Das Bild auf der Wand
/Daniel/ Das Bild auf der Wand steckt voller Leben und steigt herab zu mir und kommt in mein Bett. Ich weiß nicht, wie das möglich ist. Und ich weiß noch immer nicht, woher dieses Mädchen kommt. Aber ich ahne jetzt, daß sie wirklich für mich getanzt hat, daß ich gemeint war und daß sie meinetwegen hier ist, tanzt, lächelt, weint und wartet und aus der Wand heraussteigt und auf mich zukommt.
Sie wirft den Glockenmantel ab. Sie läßt das Kleid herabgleiten. Sie zieht das Hemd über den Kopf mit verkreuzten Armen und steigt aus dem Mädchenhöschen. Sie kommt sehr langsam quer durchs Zimmer herüber zu meinem Bett. Und ich ahne wohl, was sie vorhat, aber ich habe keine Ahnung, ob sie kalt sein wird, ob ich sie überhaupt berühren kann oder ob sie durch mich hindurchgehen wird oder an mir vorüberschweben. Ich weiß nicht, ob das ein Fiebertraum ist oder nur eine schwüle Nachtwirklichkeit. Ich kann es nicht sagen.
Ich rechne damit, daß ihre Konturen verschwimmen werden, sobald sie nahe genug bei mir ist, daß ich meine Hand nach ihr ausstrecken könnte, um ihre Haut zu ertasten. Aber sie löst sich nicht auf. Sie kommt näher und weicht auch nicht aus, als ich meine Arme hebe. Kaum ist sie nahe genug bei mir, daß meine Fingerspitzen den blonden Flaum auf ihrem Bauch ertasten können, bleibt sie stehen. Ihr Bauch vibriert unter meinen Fingern. Sie hat die Augen geschlossen und hält den Atem an.
Sie hebt die Decke und will sich zu mir legen. Zeig mir dein Gesicht, will ich sagen, sprich mit mir. Doch sie wendet sich ab, zieht die Decke bis zu den Schultern hoch und dreht mir den Rücken zu. Sie preßt ihren Po in meinen Schoß und ist gewiß nicht kalt und will doch gewärmt werden, und ich glaube, sie fürchtet sich. Also lege ich meinen Arm um sie und halte sie fest. Sie atmet noch immer nicht.