••• Mit freudiger Überraschung habe ich eben Lothar Müllers Besprechung des Charlotte-Grasnick-Bandes »So nackt an dich gewendet« in der heutigen »Süddeutschen« gelesen. Dass es überhaupt ein Lyrikband in die »Süddeutsche« geschafft hat, ist schon Anlass genug zur Freude. Aber auch was Müller schreibt, hat mich sehr gefreut, wenn auch ich als Herausgeber Schelte ernte:
Nein, Benjamin Stein tut der Autorin keinen Gefallen, wenn er sie auf das Liebesgedicht und den reinen Ausdruck des »Ich« festlegt.
Ganz recht! Mit vielen Beispielen aus den Gedichten stärkt Müller im Anschluss seine These, dieser Band sei wie eine Flaschenpost aus einer ästhetischen und Haltungsenklave. Er zitiert gerade aus den Gedichten mit politisch doppeltem Boden (etwa dem für Huchel und dem für den Trompeter Güttler).
Mit seiner Lesart und den vielen Zitaten zeigt Müller eine Dimension auf, die Charlotte Grasnick ja ganz unzweifelhaft ebenfalls hatte, die wesentlich war und Beachtung verdient. So wissen die SZ-Leser nun beides: dass diese Gedichte oft und intensiv über die Liebe sprechen, dass da aber eben auch eine Dichterin am Werk war, die, wenn sie »Ich« sagte, auch immer die Welt meinte, in der sie sich bewegte.
Dazu eine Grafik von Dieter Goltzsche, ein Charlotte-Porträt mit der geliebten Zigarette. Ich bin sehr froh über diese Besprechung. Denn wesentlich ist für mich vor allem dies: Dass diese Gedichte erneut wahrgenommen werden, auch und besonders von einem Publikum, das Charlotte bisher nicht erreichen konnte. Und nun bin ich zuversichtlich. Denn so wie Müller werden auch die Leser, die der Band hoffentlich noch finden wird, die Vielschichtigkeit von Charlotte Grasnicks lyrischem Werk entdecken.