••• Ich nützte den Konjunktiv richtig, kennte ich nur die Regeln…
Der deutsche Konjunktiv ist furchtbar. Krankhafte Züge nimmt er an in der indirekten Rede. Während »Die Leinwand« auf Verlagstournee ist, beginne ich eine weitere Durchsicht. Ich mache Jagd auf Zeitfolge- und Konjunktivfehler. Während ich mit der korrekten Zeitfolge gewöhnlich keine Schwierigkeiten habe, bringen mich einige Korrekturen der Lektorin bei Konjunktiven um den Verstand. Ratlosigkeit beschleicht mich: Gilt die Zeitenfolge im Konjunktiv nicht? Ich meinte bislang, es wäre so.
Tempus | Indikativ | Konjunktiv (I/II) |
Plusquamperfekt | Ich war gegangen | Ich wäre gegangen |
Präteritum | Ich ging | Ich ginge |
Perfekt | Ich bin gegangen | Ich sei gegangen |
Präsens | Ich gehe | Ich gehe |
Futur I | Ich werde gehen | Ich würde gehen |
Futur II | Ich werde gegangen sein | Ich würde gegangen sein |
Alles Quatsch? In der wörtlichen Rede, lese ich, sei Konjunktiv II (aus dem Präteritum abgeleitet: »ich ginge«) zu verwenden, wenn bei Verwendung des Konjunktiv I (»ich gehe«) Verwechslungsgefahr mit dem Indikativ bestehe. Damit aber bricht man ggf. aus der korrekten Zeitfolge aus.
Ganz schlimm wird es bei der indirekten Rede. Ein Beispiel:
Er komme vom Flughafen, erklärte der Kurier. Die Fluggesellschaft bedauere1, dass es so lange gedauert habe2. Doch mein Koffer hätte3 sich nun endlich angefunden. Da sei4 er. Ich müsste5 das nur quittieren. Dann könne6 er weiter. Er hätte7 noch eine lange Tour.
Das ist ein Gehopse zwischen Konjunktiv I und II. Kunjunktiv II bei 3 verwende ich wegen der Vorzeitigkeit: Das Anfinden geht der Zustellung voraus (s. oben, evtl. völlig irrelevant). Abgesehen davon und von 5 und 7 wird Kunjunktiv I verwendet, warum dort nicht? Sollte es nicht heißen:
Er komme vom Flughafen, erklärte der Kurier. Die Fluggesellschaft bedauere1, dass es so lange gedauert habe2. Doch mein Koffer hätte3 sich nun endlich angefunden. Da sei4 er. Ich müsse5 das nur quittieren. Dann könne6 er weiter. Er habe7 noch eine lange Tour.
Muss oder sollte oder kann auch 3 in den Konjunktiv I gesetzt werden? Spielt die Zeitfolge (Vorzeitigkeit) keine Rolle?
Wenn ich aber bei Verwechslungsgefahr mit dem Indikativ (s. o.) einfach in den Konjunktiv II wechseln darf, dürfte ich das vielleicht auch aus rein klanglichen Überlegungen heraus?
Und noch eine Frage anhand eines oben verwendeten Satzes:
In der wörtlichen Rede, lese ich, sei Konjunktiv II […] zu verwenden, wenn bei Verwendung des Konjunktiv I […] Verwechslungsgefahr mit dem Indikativ bestehe.
Ich würde intuitiv mit dem Gefühl des stärkeren Ausdrucks schreiben
In der wörtlichen Rede, lese ich, sei Konjunktiv II […] zu verwenden, wenn bei Verwendung des Konjunktiv I […] Verwechslungsgefahr mit dem Indikativ besteht.
Ich verteidige das mit dem Argument, dass der Umstand der Verwechslungsgefahr objektiv besteht (»ich gehe« im Indikativ Präsens und »ich gehe« im Konjunktiv I). Dann kann ich die Möglichkeitsform für dieses Wort auch eliminieren. Nein, meint die Lektorin. Dann will ich das jetzt erfinden, antworte ich, weil es stärker klingt. Bislang ist keine Einigung in Sicht.
Wer kennt jemanden, der sich durch und durch mit Konjunktiven auskennt?
Am 2. Dezember 2008 um 19:22 Uhr
Oh Graus! Das verdürbte mir den Appetit.
Am 2. Dezember 2008 um 20:02 Uhr
Heißt das nicht: Es verderbte mir den Appetit? Hier ist wirklich professionelle Hilfe vonnöten.
Am 2. Dezember 2008 um 21:58 Uhr
Oder verdörbte, verdärbe etc. :-D
Ich glaube, das kann man nur mit völlig unangemessenem Aufwand lernen, und wenn mans schafft, steht man sich beim Schreiben dann vielleicht anderswie auf dem Schlauch. Ich bleibe beim Bauch und erhoffe mir eine Trefferquote von 74%. Den Rest sollen die Grammatiker ausbügeln, wenn sie denn drauf bestehen.
Am 2. Dezember 2008 um 22:11 Uhr
Ich habe da eine vielleicht altmodische Handwerksauffassung. Ich möchte den Text selbst in den »idealen Zustand« versetzen (können). Wir werden doch jemanden auftreiben können, der eine valide Antwort auf diese Fragen weiß… Mal sehen.
Am 3. Dezember 2008 um 09:40 Uhr
Bei Wolf Schneider in »Deutsch für Kenner« findet sich folgendes Beispiel:
Nur die SPD hat die Antworten auf die Fragen der Zukunft, sagte Brandt – das ist eine Parteinahme des Schreibers für die SPD.
Nur die SPD hätte die Antworten auf die Fragen der Zukunft, sagte Brandt – das ist eine Parteinahme des Schreibers gegen die SPD, weil hätte den Konjunktiv der Unwirklichkeit ausdrückt.
Nur die SPD habe die Antworten auf die Fragen der Zukunft, sagte Brandt – das ist allein korrekte, unparteiliche Wiedergabe dessen, was Brandt gesagt hat.
Die beiden Konjunktive, die so radikal Verschiedenes bedeuten, haben freilich einen schlimmen Nachteil: Die Konjugation gibt nicht bei allen Verben in allen Personen die zwei Formen her, die wir zur Unterscheidung brauchten.
Nach Schneider wäre der Koffer in obigen Beispielen nicht gefunden worden.
Am 3. Dezember 2008 um 09:48 Uhr
@WT: Das heißt dann mit Bezug auf die Zeitenfrage: Lediglich die Parteinahme oder Nicht-Parteinahme entscheidet bei der indirekten Rede über Konjunktiv I oder II. Es hat mit Zeitformen und ihrer Folge nichts zu tun. Und man kann sich auch nicht von klanglichen Erwägungen leiten lassen?
Im obigen Beispiel müsste es dann zwingend heißen:
Irrealis wäre hier ja sicher fehl am Platz, weil der Koffer ohne Zweifel da ist.
Am 3. Dezember 2008 um 11:20 Uhr
Es scheint auch darum zu gehen, ob der Konjunktiv in der Konjugationsform vorhanden ist oder nicht:
Koffer und Konjunktiv sind vorhanden.
Im Ersten Fall hast du – im zweiten nicht.
Das ist Indikativ; die passende Konjuktivform gibt es nicht, nach Schneider muss man ausweichen:
Es gibt aber auch noch den bayerischen Konjunktiv, bei Manfred Bosch hört sich der so an:
Am 3. Dezember 2008 um 11:37 Uhr
@WT: Für den letzten Teil braucht der Turmsegler sicherlich eine Übersetzung! *lach
Am 3. Dezember 2008 um 12:02 Uhr
Nö. Ich hab das glasklar verstanden. :-) Bin lange genug in Bayern »zu Besuch«.
Am 7. Dezember 2008 um 17:38 Uhr
Ich bin derjenige, der sich mit (oder besser bei) Konjunktiven durch und durch und durch auskennt.
Am 8. Dezember 2008 um 09:33 Uhr
Wohl dem, der das von sich behaupten kann. Ich bin jetzt immerhin leidlich auf dem Stand. Merci an ANH, der mir per Mail strukturiert Nachhilfe gegeben hat.
Lieber ANH, ganz abgesehen davon freut es mich, dass Sie wieder einmal hier zu Besuch waren.