An Anna Blume

9. Juli 2007

Kurt Schwitters: An Anna Blume

Dies ist eine Probe aus dem schönen Buche „Anna Blume“ von Kurt Schwitters. Es ist in allen Buchhandlungen vorrätig. Jeder Gebildete sollte es besitzen. Mk. 4.80

••• So plakatiert an einer Litfaßsäule in Hannover. Eine Weile her ist das freilich schon. Man stelle sich das heute als Werbespot im Fernsehen vor.

Für Leser mit SütterlinFraktur-Leseschwäche hier der Text noch einmal…

An Anna Blume

Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, — wir?
Das gehört beiläufig nicht hierher!
Wer bist Du, ungezähltes Frauenzimmer, Du bist, bist Du?
Die Leute sagen, Du wärest.
Laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht.
Du trägst den Hut auf Deinen Füßen und wanderst auf die Hände,
Auf den Händen wanderst Du.
Halloh, Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägt,
Rot liebe ich Anna Blume, rot liebe ich Dir.
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, — wir?
Das gehört beiläufig in die kalte Glut!
Anna Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute?
Preisfrage:
1. Anna Blume hat ein Vogel,
2. Anna Blume ist rot.
3. Welche Farbe hat der Vogel?
Blau ist die Farbe Deines gelben Haares,
Rot ist die Farbe Deines grünen Vogels.
Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid,
Du liebes grünes Tier, ich liebe Dir!
Du Deiner Dich Dir, ich Dir, Du mir, — wir!
Das gehört beiläufig in die — Glutenkiste.
Anna Blume, Anna, A–N–N–A!
Ich träufle Deinen Namen.
Dein Name tropft wie weiches Rindertalg.
Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,
Man kann Dich auch von hinten lesen.
Und Du, Du Herrlichste von allen,
Du bist von hinten, wie von vorne:
A–N–N–A.
Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken.
Anna Blume,
Du tropfes Tier,
Ich — liebe — Dir!

Kurt Schwitters (1919)

6 Reaktionen zu “An Anna Blume”

  1. ksklein

    das würde auch heute noch mit plakaten funktionieren.

  2. Benjamin Stein

    Ulrike A. Sandig und Maren Pelny haben genau dies als Aktion in Sachsen gemacht: Gedichte an Ampelpfeilern und Haltestellen plakatiert. Die Aktion hatte den Namen augen:post. Ulrike A. Sandig dazu in einem Interview mit dem Jugendmagazin jetzt der SZ:

    Es war so, dass Marlen und ich beide unabhängig voneinander ähnliche Ideen hatten. Marlen hat sich geärgert über das Stadtbild, in dem man zugeschüttet wird mit Informationen, die eigentlich nur Produkte oder Veranstaltungen transportieren, und sie hat sich nach einer Art poetischer Veränderung gesehnt. Sie wollte etwas mit Plakaten machen, und ich hatte gleichzeitig die Idee, mich mal mit anderen Vermittlungsformen von Lyrik auseinander zu setzen. Es gibt da dieses lyrikverbrämte Publikum, das zuviel Johannes R. Becher in der Schule behandelt hat und jedes Gedicht wie angelernt sofort interpretiert und herausfinden muss, was der Autor nun damit meint. Die würden niemals in eine Lyrikveranstaltung gehen oder sich einen Gedichtband kaufen. Unsere beiden Ideen haben wir dann zusammengeschmissen. Das war erst so eine halb private Sache, und zwar ein Liebesgedicht für eine bestimmte Person, das wir zweihundert Mal in der Stadt aufgehängt haben.

  3. ksklein

    hast du nicht schon darüber geschrieben? es kommt mir so bekannt vor.

  4. Benjamin Stein

    Von augen::post war hier schon einmal die Rede. Von Anna Blume habe ich Dir nur einmal erzählt…

  5. M.H.

    Wenn man über Texte schreibt, sollte man wenigstens den Unterschied zwischen Sütterlin und Fraktur kennen …

  6. Benjamin Stein

    Was für ein tragisches Missgeschick! Hätten wir nur früher »Fraktur, mon amour« von Judith Schalansky konsultiert, dann dürften wir vielleicht sogar umdisqualifiziert weiter schreiben.

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