Haupteingang der Tel Aviv University
••• Heute am Vormittag habe ich tatsächlich ein paar Sätze für den Pan-Roman zustande gebracht, ein wenig Schlaf nachgeholt, einen Spaziergang am Strand Richtung Yaffo gemacht und es mir gut gehen lassen. Kurz vor 15:00 bin ich dann aufgebrochen und per Taxi zur Tel Aviv University gefahren. Dort, am Minerva Intitute for German History, fand heute die erste Veranstaltung meiner kleinen Tour statt. In Empfang genommen wurde ich von zwei ganz reizenden Damen: Iris Freyer-Nachum, die sich im Vorfeld um die Organisation gekümmert hatte, und Yael Müller, die administrative Leiterin des Instituts.
Haupteingang der Tel Aviv University
Ich bekam eine kleine Campus-Führung, gewürzt mit allerhand österreicherisch-jüdischen Spitzen zu Fragen der Architektur der verschiedenen Fakultätsgebäude. Das war schon mal ein sehr kurzweiliger Einstieg. In der Caféteria habe ich dann endlich gelernt, dass ein Macchiato hier in Israel nur der Fingerhut Kaffee ist, also eben die Latte des Latte Macchiato fehlt. Schmeckt trotzdem, wenn ich auch etwas anderes wollte – wie schon gestern in der Strandbar. Ich muss nun nur noch herausfinden, was eigentlich bestellen müsste, um etwas Latte-Macchiato-Artiges zu bekommen. Der Kaffee ist hier übrigens vorzüglich. Ich müsste auch mal schauen, wo ich einen echten arabischen Kaffee mit Kardamamom bekommen kann…
Wie auch immer… Die beiden Damen waren etwas besorgt, was ich wohl alles hier im Turmsegler berichten würde. Ein Non-Disclosure-Agreement musste ich glücklicherweise nicht unterzeichnen. Und so kann ich wohl im Laufe dieses Artikels ein wenig Unileaks spielen. Da gibt es schon einiges zu berichten, später, weiter unten, man kann ja nicht gleich eingangs alles verraten.
Lesegruppe am Institute for German History der Tel Aviv University, hinten rechts Iris Freyer-Nachum und Yael Müller
Die Lesegruppe im Institute for German History ist eine freiwillige wöchentliche Veranstaltung, für die die Studenten keine Credits bekommen, was ihrem Enthusiasmus jedoch keinen Abbruch tut. Man muss bedenken, dass die Germanistikstudenten hier in Israel in der Regel erst auf der Uni beginnen, Deutsch zu lernen. Umso beeindruckender finde ich, mit welchen Texten sie sich in der Lesegruppe auseinandersetzen. Da steht u.a. Bernhard auf dem Programm oder auch Stefan Zweig. Und heute durfte es auch einmal Stein sein. Ich hatte die seinerzeit für die Süddeutsche Zeitung ein wenig gekürzte erste Hälfte des Wechsler-Kapitels dabei. Das Manuskript lag den Studenten in Kopie vor. Und die Lesung konnte beginnen, keine gewöhnliche Lesung, denn in der Lesegruppe geht es für gewöhnlich und so auch heute Satz für Satz durch den Text. Wenn eine Wendung oder auch ein bestimmtes Wort Erklärung braucht, wird sie gegeben. Doppelbedeutungen und Doppeldeutigkeiten werden diskutiert. Ein Blick in die Runde, ein Versichern, dass der Satz verstanden wurde, und weiter geht es im Text. So haben wir uns nach einer kurzen Einführung zum Buch in den knapp 1 1/2 Stunden durch die 11 Manuskriptseiten gearbeitet.
Ich habe ja etwas übrig für Kontrapunktisches. Kurze Sätze haben Schmiss, aber dazwischen, wenn der Sound stimmt, darf ein Satz auch einmal wuchern. Für eine solche Lesegruppe sind Sätze dieser Kategorie aber dennoch harte Brocken. Die Zuhörer blieben aber konzentriert und mit Spaß bei der Sache. Ich habe selbst einiges (neu) entdecken können, etwa die Passage, in der mit den verschiedenen Bedeutungen des Wortes »aufgeben« jongliert wird… Und wieder einmal durfte ich merken, wie viele Redewendungen in diesem Text stecken, für die die armen Übersetzer Entsprechungen in den Zielsprachen finden müssen.
Lesegruppe am Institute for German History der Tel Aviv University, links neben mir Prof. José Brunner
Eine ungewöhnliche, sehr interessante Lesung mit sehr aufmerksamen Zuhörern. Schön, dass ich so etwas mal machen konnte.
Im Anschluss ging es mit Prof. José Brunner (Direktor des Instituts und ursprünglich Zürcher) und den beiden Damen zum Essen in das sehr zu empfehlende Restaurant »Lilith«. Allein das Studium der Karte und der Entscheidungsprozess für Vorspeisen, Hauptgang und passenden Wein waren Herausforderungen. Ich hatte Gnocchi mit Champignons und Trüffeln (zum ersten Mal in meinem Leben!) als Vorspeise. Auch die gehackte Leber auf Banane (!) und ein Weizenrisotto fanden zufriedene Abnehmer. Im Anschluss fiel die Wahl mehrheitlich auf wirklich hervorragende Rib-Eye-Steaks. Dazu gab es einen israelischen Shiraz. Kurz: es war wieder extrem lecker, wunderbar anzuschauen und nicht eben diätisch. Egal, es wurde zuvor ja auch gearbeitet.
Beim Essen wurden dann auch noch die wirklich wichtigen Themen verhandelt. (Unileak on!) Zur Sprache kamen nicht nur Leben und Werk von Philip Roth, J. M. Coetzee, Woody Allen und Baudelaire, sondern auch dem von – Hugh Hefner (der übrigens, wie wir von ausgewiesenen literaturwissenschaftlichen (!) Experten des Hefnerschen literarischen und publizistischen Werkes [Playboy lesen!] erfuhren), soeben erneut verlobt haben soll. Die Braut ist 24 und damit gerade 60 Jahre jünger als der Bräutigam. (Unileak off!) Wer nun wissen will, wie Hefner in die germanistische Forschung geraten ist, der muss sich wohl oder übel an der Tel Aviv University einschreiben. Dass hier noch wirklich was geboten wird, dürfte nach diesem Bericht ja wohl klar sein.
Lieben Dank an alle Beteiligten für Einladung, Veranstaltung, Gespräche und das gute Essen. Jetzt muss ich schnell noch ein wenig lesen üben. Denn morgen in Haifa findet die Veranstaltung auf Englisch statt. Say after me: panther, panther, panther, macabre double-entendre, epistolary novel … Das habe ich doch alles gar nicht geschrieben!
Am 27. Dezember 2010 um 22:12 Uhr
Mir gefällt das Prinzip der Lesegruppe – so was hätte ich mir auch während des Studiums gewünscht. Und dann noch mit Autorenbesuch – ein wirklicher Luxus. Weiter so!