Katsushika Hokusai: The Mad Poet
••• Nachdem Yvan Goll zwanzig Jahre Französisch und Englisch gesprochen und geschrieben hatte, kehrte er kurz vor seinem Leukämietod zum Deutschen zurück. Sein letzter Zyklus „Traumkraut“, der erst postum erschien, thematisiert den Schmerz, den Verfall und die Todesnähe. Und er schrieb ihn – in seiner „Muttersprache“.
Einige Sätze, rekonstruiert aus dem kurzen , verlorengegangenen oder von Yvan Goll zerrissenen Vorwort zu „Traumkraut“ , das er, zusammen mit den Gedichten, 16 Tage vor seinem Tod, Alfred Döblin und dessen Frau, Marcel Mihalovici und mir, die an seinem Krankenbett im Amerikanischen Hospital in Paris saßen, vorlas.
Jetzt, dem Tode nahe, glaube ich in den Gedichten des „Traumkraut“ zum erstenmal dem Geheimnis des Wortes nahegekommen zu sein.
Es ergeht mir wie dem Meister des japanischen Farbholzschnitts, Katsushika Hokusai, der, neunzigjährig, auf seinem Sterbebette seufzte: „Wären mir nur noch zehn, ja nur noch fünf Lebensjahre vergönnt, dann würde ich ein vollkommener Künstler werden!“
Schon vorher hatte Hokusai geschrieben: „Bis zu meinem 50. Lebensjahr habe ich eine Unzahl von Zeichnungen gemacht, die mich nicht befriedigen. Erst im Alter von 73 Jahren habe ich annähernd die wahre Gestalt und Natur der Vögel, Fische, Insekten und Pflanzen erfaßt, was mich hoffen ließ, daß ich bis zu meinem 80. Jahr noch große Fortschritte machen würde. Mit 90 Jahren werde ich in das innerste Wesen aller Dinge eindringen und mit 100 Jahren gewiß zu einer höheren Vollkommenheit aufsteigen. — Das schrieb ich im Alter von 75 Jahren, ich, Hokusai, genannt Gwakiyo-Rojin, der in die Zeichnung vernarrte Alte.“
Wer kennt nicht den „Trunkenen Dichter“ von Hokusai, der – berauscht von Versen – die Blätter in den Wind streut?
Dieser trunkene Dichter bin ich, Yvan Goll, auf den der Tod vor der Türe wartet.
Am 10. August 2007 um 08:50 Uhr
[…] Nach dem “Traumkraut”-Vorwort nun heute auch ein Gedicht aus dem Zyklus, der in meiner Goll-Ausgabe nur in Auszügen abgedruckt ist. […]
Am 12. August 2007 um 00:06 Uhr
[…] Beim Lesen der “Traumkraut”-Gedichte von Goll fiel mir unmittelbar der Gang durch die Krebsbaracke ein, sicher eines der […]