Lesen! – nun bei litcolony.de
••• Ich habe seit Jahren keinen Fernseher mehr und vermisse ihn nicht die Bohne. Vieles erfahre ich so erst mit Verzögerung. Das ist mitunter ein Segen. Auch das Hallo um Marcel und Elke anlässlich und im Nachgang des letzten Deutschen Fernsehpreises habe ich nur aus Youtube-Videos und Kolumnen mitbekommen. Auch das: rechtzeitig genug.
Elke Heidenreich hat ziemlich schnodderig über ihren Arbeitgeber geredet. Das Ergebnis: Das ZDF ist nunmehr ihr »gewesener Arbeitgeber«. Über das »Literaturcafé« erfahre ich jetzt, das Elke Heidenreich ihre Sendung »Lesen!« künftig nicht mehr im Fernsehen, sondern im Internet bringt. Das ist doch wunderbar, denke ich: Auch ohne Fernseher kann ich künftig mal reinschauen, was Elke so liest und empfiehlt – und zwar dann, wann es mir gefällt und gerade passt. Das ist einer der Vorteile von asynchronen Medien. Ein weiterer Vorteil ist: Man muss keine Rücksichten auf Arbeitgeber nehmen und kann reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist.
Was mich nun wunderte, war allerdings der Beitrag des Literaturcafés. Man kann ihn nur als hämisches Bashing bezeichnen: »Statt Heizdecken an Rentner: Heidenreich verkauft Bücher nun im Internet« titeln die Kollegen nebenan und legen gleich noch nach:
Eine verbitterte und gekränkte Frau, die statt in der Kölner Kinderoper ihre ohnehin geplante Sendung nun 1:1 in der Kölner Kneipe »Backes« runterreißt. Und da gerade bei ihrem peinlich stichelnden Eingangsmonolog die Lacher und Reaktionen aus dem Publikum ausbleiben, lässt das darauf schließen, dass dieser nachträglich noch eingefügt wurde.
Schließlich das Fazit:
Und spätestens jetzt ist klar, wo Heidenreichs Sendung am besten hingehört hätte: in den Homeshoppingkanal von RTL.
Man könnte meinen, die Kollegen vom Literaturcafé hätten eine persönliche Fehde mit Frau Heidenreich. Anders kann ich mir diesen bissigen Ton nicht erklären.
Die in der ersten Internet-Sendung vorgestellten Bücher fand ich allesamt interessant. Bei jedem dieser Titel gibt es eine Herausforderung, sei es das Thema (Wirklichkeit vs. Fiktion), die Erzählform (ein Buch, dessen uninteressanten Seiten vom Autor unterschlagen werden) oder gar der Autor selbst (Dandy Cohen, der aus der Klausur im buddhistischen Tempel ohne Umschweife einräumt, zu den 99,8% Blendern unter den angeblichen Poeten zu zählen). Ob ich Roger Willemsen wirklich lesen möchte, sei dahingestellt. Appetit gemacht wurde jedoch darauf. Und Willemsen ist sicher kein Fastfood.
Ja, Elke Heidenreich teilt auch in dieser Sendung noch ein paar Prankenhiebe aus in Richtung ZDF und Marcel. R.-R. Sie wird sich über die Kränkung, die sie hinnehmen musste, auch wieder beruhigen.
Ich kann nun gar nichts Anrüchiges daran finden, eine solche Sendung zu machen. Sie im Internet zu platzieren, finde ich sogar außerordentlich charmant, weil sie dort nun wirklich jeden erreicht, der sich von ihr erreichen lassen möchte. Was kann falsch sein daran, Leute zum Lesen zu animieren? Und noch dazu die Leser aufzufordern, beim Buchhändler um die Ecke zu kaufen statt beim anonymen Online-Buchhandelsmoloch.
Häme ist da fehl am Platze. Ich applaudiere und hoffe, dass für Frau Heidenreich das Internet zum Zuhause wird. Willkommen online, Frau Heidenreich!
Am 2. Dezember 2008 um 09:07 Uhr
hi Turmsegler,
einige „Stammkunden“ wird Elke Heidenreich durch das Internet bestimmt doch verlieren. Sie selbst sagt ja, dass sie zuversichtlich ist, am richtigen Ort angekommen zu sein. Manche werden sie im Internet nicht mehr finden, eben auch MRR, und andere wiederum werden sie neu entdecken.
Ansonsten findet dein Beitrag meine volle Zustimmung, in jeder Beziehung!
LG
Am 2. Dezember 2008 um 09:27 Uhr
Ich glaube nicht, dass MRR auf Heidenreichs Buchtipps angewiesen war oder ist. Auf der anderen Seite würde ich nicht so deutlich wie Heidenreich behaupten, MRR hätte keinen Internet-Anschluss :-)
Die Sendung wird sich im neuen Format auch entwickeln müssen. Ich werde es jedenfalls mit Interesse beobachten.