Holocaust-Memoiren

15. März 2009

••• Der Skandal um die (bewusst oder unbewusst) gefälschten Holocaust-Erinnerungen eines Kindes, der in der »Leinwand« eine wesentliche Rolle spielt, war – einigen Kritikern zufolge – nur möglich, weil es Ende der 1990er Jahre eine so große Nachfrage nach diesem »Genre« gab. Sogar der unappetitliche Begriff der »Holocaust-Industrie« wurde geprägt. Das Erscheinen von Ruth Klügers Weltbestseller »Weiter leben« fällt in die gleiche Zeit.

Ich mag mich irren, aber es scheint mir, als wäre dieser Trend mit der einsetzenden Obsession mit dem »Authentischen« einhergegangen: reality tv etc. Diese Erinnerungen mussten keine literarischen Highlights sein, aber echt. Und die immer wieder vorkommenden Skandale – erst letztes Jahr wieder einer in Australien – rankten sich denn auch immer um die Enthüllung, dass die jeweiligen Erinnerungen erfunden waren.

»Pans Wiederkehr« soll nun die Geschichte eines Überlebens in dieser Zeit schildern. Die Geschichte, so unglaublich sie scheint, ist authentisch. Es geht mir aber nicht um Erinnern an diese Zeit, sondern um die literarische Gestaltung einer großen Geschichte vom Überleben durch die Liebe, faktisch wie im übertragenen, psychischen Sinne. Also keine Dokumentation, kein Genrestück für die »Holocaust-Industrie«.

Mir ist klar geworden, dass ich gar nicht authentisch sein kann, weil ich aus zweiter Hand erzähle und die Erzählungen, die ich als Vorlage zur Hand habe, bruchstückhaft sind. Ich kenne den Protagonisten, habe viele Stunden mit ihm gesprochen. Es handelt sich um meinen früheren Psychoanalytiker. Er wollte diese Geschichte sein Leben lang selbst erzählen und ist bis heute daran gescheitert. Ich selbst unternehme nun den dritten – wenn auch wohl ersten wirklich ernsthaften Anlauf – ihm meine Möglichkeiten des Erzählens zu leihen. Er hat zum Teil sehr genaue Vorstellungen davon, was man in diesem Buch erzählen müsste. Einiges davon will ich mit dem Abstand von zwei Generationen gerade nicht erzählen. Und was die Authentizität betrifft: Ich werde, da eine Dokumentation nicht in Frage kommt, gar nicht »seine« Geschichte erzählen können, sondern nur eine Geschichte, wie sie im Spiegel meines Zuhörens und Verständnisses sichtbar geworden ist.

Also wird es ein Stück literarischer Fiktion, basierend auf authentischen Erinnerungsbruchstücken. Das wird keine leichte Sache.

Einen Kommentar schreiben

XHTML: Folgende Tags sind verwendbar: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>