Hans Fallada (1893-1947)
••• Eigentlich nicht zu fassen, dass ich in all den Jahren hier im Turmsegler noch nie über Hans Fallada geschrieben habe. Meine Mutter war unverbrüchlicher Fan seiner »Geschichten aus der Murkelei«, die nur widerstrebend auf Rowohlts Drängen transkribierten Gute-Nacht-Geschichten, die Fallada für seine Kinder ersonnen hatte. Kennt die einer von euch noch? Die »Geschichte vom Nuschelpeter« etwa …
Vor vielleicht zwei Jahren habe ich diese Geschichten meiner Tochter vorgelesen. Sie haben eine gehörige Portion schwarze Pädagogik in sich, und diverse Vorfälle in diesen Erzählungen sind nicht gerade geeignet, die Kinder gut schlafen zu lassen. Aber es sind poetische Geschichten, phantasievoll, sympathisch.
Über die Murkelei also kannte ich Fallada schon als Kind. Ich besaß auch einige seiner Romane, etwa »Wer einmal aus dem Blechnapf frisst« und »Kleiner Mann – was nun?« Ich kann mich aber beim besten Willen nicht daran erinnern, diese Bücher auch gelesen zu haben. Dennoch fühlte ich mich Fallada seit meinem 18. Lebenjahr zutiefst verbunden. Und der Grund dafür lag gar nicht in seiner Literatur, sondern in einem Film der DEFA.
Im Jahr 1988, einem Jahr tiefster Depression für mich, kam in der DDR der Film »Fallada, letztes Kapitel« in die Kinos. In diesem Film spielt Jörg Gudzuhn unvergesslich den alkohol- und morphiumabhängigen Fallada in dessen letzten zehn Lebensjahren, also 1937-1947. Drei Details sind mir prominent im Gedächtnis geblieben.
Gudzuhn raucht in diesem Film die filterlosen »Orient«-Zigaretten (oval!), die in der DDR in Schachteln zu 10 Stück zu haben waren. Die Schachtel zierte eine jugendstilartige Zeichnung der Dresdner Tabak-Moschee. Es war ein sehr guter Tabak. Ich glaube, die 10er-Schachtel kostete 2,40 Ost-Mark. Dafür bekam man auch eine 20er-Schachtel »Alte Juwel«. Wie auch immer… Weil Fallada wie ein Schlot geraucht hat und oft die Kippen auszugehen drohten, rauchte er die Zigaretten vollständig auf. Sie wurden auf eine Nadel gespießt, und im Film sieht man, wie Gudzuhn die Glut bis an die Lippen heranzieht. Disturbing, to say the least.
Die zweite Erinnerung: Bei Falladas gab es zu einer festen Uhrzeit Mittag. Und feste Uhrzeit hieß für ihn offenbar: auf die Minute. Im Film gibt es eine Szene, wo er völlig ausflippt am gedeckten Mittagstisch, weil eben 2 Minuten nach 12:00 nicht gleich 12:00 ist!
Und die dritte Erinnerung: Seine mit unendlicher Geduld gewappnete Ehefrau (Jutta Wachowiak) nennt ihn im Film immer »Junge«. Auch sehr irritierend. Besonders, da meine damalige Freundin, die den Film zusammen mit mir gesehen hatte, mich plötzlich auch so nannte!
Warum ich das alles erzähle? Weil der Aufbau-Verlag heute mit einer Fallada-Neuausgabe herausgekommen ist. Erstmalig liegt nun »Jeder stirbt für sich allein« ungekürzt vor.
Passend zu dieser Nachricht und der angesprochenen Lebensphase Falladas meldet der ORF heute, dass in Jerusalem 25 Briefe Falladas an den jüdisch-österreichischen Schriftsteller Carl Ehrenstein aufgetaucht seien. Sie stammen aus den Jahren 1934-1938 und dürften diverses Erhellendes enthalten über Falladas persönliche Umstände in dieser Zeit und wohl auch seine Entscheidung, trotz nachweislicher Nazifeindschaft Deutschland nicht zu verlassen.
Am 4. März 2011 um 17:41 Uhr
One of my first German theater experiences was Gudzuhn in „Der zerbrochene Krug“ at the Deutsches Theater in Berlin in the fall of 1991. He is so brilliant! And a little bit later, I saw Müller’s production of Hamlet with Ulrich Muhe as Hamlet and Gudzuhn as Claudius. Muhe’s death was such a great loss!