Über Zeugen (III/2-12)

28. Oktober 2010

••• Nach dem Ausflug in die Gemara Sanhedrin liest man die folgenden Paragraphen des 3. Edut-Kapitels und denkt nur: Natürlich, was denn sonst?

2

Wann sind Chakirot und Derishot optional? Wenn es um Fälle von Schadenersatz, Darlehen, Geschenken, Verkäufen u. ä. geht.

Wann sind Chakirot und Derishot zwingend vorgeschrieben? Wenn es um Geldstrafen, Verbannung oder Körperstrafen bis zur Todesstrafe geht.

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Entscheidet sich das Gericht in den optionalen Fällen für Chakirot und Derishot, dann gilt:

  • Widersprechen sich die Zeugen bei den Chakirot, ist ihr Zeugnis unwirksam.
  • Widersprechen sich die Zeugen bei den Bedikot, bleibt ihr Zeugnis hingegen – anders als bei nicht optionalen Fällen – wirksam.

4

Gemäß der Torah muss ein Zeugnis in allen o.g. Fällen persönlich mündlich vorgebracht werden. Gemäß rabbinischer Auslegung jedoch – s. Gemara Sanhedrin 32a – akzeptiert das Gericht in allen o.g. Fällen, in denen Chakirot und Derishot optional sind, auch das schriftliche Zeugnis in Form eines juristischen Dokuments, auch in Abwesenheit der Zeugen und sogar dann, wenn die Zeugen nicht mehr am Leben sind.

5-9

Ist ein Zeugnis erst einmal anerkannt, kann es weder zurückgenommen, noch erweitert oder eingeschränkt werden. Dies gilt auch für das schriftliche Zeugnis in Form der Unterschrift unter einem juristischen Dokument, solange die Authentizität des Dokuments ohne Hilfe der Zeugen belegt werden kann (also bspw. andere Dritte bezeugen können, dass es sich tatsächlich um die Unterschrift von XY handelt). Ist dies der Fall, bleibt das Zeugnis bestehen, selbst wenn die Zeugen gestehen, bestochen worden zu sein oder lediglich in gutem Glauben oder nur unter einer bestimmten Bedingung gehandelt zu haben. [Die Begründung hier ist, dass keine Aussage juristisches Gewicht hat, mit der sich der Zeuge selbst belastet. Geständnisse sind unwirksam!]

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Sagt einer der beiden Zeugen aus, eine finanzielle Transaktion sei von einer Bedingung abhängig gewesen, und der andere sagt aus, dies war nicht der Fall – so gilt die vom einen Zeugen ausgesagte Bedingung.

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Mündliche Zeugenaussagen sind nur statthaft in Anwesenheit der streitenden Parteien. Lediglich eine Ausnahme ist statthaft: Der Beklagte wurde geladen und ist nicht erschienen, der Kläger jedoch ist tödlich krank oder die Zeugen wünschen, auf eine weite Reise zu gehen – dann kann das Zeugnis auch in Abwesenheit des Beklagten angenommen werden, da bei einer Verschleppung der Kläger sterben könnte oder die Zeugen von ihrer Reise abgehalten würden. Die Authentizität eines juristischen Dokuments kann hingegen vom Gericht jederzeit in Abwesenheit der Streitparteien geprüft werden. Bringt der Beklagte seinerseits Beweise, die das Dokument disqualifizieren, ist es disqualifiziert.

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Der Kläger muss dafür sorgen, dass seine Belastungszeugen vor Gericht erscheinen. Ist dem Gericht bekannt, dass der Beklagte uneinsichtigt und mächtig ist und der Kläger gibt an, seine Zeugen würden aus Furcht vor dem Beklagten nicht vor Gericht erscheinen, zwingt das Gericht den Beklagten, seinerseits Entlastungszeugen zu bringen.

Man nimmt also in dieser Situation die Schuld des Beklagten an und zwingt ihn, seine Unschuld zu beweisen? Das finde ich einerseits weise, aber auch sehr erstaunlich, weil es ein Abrücken vom Prinzip der Unschuldsvermutung ist.

3 Reaktionen zu “Über Zeugen (III/2-12)”

  1. Thomas

    Als Freund extremer Beispiele, habe ich zu dem Komplex mal eine Frage, sie besteht auch noch aus zwei Teilen.

    Angenommen Herr X hat ein Verbrechen begangen. Dafür gibt es die ausreichende Menge an Zeugen, doch Herr X ist unschuldig. Muss Herr X seine Unschuld im Sinne von Entlastungszeugen beweisen oder muss er Zeugen finden, die glaubwürdig aussagen, dass die Belastungszeugen lügen?

    Forensische Beweise können Herrn X entlasten (Sie beweisen, dass der Mörder der Gärtner war aber das nur nebenbei.). Welche Bedeutung haben solche Beweise?

  2. Benjamin Stein

    Angenommen Herr X hat ein Verbrechen begangen.

    Ich nehme an, Du meinst: Herr X soll ein Verbrechen begangen haben, wird also von Zeugen zu Unrecht beschuldigt?

    Mit dem Problem falscher Zeugen beschäftige ich mich im nächsten Beitrag.

    Forensische Beweise übrigens – soviel vorab – sind unzulässig. Ausschließlich auf Basis von Augenzeugenberichten kann die Verurteilung erfolgen. Warum das so ist, kommt auch im nächsten Beitrag zur Sprache.

  3. Dorit

    Na, da bin ich ja mal gespannt, warum das so ist (Augenzeugenschaft als einziges Beweismittel), und inwiefern das ggf. nicht auch nach hinten losgehen kann…!

    Ist das eigentlich immer so, egal, was verhandelt wird, egal ob Ehebruch, Mord oder sonstige Kapitalverbrechen…?

    Pardon, ich ziehe meine Frage zurück, ich sollte mal erst zu Ende lesen, nicht wahr…! :-)

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