••• „Ya’amot – es trete heran: Mendel Eisik ben Nechemia ha-Kohen!“
Wie oft haben wir diese Worte gehört. Heute morgen rief der Ewige einen engen Vertrauten zu seinem letzten Aufstieg. Und wir müssen Abschied nehmen von einem unserer Ältesten, der höchstes Ansehen genoss quer durch die Generationen, Herkünfte und Traditionshintergründe der Beter in unserer Synagoge.
Mendel Eisik ben Nechemia ha-Kohen – sein Andenken sei zum Segen – gehörte zu jenen aus Polen stammenden Yehudim, die nach Lager-Odyssee und Aufenthalt im Displaced Persons Camp sich den Lebensmut und die Lebensfreude nicht hatten nehmen lassen. Die festhielten an den Traditionen ihrer Väter und hier in München eine neue jüdische Gemeinde, ein neues jüdisches Leben aufbauten und über Jahrzehnte bewahrten.
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So stand es auf seiner Visitenkarte, die ich in dem Geschenkpaket fand, das er mir anlässlich der Geburt meines Sohnes David überreichte. Um problemlos über Schabbes und Yom Tov schliessen zu können, hatte er sich bald entschieden, Textilgeschäfte zu beliefern, statt selbst eines zu führen. Für die Einkäufer war es kein Problem, dass er nicht zu allen üblichen Ladenöffnungszeiten für sie da sein konnte. Eine pragmatische Entscheidung, um mitten in Deutschland gemäss der Torah leben zu können.
Ich habe Mendel Mentlik – so sein sein bürgerlicher Name – erst spät kennengelernt, in hohem Alter. Ich lernte ihn kennen in einer für unsere Synagoge sehr bewegten Zeit, und zwar als einen kämpferischen Bewahrer der jüdischen Tradition und auch der von seiner Herkunft geprägten örtlichen Bräuche. Er war ebenso ruhig wie entschieden. Er wusste, dass Generationenwechsel nicht ohne Reibungen und auch offene Auseinandersetzungen abgehen, dass solche Wechsel aber unvermeidlich sind, wenn ein Fortbestand gesichert und ein Miteinander möglich sein soll. So blieb er bei aller Entschiedenheit der Überzeugungen stets ruhig und besonnen und war darauf bedacht, vor allem „a Mensh zu sejn“.
Mit seiner Liebenswürdigkeit und Warmherzigkeit hat er uns alle für sich eingenommen. Und so war er ausgleichender und beruhigender Vermittler, ohne dabei viel Worte machen zu müssen.
Es sind immer die Menschen, die einen Ort zur Heimat machen. Mendel Eisik gehörte zu den Menschen, die uns Jungen oder auch spät Zugezogenen diese Synagoge zu einem Ort hat werden lassen, an dem wir uns heimisch fühlen konnten. Dass wir ihn heute verabschieden müssen, ist ein schwerer Verlust.