••• Meine Agentin hat ihrerseits ein Exposé zur »Leinwand« geschrieben. Und mit diesem sind die Typoskripte an die Verlage gegangen. Ihr Text liest sich eher wie ein Klappentext-Entwurf. Sie darf auch schreiben (1. Absatz), was ich selbst nicht schreiben dürfte. Zunächst kam mir der Entwurf wie eine Trivialisierung vor. Die Form – für mich wesentlich – wird zur Fußnote. Auch werden die Stränge, die ja eben keine Reihenfolge haben, in eine Abfolge gebracht. Der Minsky-Skandal tritt in den Hintergrund.
Aber: Dieses Exposé weckt keine Erwartung, die der Text nicht unmittelbar einlösen würde. Nach Lektüre meiner Variante mag sich der Lektor nach 120 Seiten Zichroni fragen, wann denn und ob überhaupt Minsky noch auftauchen wird. Die falsch geweckte Erwartung, dass der Minsky-Skandal Zentrum des Buches sei, könnte den Blick aufs Tatsächliche verstellen, Ungeduld beim Leser erzeugen. So wird er/sie nun hoffentlich Überraschungen erleben. Sie sind dann aber ein Plus.
Ich bringe auch dieses Exposé, weil ich meine, am Vergleich beider Entwürfe lässt sich einiges lernen.
Benjamin Stein
Die Leinwand
Romanmanuskript, ca. 400 Seiten
Was ist Erinnerung? Was imaginäre Welt und was Fiktion? Und als wie wandelbar hat unsere Identität zu gelten? Benjamin Stein entwickelt um diese Fragen ein faszinierendes Spiel und bannt uns in Lebenswelten und Kulturräume, die in ihrer Brüchigkeit vertraut erscheinen und uns vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart führen.
1. Erzählstrang
berichtet von Amnon Zichroni
Mit fünfzehn betritt Amnon Zichroni erstmals das „verbotene Zimmer“ in der elterlichen Wohnung in Jerusalem und ist von dem dort lagernden Schatz überwältigt: Der Raum ist voller Bücher. Sein Vater weiß ihn damit verloren für die Ausschließlichkeit einer rein religiösen Welt und schickt ihn zu Onkel Nathan nach Zürich. Amnons Interesse für die Übergänge zwischen Fiktivem, Imaginärem und Realem führt ihn später von der Literatur zur menschlichen Seele: Er studiert in den USA Psychologie und lässt sich in Zürich als Therapeut nieder. Nach Nathans Tod findet er auf dessen Dachboden eine kostbare alte Violine, die er aufarbeiten lässt. Der Geigenbauer Minsky, an den er sich wendet, vertraut ihm in einem Akt der Verzweiflung an, dass ihm nach dem Nationalsozialismus in der Schweiz die Erinnerung verboten und also seine wahre Biographie und damit eine authentische Identität vorenthalten wurde. Zichronis Neugier an der »wahren« Geschichte ist geweckt. Das Resultat der gemeinsamen Nachforschungen ist das Buch »Aschentage«, in dem Minsky schildert, wie er als Kind in den Vernichtungslagern von Majdanek und Auschwitz überlebt hat. Buch und Autor werden gefeiert und prämiert, die »Aschentage« vielfach übersetzt. Einige Jahre nach der Veröffentlichung jedoch entlarvt der Journalist Jan Wechsler das Buch als Fiktion. Minsky, so ergeben die Recherchen, wurde in der Schweiz geboren und hat die Vernichtungslager, von denen er berichtet, lediglich als Tourist besucht. Der Enthüllungsskandal zerstört nicht nur das Leben von Minsky, sondern auch das von Zichroni. Ammon verliert seine Arbeit, flüchtet in eine kleine jüdische Siedlung in der Westbank und nimmt einen neuen Namen an. Eines Tages wird ihm ein Gast aus Deutschland angekündigt, fromm und interessiert an einer nahe gelegenen historischen Mikwe (kurze Erklärung). Wer aus dem Bus steigt, ist Jan Wechsler. Er hat keine Ahnung, wem er da gegenübersteht, in Zichroni hingegen bricht der alte Zorn auf. Beim nächtlichen Bad in der Mikwe kommt es zum Show down.
2. Erzählstrang
berichtet von Jan Wechsler
Jan Wechsler ist Autor, Journalist und Verleger. Im Anschluss an eine Reise nach Israel wird ihm von der Fluggesellschaft ein Koffer zugestellt, den er nicht als seinen erkennt – die Sachen darin sind allerdings eindeutig einem »Jan Wechsler« zuordenbar. Wechsler gerät ins Grübeln: Stimmt seine Erinnerung an die eigenen Vergangenheit nicht? Was hat es auf sich mit der Behauptung, er sei der Enthüllungsautor, der Jahre zuvor den Minsky-Skandal ausgelöst habe? Hat er sich bewusst eine falsche Biographie zugelegt? Der Koffer lässt ihn vermuten, die Israelreise könne der Schlüssel zu seiner wahren Identität sein und verzweifelt macht er sich erneut dorthin auf den Weg. Am Flughafen in Tel Aviv wird er festgenommen. Im Verlauf des Verhörs erfährt er, dass die Gegenstände in dem zugestellten Koffer aus dem Besitz eines gewissen Zichroni stammen sollen. Zichroni wird seit Wechslers letztem Besuch in Israel vermisst. Nach einer Nacht im Polizeigewahrsam sieht sich Wechsler beim Lokaltermin an der Mikwe mit der Wahrheit über seine Vergangenheit konfrontiert. Und er versucht erneut, ihr zu entfliehen …
Es ist dem Leser überlassen, ob er die Lektüre mit Zichronis oder Wechslers Bericht beginnt.
Es folgen Informationen zur Bio- und Bibliographie in wenigen Zeilen Prosa (statt tabellarisch) und die Liste der bisherigen Stipendien und Preise.
Am 25. November 2008 um 23:45 Uhr
Mir persönlich liegt die Agenturversion viiiiiiiel mehr. Aber das weißt Du ja schon.
Am 26. November 2008 um 10:17 Uhr
»Liegen« oder »gefallen« sind halt leider wenig greifbare Kriterien. Gerade bei solchen Sachen muss ich verstehen, warum etwas anders, besser wirkt.
Am 27. November 2008 um 07:26 Uhr
das sage ich dir zuhause. dann kannst du dich privat aufregen! ;)