••• Einige Netzfunde liegen schon seit Monaten in meinem digitalen Zettelkasten und sind hier im Turmsegler lediglich aus einem Grund noch nicht präsentiert worden: Sie könnten als Sujet für einen Roman taugen. Eine dieser potentiellen Buchideen »verschenke« ich hier und heute.
Das Radio-Feature »New York Works« ist ein Audio-Porträt einer verschwindenden Stadt. Verschwindend – wenn man annimmt, dass es bestimmte Menschen sind, die eine Stadt ausmachen, Menschen und das, was sie tun. Die in diesem Feature porträtierten Menschen stehen für ein New York, das es eigentlich schon lange nicht mehr gibt. Da ist der Messerschleifer, der noch immer von Haus zu Haus geht. Da ist einer der letzten Berufsfischer, die noch in Brooklyn ihr Leben fristen. Da ist der Seltzer Man, der auch heute noch einigen wenigen Stammkunden das Mineralwasser nach Hause bringt, oder jener Handwerker, der seit 45 Jahren versucht, die perfekte Kuhglocke herzustellen.
Mein Favorit unter diesen New Yorker Urgesteinen ist Selma Koch, Büstenhalterverkäuferin in einem »bra fitting studio«, das sie mit ihren unterdessen 94 Jahren noch immer führt, ein Familienbetrieb in der 4. Generation, dessen Werbung man wohl glauben darf: »We know your size!«
Diese wunderbaren Kurzreportagen sind online als Realaudio, MP3 und im (englischen) Script verfügbar.
Also, wer macht einen Roman daraus?
Am 7. Oktober 2009 um 16:19 Uhr
Das tönt ein bisschen so, Benjamin, als erachtetest du das Kulturschaffen anderer als Selbstbedienungsladen.
Nichts gegen Inspiration durch die Werke anderer, aber eine gerechtfertigte Weiterverarbeitung dieser Stoffe setzt ein erhebliches Mass an Zusatzimput und Eigenleistung voraus.
Ich verfolge die Radio Diaries schon seit langem und auch ich bin hin und weg von den Geschichten, die da erzählt werden. Allerdings stellt sich mir deine Abschlussfrage etwas anders:
„Weshalb hat noch keiner einen Roman daraus gemacht?“ (Die Geschichten sind ja nicht erst seit gestern online verfügbar.)
Mögliche Antwort: Vielleicht, weil die Geschichten im vorliegenden Format bereits ihre wunderbarste Form gefunden haben.
Am 7. Oktober 2009 um 16:35 Uhr
Gut möglich. Vielleicht aber auch nicht. Ich bin wieder auf die Diaries gekommen, weil ich ja noch immer Koeppen lese. Bei »Tauben im Gras« gibt es auch so Einzelschicksale, Figuren, und immer wieder begegnen sie sich.
Stell Dir nur vor, der Messerschleifer kauft – für sich selbst, do you really know my size? – einen BH, während der Seltzer Man das Wasser bringt… Da wiederum fällt mir »Smoke« ein, wo das als Film gemacht wird. Ich hätte Spaß an so einem Roman. Und ich bin sicher, man würde noch weitere Geschichten und Schicksale finden, die in den Diaries noch nicht abgehandelt sind.
Übrigens ist das Kulturschaffen anderer doch wohl unser aller Quell der Inspiration. Wenn einer nicht in der Lage ist, etwas wirklich Eigenes aus Inspirationsquellen zu destillieren, nennt man das nicht mehr Schaffen sondern Plagiat, oder?