••• Rabbi Chananya ben Tradyon – das Andenken des Gerechten sei zum Segen – starb den Märtyrertod, umhüllt von einer Torah-Rolle, die von seinen Henkern angezündet worden war. Während er starb, standen seine Schüler um ihn und weinten. Rabbi Chananya ben Tradyon fragte sie: Warum weint Ihr? Das Pergament brennt, die Buchstaben nicht.
An Shavuot stand die Synagoge Malagnou in Genf in Flammen. Ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelt, wird noch untersucht.
Am 25. Mai 2007 um 10:13 Uhr
Ich bin erschrocken, als ich die Bilder im Fernsehen sah. Ein regelmässiger Besucher der Synagoge wurde auch interviewt. Er meinte, er hoffe von Herzen, der Brand sei von einem Kurzschluss verursacht worden. Ich schliesse mich seinem Wunsch an.
Am 25. Mai 2007 um 10:46 Uhr
Alle hoffen wir das. Das Schlimme ist, dass keiner von uns, die es wegen des Feiertags erst heute morgen in der Synagoge erfahren haben, spontan an einen Unfall dachte. Wenn dergleichen geschieht, noch dazu an einem Feiertag, sind die Assoziationsketten vorgezeichnet. Und statt sich zu fragen, in welchem Zustand wohl die Elektrik in dieser Synagoge gewesen sein mag, wird an die Chassidim erinnert, die in Zürich auf offener Strasse ermordet wurden – in naher Vergangenheit.
Meine Frau reagiert anders auf solche Nachrichten: Es wird doch ein Unfall gewesen sein! Und dann studiert sie alle Nachrichten, um sich das selbst möglichst schnell zu belegen. Weil alles andere sie viel zu heftig berühren würde.
Die Kinder: Das ist aber schade. Jetzt können wir in Genf gar nicht mehr in die Synagoge gehen. – Manchmal möchte man Kind sein. Und dann fragt man sich, ob man nicht möglichst lange den Kindern das Gedächtnis an die anderen Brände ersparen sollte.
Am 25. Mai 2007 um 11:17 Uhr
mir fällt nur dieses Gedicht von Jan Skacel ein, vielleicht passt es
Dort
In den kronen der bäume gibt der wind nicht ruh
und das laub spricht vor sich hin
als fließe über den köpfen der menschen ein bach
Abends wird dieses wasser still
und die zeit hält einen augenblick inne
Von neuem versteht sich die erde mit dem himmel
Am ufer des kleeflusses
bestimmt der große stumme hase
was zur dunkelheit gehört
und was sonst noch dunkel wird
Jan Skacel
Am 25. Mai 2007 um 11:37 Uhr
@Benjamin: Angesichts eines solchen Geschehens wird für mich das Wechselspiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit, wird die Macht, die unsere Wahrnehmung von der Welt auf die Welt hat, zu einer ganz dringenden Frage. Angenommen es war ein Anschlag: was ist das für eine Wahrnehmung, die der Anschläger von der Welt hat? „Die Protokolle der Weisen von Zion“ sind nachweislich pure Fiktion und doch haben sie verheerende Folgen gezeitigt (Eco hat die Entstehungs- und Wirkungsgeschichte präzise rekonstruiert).
Was wir – auch und gerade als Schriftsteller – erzählen, ist nicht belanglos. Spätestens dann, wenn Fiktion jemanden dazu veranlasst, in der Welt handelnd tätig zu werden, ist es vorbei mit der oft gehörten, herablassenden Bemerkung: Ach, das sind doch nur Geschichten.
Am 25. Mai 2007 um 12:53 Uhr
Nach dieser Nachricht deutet wohl alles auf Brandstiftung.
Am 25. Mai 2007 um 13:04 Uhr
Auf diese Nachricht würde ich jetzt mal noch nichts geben. Das scheint von der Nachtschwester geschrieben zu sein. Laut NZZ hat Nessim Gaon das genaue Gegenteil verlautet, nämlich dass er einen Kurzschluss als Ursache vermutet.
Vor dem Hintergrund, dass kurier.at von Brandstiftung ausgeht, ist der Schlusssatz natürlich ein Brüller:
Am 25. Mai 2007 um 13:18 Uhr
Bei n-tv.de:
Man muss jetzt einfach abwarten, was ermittelt wird. Derzeit scheint alles Spekulation.
Am 25. Mai 2007 um 13:22 Uhr
Das ist ja wirklich eine grandiose Formulierung! Berichte sind selten!
(Anti-semitische Taten in der Schweiz sind es leider nicht ganz so. Man hört meist nur am Rand von ihnen.)
Am 25. Mai 2007 um 15:51 Uhr
So lange spekuliert wird: Ich bleibe noch bei der Version des Unfalls.
Am 2. Juni 2007 um 19:59 Uhr
Es war Brandstiftung.
Leider.
Am 2. Juni 2007 um 23:06 Uhr
Das ist nun keine gute Nachricht zum Wochenbeginn.