Der Straßenlärm betäubend zu mir drang.
In großer Trauer, schlank, von Schmerz gestrafft,
Schritt eine Frau vorbei, die mit der Hand gerafft
Den Saum des Kleides hob, der glockig schwang;
Anmutig, wie gemeißelt war das Bein.
Und ich, erstarrt, wie außer mich gebracht,
Vom Himmel ihrer Augen, wo ein Sturm erwacht,
Sog Süße, die betört, und Lust, die tötet, ein.
Ein Blitz … dann Nacht! – Du Schöne, mir verloren,
Durch deren Blitz ich jählings neu geboren,
Werd in der Ewigkeit ich dich erst wiedersehn?
Woanders, weit von hier! zu spät! soll’s nie geschehn?
Dein Ziel ist mir und dir das meine unbekannt,
Dich hätte ich geliebt, und du hast es geahnt!
••• Vor 150 Jahren erschien die Erstausgabe der „Fleurs du Mal“ von Charles Baudelaire, eine Sammlung von 100 Gedichten, deren Bedeutung für die moderne Lyrik kaum zu überschätzen ist.
Der vorgestern erschienene „Spiegel“ widmet in seinem allzu schmalen Kulturteil diesem „Gründungsdokument der Moderne“ einen zweiseitigen Artikel. Geschrieben ist er von Michael Krüger, Geschäftsführer des Münchner Carl Hanser Verlags und Herausgeber der vorwiegend mit Lyrik befassten Literaturzeitschrift „akzente“.
Die Modernität ist das Vorübergehende, das Entschwindende, das Zufällige, ist die Hälfte der Künste, deren andere Hälfte das Ewige und Unabänderliche ist.
Dass Krüger Baudelaire ausgerechnet mit diesen Worten zitiert, kommt nicht von ungefähr. Sein kurzer Beitrag wirft im Vorbeigehen auch einen Blick auf die Moderne in der Literatur. Seine Äusserungen – etwa zu Joyce’s „Finnegans Wake“ – haben meine Sympathie; doch sie werden die Leserschaft zweifellos polarisieren.
Die Lektüre lohnt jedenfalls, eine Diskussion wohl auch. Leider ist die Internetanbindung hier im Hotel seit Tagen gestört. Diesen Beitrag sende ich vom Handy aus. Ob und wie ich mich an einer Diskussion beteiligen kann, ist daher leider ungewiss.
Am 13. Juni 2007 um 14:53 Uhr
bevor es wieder zerredet wird, bleibt es doch ein Gedicht, ein schönes, traurig, ein wundersames, schade dass er kein französisch kann, ich meine nicht Baudelaire, ich meine mich und jetzt Guten Abend
Am 16. Juni 2007 um 13:05 Uhr
Es hat nicht viel mit Baudelaire zu tun, dafür entschuldige ich mich im Vorfeld, jedoch sind für mich diese zwei Gedichte untrennbar miteinander verbunden. Beschreiben sie doch diesen „flüchtigen Augenblick“ in einer Art und Weise, wie man sie heutzutage (leider) kaum noch findet… sofern man klassische Lyrik denn mag.
Begegnung in der Kastanien-Allee
Ihm ward des Eingangs grüne Dunkelheit
kühl wie ein Seidenmantel umgegeben
den er noch nahm und ordnete: als eben
am andern transparenten Ende, weit,
aus grüner Sonne, wie aus grünen Scheiben,
weiß eine einzelne Gestalt
aufleuchtete, um lange fern zu bleiben
und schließlich, von dem Lichterniedertreiben
bei jedem Schritte überwallt,
ein helles Wechseln auf sich herzutragen,
das scheu im Blond nach hinten lief.
Aber auf einmal war der Schatten tief,
und nahe Augen lagen aufgeschlagen
in einem neuen deutlichen Gesicht,
das wie in einem Bildnis verweilte
in dem Moment, da man sich wieder teilte:
erst war es immer, und dann war es nicht.
Rainer Maria Rilke
Grüsse
Margot