••• Vito von Eichborn mischt sich unvermittelt ein in eine rege Debatte drüben beim Literatur-Café. Erstaunlich, dass ein Verleger noch Mühe aufwenden muss für die eigene Entmystifizierung. An dieser ganzen Debatte jedoch ist eine bedeutende Winzigkeit hervorzuheben. Vito von Eichborn gibt eine BoD-Reihe heraus, in der man sich – da die Kalkulation passt – auch Literatur jenseits der leichten Vermarktbarkeit leisten kann. Was geschieht hier? Ist es eine Erneuerung verlegerischen Ethos? Wird der Selbstverlag salonfähig, indem auf dem BoD-Buch-Cover ein Verlegername prangt? Warum kann Eichborn das Buch nicht – auf gleiche Weise hergestellt – unter (s)einem Verlagslabel am Markt platzieren? Wofür brauchen Autoren noch einen Verleger?
Zu gern würde ich mit Herrn Eichborn über diese und angrenzende Fragen sprechen…
Am 6. Mai 2007 um 10:00 Uhr
Wir haben kein Geld, würde Herr Eichhorn sagen, sehen sie sich doch mal meinen Anzug an, darf ein deutscher Verleger solch einen Anzug tragen? Und doch trage ich ihn und doch bin ich Verleger.
Aber, würde Herr Eichhorn sagen, wenn sie gerade nicht flüssig sind, ich hätte da eine prima Idee, hören sie zu, der Schwager meines Schwagers ist Gerätehersteller, fragen sie jetzt nicht welche Art von Geräten, sondern fragen sie mich lieber wie es weitergeht, also diesen Schwager besuchte letztens ein Afrikaner, der sagte ihm, hören sie zu, was soll das, warum nennen sie mich Afrikaner, ich bin zwar in Afrika geboren, aber Afrika ist groß und satt werden dort die wenigsten, also sagt Herr Eichorn zu Dir, über was wollte ich eigentlich mit ihnen reden.
Am 6. Mai 2007 um 10:17 Uhr
Herr Eichborn soll die teuersten Anzüge tragen, wenn er möchte. Das ist nämlich eine schöne Sache. Man kann kein Hungerleider sein und dennoch nicht automatisch in Verbindung mit „Geräteherstellern“ stehen.
Auch möchte ich feststellen: Mein Gesprächswunsch war nicht polemisch gemeint, sondern ernsthaft.
Am 6. Mai 2007 um 10:47 Uhr
aber Benjamin, wir sind doch Autoren und müssen auch Späßchens machen… Aber lösch lieber meine Kommentare hier, wenn Du wirklich einen Dialog mit ihm führen kannst….
Am 10. Mai 2007 um 15:02 Uhr
Moin zusammen,
Gesprächswunsch? Wenn’s nicht ausufert, gerne.
Übrigens bin ich seit Mitte der 90er nicht mehr in Frankfurt, inzwischen auch nicht mehr Verleger.
Aber ja, steckt – der Long-Tail-Theorie gemäß – viel Zukunft in BoD. Da die etablierten Verlage immer härter nach Verkäuflichkeit aussieben müssen – nicht aus Ignoranz, sondern durch ökonomische Zwänge -, werden BoD u. a. Digitalanbieter naturgemäß zum Forum für Selbst- und Klein-Verlage.
Natürlich taugt die Fülle der selbstverlegten Bücher nix. Aber eine solch literarische Perle wie Erdmanns „Aljoscha“, den Suhrkamp vor 30 Jahren sofort genommen hätte, hat eben keine Chance mehr, ins Programm zu kommen, weil er zu anspruchsvoll schreibt. Da ist BoD doch ein Segen!
Beste Grüße
VvE
Am 10. Mai 2007 um 15:24 Uhr
Ich begrüsse Sie herzlich. Dass Sie persönlich vorbeischauen, freut mich sehr. Um an die oben gestellten Fragen anzuknüpfen…
Noch immer reklamieren die grossen literarischen Verlage für sich, für die Literatur – also auch die komplexeren Werke – zuständig zu sein. Natürlich spielt Wirtschaftlichkeit in einem Unternehmen eine zentrale Rolle. Aber es ist ja nun so, dass die BoD-Produktionsmethoden auch von Grossverlagen nutzbar wären und sich somit das kaufmännische Risiko gering halten liesse.
Ich kann also heute nicht mehr nachvollziehen, dass „Aljoscha“ – und mir fielen da noch andere Beispiele ein – im Selbstverlag erscheinen muss. Wird die Qualität nicht gesehen? Oder fühlt man sich eben doch nicht mehr zuständig, so wenig, dass man nicht einmal einer Low-Budget-Reihe via BoD das eigene Verlagsnamensgütesiegel verpassen kann, das Bücher heute nun einmal immer noch brauchen?
Am 10. Mai 2007 um 15:24 Uhr
Ich betonte stets, dass ich eben diese Meinung vertrete.
Dennoch: Müsste nicht ein Ruck durch die Herren Verleger selbst gehen, die doch alle zu erkennen scheinen, dass die geliebte Literatur (und nicht das Gewäsch) gerade im deutschsprachigen Raum vor die Hunde geht, dass der Markt fähige Talente eben dahin drängt, massenkompatibel zu schreiben oder sie verstummen lässt. Ist das nicht grauenhaft? Mir selbst muss man ja nichts erzählen, ich hatte, als ich meinen „Acheron“ auf Verlagstournee schickte die hanebüchensten Briefwechsel. Da wäre mir so manches Mal ein „passt nicht ins Programm“ oder „Lässt uns kein Schnitzel auf den Tisch zaubern“ willkommen gewesen. Einzig Kook und Hanser haben nachvollziehbare Komments geliefert.
Gut, nicht zu weit weg, Herr Eichborn. Alle Ehre über Sie, wenn man sieht, wie sehr Sie sich im Falle Erdmann für die Literatur verwenden. Das lässt mich meine Pauschalkritik der Verlegeruntätigkeit gegenüber verschlucken und Sie diesbezüglich ausnehmend rühmen.
Am 10. Mai 2007 um 15:41 Uhr
In einem Ihrer Kommentare im Literaturcafé schreiben Sie, alle Werbung für ein Buch nützt nichts, wenn die Leser das Buch nicht weiterempfehlen. Könnte man die Aussage umkehren und sagen, dass wenn die Leser eines BoD-Buches es weiterempfehlen und diese es wiederum weiterempfehlen usw, ein herkömmlicher Verlag völlig überflüssig wäre? Und wäre damit nicht sogar der Literatur ein Dienst erwiesen, da nur weiterempfohlen wird, was beim Leser ankommt?
Am 10. Mai 2007 um 16:23 Uhr
zu markus: „was beim leser ankommt“. naja, vielleicht sollte ja auch mal beim leser ankommen, was beim leser (noch) nicht angekommen ist. sonst: trampeln auf der stelle …
sonst: vielleicht muss mans aber auch nicht ganz so eng sehen. wenn ich richtig orientiert bin, ist es ja nicht ausschliesslich ein problem der verlage. weitere verknappungsinstanzen wie das feuilleton sind da ebenso beteiligt. und ich meine nicht mal unbedingt das. es ist also ein ensemble von kräften (da hat jemand: „dispositiv“ gesagt), das für so einen markt sorgt. ich fühle mich als autor (wo in der schweiz ohnehin die buchpreisbindung gefallen ist) da fast schon wieder fatalistischfroh. ob ich meine texte (für eher spezielleres publikum) nun einem kleinverlag anbiete oder das selbst mit unterstützung von kompetenten kollegInnen angehe. was macht das für einen unterschied? vielleicht von ein paar reputationspunkten abgesehen. ich freue mich natürlich, wenn ich etwas unterbringe, aber wenn es nicht alles ist, dann kann ich auch damit leben.
anspruchsvolle literatur, besprochen im grossfeuilleton: ausnahmen gibt es, aber doch auch ebensoviele titel, auf die das nur wenig effekt hat. allerdings ist so eine hrsg. wie bei herrn eichborn, auch wenn es in der bod-tüte steckt, in meinen augen so etwas wie eine kleine unternehmensgründung, die auf eine gewisse tradition verweisen kann. quasi branding im zweiten anlauf. aber wird man dadurch als schriftsteller leben können? nur die wenigsten, glaube ich. und auch dort werden kompromisse eingegangen, auf die man erst einmal eingehen wollen muss. ebenso wichtig finde ich doch auch, dass es eine lebendige szene gibt, wie hier z.b.
diesen hinweis von benjamin finde ich allerdings interessant. wohl aber nur für einen verlag, der wert legt auf ein spektakuläres programm. wie gesagt: verdient wird damit nämlich hauptsächlich nichts …
Am 10. Mai 2007 um 17:03 Uhr
@hab
naja, sage ich. denn als autor müsstest du in dieser wunderbaren (ich weiss) vision, die ich hatte, nur für die initialzündung sorgen, das heisst, dein buch unter die ersten leser bringen. dann wäre (zumindest physisch) angekommen, was noch nicht angekommen ist. dass dein werk bei diesen lesern dann aber auch wirklich „ankommen“ muss, damit er es weiterempfiehlt – daran ändert sich nichts. Kommt es nämlich nicht an, hilft – insofern VvE recht hat, wenn er im Literaturcafé sagt, Werbung sei herausgeworfenes Geld – auch diese nichts.
Am 10. Mai 2007 um 17:25 Uhr
Ich denke nicht, dass Werbung rausgeworfenes Geld ist. Dem widerspricht die Tatsache, dass Autoren gemacht werden. Gebt mir Geld und ich mache einen von euch zum neuen Megastar der deutschen Literatur.
Medienkompatibiltät heisst aber noch lange nicht literarische Qualität (wie man damals bei Stuckrad-Barre sehen konnte) doch wenn diese beim Autor auch vorhanden ist – und auch Literaturinteressierte sind Voyeure – hat ein gutes Managment mehr zu sagen als der eigentliche Text. Man mag davon halten, was man will, freilich, jedoch bringt mich das wieder auf das Thema „Entertainment“ zurück. Es ist ein Irrtum, dass es kein Publikum für anspruchsvolle Literatur gäbe. Man sehe nur, was Pynchon allein in Deutschland absetzt – nicht zuletzt, in diesem Fall, durch seine Nichtfassbarkeit (physisch).
Die Deutschen Verlage besitzen die gleiche Mentalität wie das Volk selbst: Jammern, Visionslosigkeit, Feigheit.
Ich weiss, dass es unter uns ganz herausragende Autoren gibt, doch scheint es zwischen langweiliger Altherren 47er-Pullovrigkeit und Popliteratur nichts zu geben. Der Facettenreichtum ist der geistigen Gleichschaltung ein erstes Opfer. Jeder hechelt Random House und Holtzbrinck hinterher, die Verlage schaufeln sich ihr eigenes Grab, den Preis werden sie zu zahlen haben, denn der Selbstverlag wird das Ding der Zukunft werden.
Benjamin hat eingeworfen, dass die Qualität darunter leidet. das ist in zweierlei Hinsicht richtig. Einmal sind es Satztechnik und Layout, die nicht an eine vergleichbare Produktion etwa von Suhrkamp heranreichen. Auf der anderen Seite ist es der literarische Schwerpunkt. Wenn 80+ Millionen plötzlich anfangen, ihrer Tante Erna ein Denkmal zu setzen, wird keiner mehr erkennen, welche Tante Erna nun lesenswert wäre.
Doch: Was wir gestern besprachen und was in Zukunft bei uns ein Thema sein wird – nämlich das literarische Angebot im Netz, indem sich Autoren zusammenschließen, um ihr eigens Süppchen zu kochen – wird nicht ungehört, ungesehen bleiben.
hab hat es ebenfalls gesagt. Wo mein Buch herauskommt ist nicht so wichtig wie dass es herauskommt. Und dann schließen wir immer wieder zur Frage auf: Wie vermarkten, wie drängen wir uns in die grosse Industriepresse, die Anzeigen schaltet und Säle mietet, um ihre Autoren dort tanzen zu lassen? Denn eines kann ich gewiss sagen: AUCH 90% dessen, das nicht im Selbstverlag erscheint, ist grosser Mist.
Am 10. Mai 2007 um 19:38 Uhr
so hab ich das aber nicht ganz gesagt. bitte noch mal nachlesen …
Am 10. Mai 2007 um 19:58 Uhr
Gut, ich habe dich etwas verkürzt.
Sehen wir’s uns noch einmal an. Daraus ließe sich die Frage formulieren: Wo unterbringen? Ich schätze mal, damit ist gemeint, jemand anderes als du selbst kümmert sich um Vertrieb und Werbung.
Was nicht egal ist: die Wahrnehmung. Erscheint dein Buch bei Suhrkamp, greift man zunächst nach dem Namen Suhrkamp und nicht nach dir als Autor. DAS kann dir freilich erst einmal egal sein, weil du dadurch ein grösseres Gesprächsfeld erreichst. Als gleicher Autor bei Taberna Kritika bleibst du DER Autor und verkaufst über dich selbst dich selbst.
Doch genau da wandelt sich das Bewusstsein. Dem nachzuhelfen und grundsätzlich DEN Autor zu kaufen, wäre ein Erfolg.
Am 10. Mai 2007 um 20:30 Uhr
lieber michael. du hast oben daraus gemacht:
noch mal zur klärung. das hiesse, ich hätte gar kein rückgrat. da gibt es noch so etwas wie ein verlagsumfeld und sicher jede menge verlage, wo ich mich nicht sehen möchte. schau dir das doch bitte mal so an: der verlag als text. und dein text als textelement eines gesamttextes. da willst du dich (oder deinen text) doch bestimmt nicht neben eugen-roth-epigonendichtung wiederfinden … etwas anderes ist es natürlich – du hast, glaube ich, schon darauf hingewiesen – z.b. bei einem autorenverlag, der an einem profil arbeitet. man muss da nicht immer suhrkamp als marge nennen. (ich hab mich vor einiger zeit mal mit einem suhrkampautoren unterhalten. dort kann man auch ziemlich luft sein). ich kann mir vorstellen: jetzt und in zukunft zählt vor allem ein gewisses profil. und das kann, je kleiner so eine unternehmung ist, gar nicht eng genug definiert sein, um ordentlich stempeln zu können. der rest ist dann eher eine frage der zeit … (so ist es bei den kleinen buchhandlungen übrigens auch jetzt schon, zumindest bei denen, die überleben wollen/werden).
Am 10. Mai 2007 um 21:00 Uhr
Das sähe ich nicht so. Je grösser der Verlag, desto unterschiedlichere Programme. Sagen wir es so: Suhrkamp ist nur ein Synonym für mich. Da ich selbst nie in den Genuss einer solchen Frage gelangen werde, welchen Verlag ich denn gerne hätte, gehen mir freilich manche Sachen leicht von den Lippen.
Verlage sind mir relativ wurscht. Da kann von mir aus die Pilcher drin sein und nebenan Asturias. Aber dem gemeinen Kunden ist das wohl nicht wurscht, denn sonst müssten sich Verlage nicht erst spezialisieren auf Reihe – Serie – Titel.
Ich spreche da wahrlich völlig aus dem Ruder, weil ich etwas anderes als Marketing anstrebe. Das einzige Hindernis: Wie bringe ich meine Bücher zum Leser. Dass es ohne marktwirtschaftliche Überlegungen gar nicht funktionieren kann, weiss ich.
Am 10. Mai 2007 um 21:00 Uhr
lieber hartmut. ich verstehe deine argumentation und ich sehe auch ein, dass es genau die haltung ist, dank derer wir litblogs.net und spa_tien dahin gebracht haben, wo sie heute sind. und ich bin den himmeln dankbar, habe ich diese beiden projekte mit dir in die welt gesetzt, da mir dieser spürsinn fehlt. (ich meine das ernst.) vielleicht ist es auch der einzige weg, auf dem wir unser jüngstes projekt zum erfolg führen können.
das bisher erreichte gäbe dir recht.
Am 10. Mai 2007 um 21:52 Uhr
ad perkampus: „Wie bringe ich meine Bücher zum Leser.“ neben pilcher gelistet zu sein, damit gehen vielleicht ein paar mehr über den tisch. aber das sind zufallsverkäufe, denn es sind nicht deine leser. du sprichst über infrastrukturen, die sich aber gerade vor längeren zeiten aus profilen entwickelt haben. es gibt genügend, auch und vor allem junge projekte, die sich aufgrund solcher überlegungen neu positionieren können und aus denen mehr entsteht. übrigens, in der plattenindustrie haben wir genau das parallelphänomen, wie ich heute las. ich denke, blind mit marketingkanonen auf spatzen zu schiessen, bringt da nicht viel, denn – wie oben schon gesagt – nachhaltig ist was anderes, auch wenn es schon mal zu längeren beziehungen zwischen verlag/autor kommen kann. aber das ist wohl eher die ausnahme. eine sorgfältige und kontinuierliche aufbauarbeit, inhaltlich und am umfeld, halte ich da für unabdingbar.
Am 10. Mai 2007 um 22:16 Uhr
Ich werde einen Teufel tun, dir zu widersprechen. Ganz im Ernst: bei der Frage, zu was ich eigentlich nutze bin, kann ich (leider oder gottseidank) ausschließlich kreative Arrangements benennen, und da bin ich dann manchmal sogar sensationell. Von praktischen Überlegungen verstehe ich rein gar nichts, beobachte nur – und erkenne jene, die etwas davon verstehen. Da, so glaube ich, beobachte ich dich gut.
Am 11. Mai 2007 um 10:01 Uhr
Die Manuskriptqualität gewinnt auf neue Weise an Bedeutung. Buchmaler und Buchbinder sind womöglich Zukunftsberufe.
Am 11. Mai 2007 um 15:04 Uhr
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