Katelyn und Hayman, nackte Nymphen, Pan und ein Anfall von Zärtlichkeit. Und schließlich Matana, ein unterbrochenes Schachspiel, Ameisen und ein Angebot, das mir Angst machte. Das war der gestrige Abend. Dass ich überhaupt einschlafen konnte, grenzt an ein Wunder. Jetzt sind sie alle fort, nur die Angst ist geblieben. Ich liege im Bett, die Decke bis zur Nase hochgezogen, und wage es nicht, die Augen zu öffnen.
»Nichts aber gleicht dem Gift aus deinen grünen Augen…« An diese Zeile Baudelaires dachte ich, als ich Katelyn im Fahrstuhl traf und zum ersten Mal in ihre unwirklich grünen Augen sah.
Unwirklich trifft es genau. Das habe ich später erfahren. Sie sind nicht echt. Katelyn trägt gefärbte Kontaktlinsen. Nie und nimmer, hat sie mir anvertraut, würde sie sich mit einer Brille sehen lassen. Das nenne ich aus der Not eine Tugend machen. Das Grün ist an Zauber kaum zu überbieten. Dennoch überlegt sie, das Problem ihrer Kurzsichtigkeit dauerhaft zu lösen. Sie will sich lasern lassen. Als sie mir das eröffnete, war ich geschockt. Ungern hätte ich auf das Grün verzichtet, aber der eigentliche Grund meines Erschreckens war die Vorstellung, sie würde nach diesem Eingriff die Binde von den Augen nehmen und – nichts mehr sehen. Ich erinnerte mich nur zu gut an die Operationen in meiner Kindheit. Ich erzählte Katelyn davon, berichtete ausführlich von den Komplikationen, mit denen ich zu kämpfen gehabt hatte und versuchte, sie davon zu überzeugen, dass so eine kleine Kurzsichtigkeit doch das Risiko nicht rechtfertigte, das sie eingehen würde.
Verglichen mit der Implantation, zu der Matana mich zu überreden versucht, ist eine Laserbehandlung allerdings ein Kinderspiel. Ist es das, was mich in Panik versetzt? Hätte ich Angst vor dem Eingriff, vor der Operation?
Eine Rose ist eine Rose ist eine Rose? Ein Zeichen, ein Hinweis, ein Wegweiser… Ich hätte wirklich wissen müssen, dass der Huf, den ich gesehen habe, als ich aufwachte, ein böses Omen war. Statt aufzuspringen, zu schreien vielleicht und mich zu vergewissern, ob ich träume oder wach bin, habe ich ihn zugedeckt. Als hätte ich etwas zu verbergen und wüsste es genau, und der Huf würde, gehörte er tatsächlich mir, eher andere in panischen Schrecken versetzen als mich selbst – weil ich mein Geheimnis kenne und schon lange damit rechnen muss, eines Nachts mit irrem Geist taumelnd zur Hölle zu fahren…
Ja, ich hätte Angst, mich auf den Operationstisch zu legen in dem Wissen, dass mein ungeliebtes blindes Auge gegen ein Implantat ausgetauscht wird. Aber das wäre kein Grund, es nicht zu tun. Es würde funktionieren. Da bin ich sicher. Omen, Fügung, Schicksal… Ich bin ein Spezialist für Zeichen. Das Implantat, von dem ich rede, habe ich selbst entworfen. Ich weiß, wovon ich rede.
Ich wackle mit den Zehen. Das geht. Jetzt habe ich wirklich Angst. Wem auch immer der Huf gehört, der unter meiner Bettdecke hervorlugt, meiner ist es nicht.
aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)