Lesemaschine (Bücherrad) von Agostino Ramelli
••• Sie sehen hier einen antiken Vorläufer des eBook-Readers. Präsentiert wurde dieses mechanische Wunderwerk 1588 in einem aufwändig mit 194 Kupferstichen versehenen Buch von Agostino Ramelli: »Le diverse et artificiose machine« (deutsch 1620 unter dem Titel »Schatzkammer Mechanische Künste… Darinnen viel unterschiedene Wunderbahre… Machinae zubefinden…«).
Es handelt sich dabei um ein rotierendes Lesepult, das das nicht-sequentielle Lesen von etwa zwölf Folianten erlaubt. Die einzelnen Bücher befinden sich auf jeweils eigenen Pulten, zwischen denen durch einen Drehmechanismus gewechselt werden kann, so dass die Bücher »nicht fallen, genau so liegen bleiben, wie sie hingelegt worden sind, sie bleiben immer im gleichen Zustand und wann immer der Leser es wünscht, erscheinen sie so, ohne dass sie irgendwie angebunden oder befestigt werden müssen«. (Quelle: wikipedia)
Ramellis Erfindung war für die armen von der Gicht geplagten Gelehrten gedacht, denen das Hantieren mit den großen Folianten beschwerlich war.
This is a beautiful and ingenious machine, very convenient and easy for anyone who enjoys studying and especially for those who are unwell and tormented by gout. Because with this machine someone can consult a large number of books by simply turning [the wheel], without moving from his seat. Moreover, this machine has the additional advantage that it only takes up very little space, as any intelligent person can clearly see in the picture.
Lesemaschinen gibt es übrigens auch von Raymond Roussel und Julio Cortázar. Beide Erfindungen sollten ein hypertextartiges Lesen ermöglichen, bevor es das Web gab.
Bei Roussel ging es wie bei Ramelli um Leseerleichterung, wobei jedoch die spezifische Struktur seiner Texte das zu erleichternde Problem darstellte und nicht etwa Größe und Gewicht der Bücher. Roussel wollte die Verschachtelung seiner Texte, die durch endlose Aufzählreihungen, Abschweifungen, Fußnoten und Parenthesen mit 9-fachem Verschachtelungsgrad schwer zugänglich sind, durch mehrfarbigen Druck übersichlicher gestalten – doch seine Verleger lehnten solch aufwendige Verfahren ab.
Im Rahmen einer surrealistischen Ausstellung wurde 1937 eine »Roussel-Lesemaschine« gezeigt, für die der Text auf Pappkarton nach der Art eines Rundregisters montiert wurde: der obere Rand war je nach Verschachtelungsgrad mit einer anderen Farbe versehen und die Karten um die Achse einer Trommel herum angebracht, die der Leser mittels einer Kurbel drehen konnte, während er mit der anderen Hand die gewünschte Textkarte an einer nach oben stehenden farbigen Marke festhielt, so dass die zusammenhängenden Textkarten (einer bestimmten Verschachtelungsebene) hintereinander aufgeblättert wurden. (Quelle: netlern.net)
Entwurfskizze des RAYUEL-O-MATIC von Cortázar
Cortázars Erfindung RAYUEL-O-MATIC war aufwändiger. Es handelte sich dabei um ein Liegemöbel mit einer Art Musiktruhe, in der Bar und Lese-Mechanismus nebst Programm-Knöpfen untergebracht sind.
Entwurfskizze des RAYUEL-O-MATIC: Bequmes Lesen im Liegen
Entwurfskizze des RAYUEL-O-MATIC: Die Texte werden aus Schieberegistern gezogen
Entwurfskizze des RAYUEL-O-MATIC: Bei Nichtgebrauch wird aus Bar und Lesegrät ein Neugier weckendes Möbelstück
Wer Spanisch liest, kann sich »» hier im Detail über diese Konstruktionsidee unterrichten. Vielleicht hilft uns La Tortuga mit einem Extrakt aus …
Am 30. April 2010 um 19:58 Uhr
Huch, wie meinst Du das? Ich bin ja stets gern zu Diensten, aber das alles übersetzen …? Das würde allerdings eine ganze Weile dauern. :-(
Trägt zwar rein gar nichts zur Hypertextualiät, Achronologie, Pataphysik etc. bei, ich finde aber dieses Ergonomie-beim-Lesen-Teil ganz knuddlig, und wesentlich handlicher und mobiler als das Monstrum von Ramelli (für Folianten jedoch eine Nummer zu klein).
Am 30. April 2010 um 22:13 Uhr
Wer sich für sowas interessiert und die Gelegenheit hat, sollte sich unbedingt mal die Biblioteca Hertziana in Rom ansehen. Der derzeitige Leiter hat rein zufällig entdeckt, dass sich in den Bibliotheksregalen ebenfalls eine versteckte Lesemaschine befindet.
Am 1. Mai 2010 um 20:47 Uhr
Also ich bin mit meinem Amazon Kindle als „Buchlesemaschine“ sehr zufrieden (und habe mittlerweile um die 30 Bücher darauf gelesen).
Ab Montag schauen wir dann, ob der Apple iPad dafür eine ernsthafte Konkurrenz ist (ich denke nicht und werde in Zukunft wohl noch ein Gerät mehr mit mir herumtragen (müssen))
Am 1. Mai 2010 um 22:06 Uhr
@La Tortuga: Eine vollständige Übersetzung hätte ich Dir nicht zuzumuten gewagt. Ich hatte gehofft, Du könntest vielleicht mit eigenen Worten zusammenfassen, was die Bedienungsanleitung so sagt.
Am 1. Mai 2010 um 22:07 Uhr
@Jens-Christian: Wenn Dir das mit dem iPad zu beschwerlich ist, kannst Du es auch gern hier bei uns lassen. Wir werden uns gern darum kümmern :-)
Am 1. Mai 2010 um 22:45 Uhr
@Benjamin und @Jens-Christian: Und ich nehme dann das neue iPhone. ;)
Am 2. Mai 2010 um 06:52 Uhr
Das sind ja alles interessante Aspekte, die Ihr da so ins Feld führt. Wirklich. Und vor allem die Lesemaschinen…! Die sind nicht von der Hand zu weisen.
Vor allem der RAYUEL-O-MATIC , der spricht mich sehr an…! – Genial.
Nu weiß ich, was ich mit dem alten Rollschrank (Deutsche Reichsbahn) mache (ich wollte ihn gerade entsorgen). Der hat nämlich genau diese Aufteilung.
Ich werde ihn einfach der Erfindung Cortázars „anverwandeln“… – Vielen Dank für die Anregung(en)…!
Am 7. Mai 2010 um 20:16 Uhr
@Benjamin, habs mir jeden Tag vorgenommen und bin trotzdem noch nicht dazugekommen, in meinen ergonomietechnisch streng beschränkten Bildschirmstunden den Text auch nur im Detail zu LESEN, da läuft ein bisschen viel mit altem Buch, neuem Buch, Aufträgen. Ich nehms mir aber weiterhin vor (wenn bis dahin der Beitrag nicht schon im Rückspiegel steht), allerdings ohne Gewähr. Und wenn ich denn mal ein Zeitchen und synchron einen Aufraff hätte, könnte ich ihn eigentlich auch gleich übersetzen. Zusammenfassen (bei sowas Abgespactem) ist ja oft fast noch schwieriger.
Am 7. Mai 2010 um 21:47 Uhr
He, Leute, den Text von Cortázar zu seiner Lesemaschine gibt es längst auf Deutsch. Erschienen in „Reise um den Tag in achtzig Welten“.
Am 8. Mai 2010 um 11:23 Uhr
Oh, hahaa, Markus, heissen Dank! Jetzt bin ich aber fein aus dem Schneider – einerseits hast Du mich vor Arbeit bewahrt, andererseits (was erst wirklich schlimm wäre) vor einer knapp mittelmässigen Übersetzung, was dann ein Kenner des Tages um die Welt in achtzig Reisen mir hätte unter die Nase reiben können. :-)