertrauensbruch geschehen. Es ist sicher menschlich fragwürdig. Aber dass und wie Biller schreibt, dürfte der Dame bekannt gewesen sein, als sie sich mit ihm einliess. Und in der Nähe von Darstellern muss man damit rechnen, dargestellt zu werden.
Am 14. Oktober 2007 um 17:00 Uhr
Also sich gar nicht erst auf Darsteller einlassen???
Am 14. Oktober 2007 um 17:02 Uhr
Das möchtest du jetzt gern mit Nein beantwortet haben, gell? – Zu spät, Chérie.
Am 14. Oktober 2007 um 17:15 Uhr
:-) ja da hast Du natürlich recht Benjamin, wenn man das vorher weiß muss sich frau fragen lassen, warum, aber Liebe, wenn es denn Liebe war hat ohnehin niemals was mit dem Verstand zu tun, aber das ist ein ganz anderes Thema.
Am 14. Oktober 2007 um 17:21 Uhr
:D das denke ich auch. ich könnte auch nicht nein sein sagen nur weil jemand mal eventuell etwas darüber schreiben könnte.
Am 14. Oktober 2007 um 17:26 Uhr
Update: Die offizielle Pressemitteilung zum Urteil ist » hier zu finden.
Am 14. Oktober 2007 um 17:41 Uhr
Update: Auch Alban Nikolai Herbst äussert sich zum Urteil und wird in seiner 1. Heidelberger Vorlesung darauf Bezug nehmen. Interessant finde ich seinen Standpunkt, dass allein die Gestalt(ung) die Kunst mache:
(Das Gericht sah vielmehr den Grad der Verfremdung als Massstab des Künstlerischen an.)
Am 14. Oktober 2007 um 21:11 Uhr
Kennen Sie den Fall von Birgit Kempkers Buch „Als ich das erste mal mit einem Jungen im Bett lag“? Sie hat den wirklichen Namen von dem Jungen benutzt, und das Buch musste am Ende eingestampft werden. Das war im Jahr 2000 oder so.
Aber das war ein langes Gedicht (oder ein langer Gedichtzyklus) einer Autorin ausserhalb des Mainstreams, also hat es weniger Aufmerksamkeit auf sich gezogen als der Fall Biller, vielleicht.
Am 14. Oktober 2007 um 21:14 Uhr
Jetzt hab ich alles verpasst :-( nur wegen dieser Missionarsstellung
Am 16. Oktober 2007 um 08:39 Uhr
Hat nicht alles irgenwo eine Verbindung zur Realität?
Auch wenn man schreibt, Handlung etc. sei frei erfunden, gibt es irgendwo einen Aufhänger, eine Begegnung, ein Erlebnis, dass die Phantasie des Autors angeregt hat. Davon bin ich überzeugt und ich finde es auch völlig legitim, darüber zu schreiben. Zwiegespalten sind meine Gedanken da jedoch, wenn aus dem Werk hervorgeht, welche Personen konkret gemeint sind und diese eben nicht ihr Einverständnis gegeben haben.
Wie weit die künstlerische Freiheit da gehen darf, ist ein schwieriges Problem. Generell würde ich aber nicht sagen: „Romane verbietet man nicht“ Was ist denn mit Werken, die eindeutig menschenverachtende Inhalte haben und sogar zu Verbrechen aufrufen?
Am 16. Oktober 2007 um 09:49 Uhr
Nun, von solchen war ja hier icht die Rede. Der Titel des Beitrags ist insofern etwas überspitzt.
Am 13. Juli 2008 um 16:42 Uhr
[…] heftig. Darüber hinaus noch 50.000 Euro Schadenersatz zahlen zu müssen, das erschien mir bei Urteilsbegründung damals schon der […]