»Yuri Honing Acoustic Quartet« am 28. 01. 2010 in der Münchner »Unterfahrt«
••• Die Münchner »Unterfahrt« ist für Jazzfreunde immer einen Besuch wert. Was allerdings gestern dort geboten wurde, war Jazz der Extraklasse.
Der Babysitter war bestellt, damit wir – die Herzdame, mein Busenfreund Jens-Christian und ich – gebührend den geglückten Start der »Leinwand« feiern konnten. Jens-Christian ist Schweizer, seit letztem Sommer aber drei Tage die Woche in München bei einem IT-Kunden, und da ich ihm einige der besten Tipps in Sachen Jazz verdanke, wollten wir ihn unbedingt einmal in die »Unterfahrt« ausführen. Dass wir es ausgerechnet gestern getan, war ein Glücksfall, denn wir wurden geradezu beschenkt mit Jazz in mystischer Dimension.
Es spielte das »Yuri Honing Acoustic Quartet«, bestehend aus dem Sax-Player Yuri Honig, Pianist Wolfert Brederode, Bassist Frans van de Hoeven und dem Drummer Joost Lijbaart, allesamt Holländer.
Im Programm des Abends hieß es:
Yuri Honing als Aushängeschild des holländischen Jazz zu bezeichnen, ist richtig und falsch zugleich: Auf der einen Seite ist Honing in der Tat – weltweit betrachtet, 30 CD’s und Tourneen in 50 Ländern – einer der am stärksten wahrgenommenen Jazzmusiker aus den Niederlanden. Andererseits sind es gerade seine Ausflüge in andere Genres, in vielfältige, kulturell vollkommen gegensätzliche Musikwelten, die das Markenzeichen des jungen Saxophonisten ausmachen und es schwer machen, ihn konkret einer bestimmten Schule zuzuordnen. Nun kommt er mit einer niederländischen All Star Besetzung im akustischen Gewand. Yuri Honing holt nach fast 10 Jahren endlich wieder einen Pianisten in seine Band. Mit dem ECM Künstler Wolfert Brederode verbindet ihn eine tiefe musikalische Spiritualität, die der Musik Freiheit für Raum und Zeit gibt.
Während der Pause und nach dem Konzert hatte ich Gelegenheit, mit den Musikern zu sprechen. Yuri Honing tritt zumeist mit seiner – wie er sie nennt – »electric band« auf: zwei Elektrogitarren zum Sax, heftig verstärkt – laut. Zu Beginn des Konzertes scherzte Honing, er sei sehr glücklich, nun wieder einmal in einem »acoustic ensemble« zu spielen und sein »Gehör wiederzugewinnen«. Das Konzert begann gut und steigerte sich von Stück zu Stück. Es war ein Genuss, den Musikern zuzuschauen: Joost Lijbaart drummte spielerisch, unaufdringlich, wie in Trance; Wolfert Brederode ging am Piano sichtlich ganz und gar im Musizieren auf; Frans van de Hoeven liebkoste seinen Bass und erntete mit einem späten Solo im zweiten Teil des Konzertes den zutiefst verdienten Zwischenapplaus. Dazu Yuri Honing, abwechselnd am Tenor- und Altsaxophon, mal expressiv, dann wieder tief versunken bis ins Meditative.
Einen ersten Höhepunkt erreichte die Performance mit dem letzten Stück vor der Pause, einer mit fast verspielten Kurzsoli beginnenden und in eine mitreißende Gesamtperformance mündende Variation des alten Standards »Wild with the Wind«. Die Begeisterung über dieses Stück trug leicht über die Pause, und im Anschluss legten die vier noch einmal richtig nach und steigerten sich von Nummer zu Nummer. Den Abschluss bildete eine Komposition des Drummers Joost Lijbaart. Der Bassist frozzelte noch: »What? He did it?« Yes, he did, and he did it more then well. Wenn ich zu Beginn von mystischer Dimension sprach – hier war sie am meisten zu spüren. Ausgerechnet mit Joost Lijbaart habe ich nicht gesprochen, was ein Versäumnis ist. Darum hier: Tell him, guys, that he is a great composer!
Eine Aufnahme, so Yuri Honing, würde er schon gern machen. Allerdings, räumt er ein, »warte er noch auf den rechten Moment«, denn es gebe noch »room for improvement«, eine Äußerung, die mich nur in meiner Ansicht bestätigt, dass Understatement, eine gewisse Demut im eigenen Schaffen, eine wesentliche Zutat für das selten wirklich Gelungene in jeglicher Kunst ist.
Es ist kaum zu glauben, dass dieses Quartett auf der aktuellen Tour nur ganze fünf Konzerte gibt. (Heute sind sie in Basel!). Und die »Unterfahrt«, oft bis auf den letzten Platz besetzt, war gestern nicht einmal ausverkauft. Ja, meinte Honing, mit der »electric band« könne er Festivals bespielen. Diese Art Musik hingegen sei nur etwas für die »happy few«. Wir waren heute alle drei beseelt, dass wir zu den »wenigen Glücklichen« zählen durften. Eine gelungenere Feier zum »Leinwand«-Erscheinen hätte ich mir nicht wünschen können.
Eine Auswahl aus den Aufnahmen Yuri Honings ist online bestellbar.
Am 29. Januar 2010 um 07:15 Uhr
Ja. War wirklich toll gestern.