Ulli Janetzki liest Gottfried Benn
Einst
Einst, wenn der Winter begann,
du hieltest von seinen Schleiern,
den Dämmerdörfern, den Weihern
die Schatten an.
Oder die Städte erglommen
sphinxblau an Schnee und Meer -,
wo ist das hingekommen
und keine Wiederkehr.
Alles des Grams, der Gaben
früh her in unser Blut -:
Wenn wir gelitten haben,
ist es dann gut?
Gottfried Benn (1933)
••• Ulli Janetzki, seit Urzeiten (möchte man sagen, ohne ihm zu nahe treten zu wollen) Hausherr im Literarischen Colloquium Berlin, hat sich kürzlich überrumpeln lassen. Da zückte einer die Kamera und bat ihn, ein paar Benn-Gedichte zu lesen. Es freut mich diebisch, dass mir das gleich jemand zugetragen hat, denn ich erinnere mich noch lebhaft an Ulli Janetzkis Rezitation von Richard Dehmels »Gerte« (Ich habe dich Gerte getauft, weil du so schlank bist / und weil mich Gott mit dir züchtigen will) und natürlich auch an jeden einzelnen Besuch in jener traumfhaften Villa am Wannsee, damals wie heute ein Ort, der für literarische Veranstaltungen wie geschaffen ist.
Hier also der Hausherr mal audiovisuell und nicht nur im Ton.
Kleine Aster
Ein ersoffener Bierfahrer wurde auf den Tisch gestemmt.
Irgendeiner hatte ihm eine dunkelhelllila Aster
zwischen die Zähne geklemmt
Als ich von der Brust aus
unter der Haut
mit einem langen Messer
Zunge und Gaumen herausschnitt,
muss ich sie angestoßen haben, denn sie glitt
in das nebenliegende Gehirn.
Ich packte sie ihm in die Brusthöhle
zwischen die Holzwolle,
als man zunähte.
Trinke dich satt in deiner Vase!
Ruhe sanft,
kleine Aster!
Am 18. Januar 2010 um 15:45 Uhr
Und wo bleiben MEINE Blumen? Astern! Ich will Astern! *
PS: Denk an die Rechte!
Am 18. Januar 2010 um 15:46 Uhr
Kriegste, kriegste! Haste allemal schon längst verdient. (Wo krieg ich jetzt Astern her…)