Lesung in der deutschen Schule in Helsinki
••• Etwa 500 Schüler (davon 80% Finnen) besuchen die deutsche Schule in Helsinki – von der ersten Klasse bis zum Abitur. Der Deutschunterricht ist bereits in den unteren Klassen intensiv. Ab der 6. Klasse wird (von den Fremdsprachenfächern abgesehen) ganz auf Deutsch unterrichtet. Das Abitur müssen die Schüler nach deutschen Maßgaben ablegen. Die schriftlichen Prüfungen werden in Deutschland durchgesehen und benotet, pikanterweise im Umlaufverfahren. Das heißt, es kann in einem Jahr nach Hamburger Standards, im anderen nach bayrischen zugehen. Das heißt, die Schule muss sich schon allein deswegen am höchsten Niveau orientieren.
Dass »lebendige deutsche Autoren« in diese Schule kommen, um aus ihren Büchern zu lesen und darüber zu sprechen, ist etwas Besonderes. Wir wurden vorgewarnt, dass man den finnischen Schülern nicht unbedingt anmerken würde, ob sie interessiert folgten oder nicht. Das aber traf gar nicht zu. Hanna Lemke und ich lasen in der gut gefüllten Aula/Turnhalle der Schule vor Schülern der 10. bis 12. Klassen, und sie lauschten sichtlich aufmerksam einer Geschichte aus Hannas Band und dem Bericht von Jan Wechslers Zusammentreffen mit dem hinterhältigen Kofferkurier.
Vorgestellt wurden wir vom Direktor der Schule. Dann aber waren wir uns selbst überlassen. Zuerst las Hanna, dann ich. Dann sollten wir noch Fragen beantworten. Da die nicht gleich kommen wollten, haben wir zwei Autoren uns kurzentschlossen gegenseitig interviewt. Das ging wunderbar, machte Spaß und löste die anfängliche Frageschüchternheit der Schüler, die dann auch noch allerhand wissen wollten.
Am Ende waren es 50 kurzweilige Minuten mit einem charmanten, aufmerksamen Publikum. Es ging um Fragen der Inspiration für die eigene Arbeit, aber auch um Technisches, also die Arbeitsweise. Das war zum einen unerwartet aber auch sehr spannend, weil Hanna als Autorin ganz anders funktioniert als ich. Während ich sehr viel plane, bevor ich zu schreiben beginne und dann hoffentlich nur einen Anlauf brauche, plant sie kaum, sondern lässt den Figuren und Situationen ihren Lauf. Am Anfang ist durchaus nicht klar, wohin die Reise gehen wird. Und steht der Text da, ist er für Hanna noch lange nicht erledigt. Sie überarbeitet exzessiv und über zum Teil über lange Zeit.
Gestern im »Dubrovnik« hat Hanna einen schönen Satz gesagt, der ihre Prosa, wie ich meine, sehr gut beschreibt. Sie halte sich bewusst an der Gestaltung von Oberflächen auf, immer im Bemühen, dabei nicht oberflächlich zu sein. Stefan Moster musste einmal kräftig durchatmen, bevor der diese Antwort geschickt ins Finnische schlenzen konnte. Der Reaktion des Publikums nach zu urteilen, ist ihm das gelungen.
Schade nur, dass wir wohl nicht erfahren werden, was im Anschluss (privat wie im Unterricht) wohl noch über diese Lesung gesprochen werden wird. Da wäre ich schon gern Mäuschen.
Am 15. September 2010 um 14:54 Uhr
Mich würde ja schon interessieren, WAS denn dann finnische Schüler/innen nachgefragt haben – irgendwelche so nicht erwarteten, im Gedächtnis stecken gebliebenen Fragen? Und die Antworten dazu?
Neugierige Grüße aus Berlin
von Gesine Reinicke
(LCB-Lesung noch intensiv im Gedächtnis…
selbst grad im Labyrinth der Leinwand zwischen A.Z. & J.W. unterwegs)
Am 15. September 2010 um 15:07 Uhr
Ich muss doch gleich los zur nächsten Veranstaltung, und die Zeit ist knapp. Aber Sie haben ja recht: Ich hatte ja auch noch etwas zu Hanna Lemke schreiben wollen. Das habe ich nun oben nachgeholt und dabei auch gleich noch erwähnt, was die Schüler so fragten.