Selbstbildnis mit blauem, weiß gestreiftem Kleid
1906
Schon das Kleid allein
läßt uns an Sommer denken
in Frankreich –
an Picknicks in der Bretagne –
Den blauweißen Duft
des Atlantiks –
Die rechte Hand an meinem Kinn.
Nicht zur Faust geballt.
Die Finger sind ausgestreckt –
ganz leicht berühren sie mein Kinn –
Ganz leicht nur –
Ich bin nicht müde.
Kannst du denn nicht sehen,
wie ernst ich es meine, Rodin?
Stell dir vor, so was würde
ich zu ihm sagen.
Ja, würde er sagen, zu ernst
für eine Frau.
Nein würde ich antworten, ich muß es
ernster meinen als ein Mann.
Die Sonne brennt auf mein Kleid
und läßt es nur noch stärker
strahlen – doch ich steh abseits
und schweige – ich will es so,
allein sein.
© Sujata Bhatt (2007)
aus dem Zyklus: „Paula Modersohn-Becker“
Aus dem Englischen von Michael Augustin
in: „Akzente“ 4/2007, Hanser Verlag
••• Sujata Bhatt wurde 1956 in Ahmedabad (Indien) geboren. Sie wanderte 1968 mit ihrer Familie in die Vereinigten Staaten aus. Gegenwärtig lebt sie mit ihrem Mann, dem deutschen Autor Michael Augustin, und ihrer Tochter in Bremen. Obgleich fern des Geburtslandes, ist sie heute eine der bekanntesten zeitgenössischen Dichterinnen Indiens.
Für ihr erstes Buch wurde sie mit dem Commonwealth Poetry Prize (Asien) ausgezeichnet. Außerdem ist sie Trägerin des Alice Hunt Bartlett Award und des Cholmondeley Award. Auf amazon sind einige ihrer Gedichtbände im englischen Original zu finden, unter anderem: „Brunizem“ (1988), „Monkey Shadows“ (1991), „The Stinking Rose“ (1995) und „Point No Point“ (1997). In Deutschland waren lange nur einige ihrer Gedichte in Literaturzeitschriften zu finden. Der Wehrhahn Verlag legte 1998 einen ersten zweisprachigen Band mit Gedichten von Sujata Bhatt („Nothing is Black, Really Nothing“) für die deutschsprachigen Leser auf.
Aufmerksam geworden bin ich auf diese spürbar weibliche Stimme in der Dichtung durch ihre Gedichte zu den Bildern der Malerin Paula Modersohn-Becker in der Ausgabe 4/2007 von „Akzente“. Herausgeber Michael Krüger hat – nach der nicht ganz so aufwühlenden letzten Ausgabe – dieses Mal wieder ein sehr interessantes Heft zusammengestellt. Neben Sujata Bhatt kommen auch Adam Zagjewski, Robert Creeley, Edwin Morgan, Ron Winkler, John Felstiner (zu einem Briefwechsel zwischen Paul Celan und Jehuda Amichai), Rutger Kopland, Roman Baumgartner, Janko Polic Kamov (mit einer verstörend schönen Erzählung über den Tod seiner Schwester) und Mladen Urem zu Wort.