Als erstes ging ich zum Friseur. Danach kaufte ich ein: Schuhe, zwei Anzüge, Hemden und Manschettenknöpfe, Krawatten, Socken, Unterwäsche. Ich würde noch einmal gehen müssen, die nötigen Anschaffungen über die kommenden Monate verteilen. Dann kam der schwierigste Part: Ich erkundigte mich bei einer ehemaligen Kommilitonin nach einem Spa. Sie empfahl mir einen Salon in meiner Nähe, von dem sie Gutes gehört hatte.
Ich rief an, um einen Termin zu machen, aber ich konnte nicht sagen, was ich eigentlich wollte. Das Angebot an Behandlungen war überwältigend, und ich hatte keine Ahnung, was sich hinter Begriffen wie Waxing und Peeling oder hinter Fango-, Ölguss- und Lavasteinbehandlungen verbarg. Ich stammelte umständlich etwas Blumiges von der Notwendigkeit einer Häutung, natürlich im übertragenen Sinne und so weiter, und dass ich es mir einfach einmal gut gehen lassen wolle. Am liebsten hätte ich sofort wieder aufgelegt. Aber Nee antwortete ganz unbekümmert, als würde sie täglich in Beautydingen ahnungslose Männer beraten, das sei gar kein Problem. Ich solle viel Zeit mitbringen, einen halben Tag Minimum, und fünfhundert Dollar etwa, und dann würde man vor Ort schon das Richtige für mich finden.
Gut, sagte ich.
Nicht wahr? meinte Nee: Machen Sie sich keine Sorgen.
So bekam ich meinen Termin für den nächsten Tag. Zum letzten Mal trug ich meine abgewetzten Jeans, die bis dahin unvermeidlichen Sneakers und den grauen Rollkragenpulli, der seit Highschoolzeiten zu einer Art täglicher Uniform für mich geworden war. Meine neue Garderobe packte ich ein, um sie einzuweihen, nachdem ich die Häutungszeremonie durchlebt hätte, die Nee für mich ersinnen wollte.
Ich wurde mit Kichern empfangen.
Wo ist die Schlange? fragte Nee.
Die Mädels im Salon machten sich nicht etwa lustig über mich. Sie freuten sich vielmehr, dass jemand kam, der auf Entdeckungen aus zu sein schien und sich ganz ihrer Beratung überlassen wollte. Anrufe wie meiner schienen doch nicht zur Routine des Teams zu gehören. Ich wurde gemustert und eingehend beraten. Und gemeinsam fiel die Wahl für den Tag schließlich auf das vierstündige »Bride Groom Treatment Special«, wofür die angekündigten fünfhundert Dollar zwar nicht reichten, das aber, wie mir die Mädels versprachen, einen neuen Menschen aus mir machen würde.
Ich begann mit einem Saunagang im hauseigenen Dampfbad. Es ging weiter mit einer Massage und einem Ganzkörper-Meersalz-Peeling. Die nächste Stunde war der Gesichtsbehandlung gewidmet, und im Anschluss kümmerte sich Nee um meine Füße und Flo um meine Hände, und als ich nach den fünf Stunden, die schließlich über allem vergangen waren, in meine neuen Kleider schlüpfte, hatte ich ohne jede Übertreibung das Gefühl, aus einer alten, zu eng gewordenen Haut geschlüpft zu sein und in einem neuem Körper zu leben. Er mochte sich noch etwas fremd anfühlen, doch fremd höchstens in jener Art Fremdheit, die einen ersten Kuss so elektrisierend macht. Die Mädels begutachteten mich zufrieden, als hätten sie ein Kunstwerk vollendet. Und für wirklich nichts bis dahin und seither habe ich so gern viel Geld bezahlt wie für diesen halben Tag meines »Bride Groom Treatments«.
Die abgelegten Sachen verstaute ich in den Einkaufstüten. Auf dem Weg nach Hause warf ich sie in einen Müllcontainer. Sollte es so leicht gewesen sein, einer lieblosen Vergangenheit adieu zu sagen?
aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)
Am 25. Januar 2011 um 09:21 Uhr
[…] und schließlich ins Unbewusste sinken. Sie wieder auszutreiben, ist nahezu aussichtslos.Mein »Bride Groom Treatment« in Nees Salon war alles andere als eine Spontanheilung, aber es gab doch einen wesentlichen Effekt, […]
Am 13. März 2012 um 10:28 Uhr
[…] ich eben, blätterte letztens in »Replay«, las den Klappentext, überflog die Passage mit Rosens »Bride Groom Treatment« und jene im Thai-Salon. Mehr lesen mochte sie nicht. Sie ist zutiefst verärgert und weigert sich, […]