••• In der »Leinwand« wie auch schon im »Anderen Blau« verwende ich die monologische Methode als Erzählform. Erfunden habe ich sie (natürlich) nicht. Soweit mir bekannt ist, wurde der Begriff von Graham Greene geprägt, der, nach seinem eigenen Bekunden, erstmals im »Stillen Amerikaner« auf diese Erzählform zurückgriff und auch einige spezielle Kriterien in der Darstellung an der Methode festmachte. Auch Greene ist nicht ihr Erfinder, hat aber bewusst an dem Konzept gearbeitet.
Erzählt wird bei der monologischen Methode strikt aus der Sicht der handelnden Person(en). Greene beschränkt sich im »Stillen Amerikaner« auf eine erzählende Figur, den Kriegsberichterstatter Thomas Fowler. Auf Greene bin ich erst jetzt gestoßen. Die Methode beschäftigt mich jedoch bereits seit 1987.
Feuer gefangen habe ich bei der Lektüre des Romans »Der Liebhaber« von Abraham B. Yehoshua. Erzählt wird hier aus der Sicht der Hauptpersonen: ein jüdisch-israelisches Ehepaar und deren Teenager-Tochter, die Großmutter und der palästinensisch-israelische Freund der Tochter. Der in den Wirren des Yom-Kippur-Krieges spurlos verschwundene Liebhaber der Frau kommt, so weit ich mich erinnere, nicht zu Wort. Die einzelnen Kapitel sind mit dem Namen der erzählenden Figur überschrieben. Diverse Situationen werden mehrfach erzählt, jeweils aus den Blickwinkeln der Beteiligten. So erlebt man beispielsweise das erste intime Treffen der Teenager sowohl aus der Sicht des Mädchens als auch aus der des Jungen. Dass sie die gleiche Situation höchst unterschiedlich erleben, verwundert nicht. Gerade diese Form der Darstellung von »Wirklichkeit« als ganz vom subjektiven Empfinden der handelnden Personen abhängiges Phänomen hat mich begeistert.
Mir fallen spontan noch weitere Beispiele ein, die ich damals genauer untersucht habe, etwa die »Schachnovelle« (ein Erzähler) von Stefan Zweig oder der Roman »Horns Ende« (mehrere Erzähler) von Christoph Hein.
Mein erster Roman-Entwurf, »Der Libellenflügel«, bediente sich denn auch dieser Methode, selbstverständlich ambitioniert mit mehreren erzählenden Figuren. Ich ging das Vorhaben damals sehr ideologisch an: So etwas wie »objektive Wirklichkeit« gibt es nicht. Wirklichkeit ist, was in unserer Wahrnehmung aus einem äußeren Geschehen wird. Und weiter noch: Nur diese subjektive Wahrnehmung ist es, die für einen Menschen (und also auch für eine literarische Figur) zählt und also erzählt werden muss.
Der besondere Reiz (und gleichzeitig die künstlerische Herausforderung) der monologischen Methode mit mehreren erzählenden Figuren besteht darin, jeder Figur eine ganz eigene Stimme (Erzählweise) zu geben.
Im »Alphabet des Juda Liva« bin ich zugunsten eines »allwissenden Erzählers« (gähhhn!) von der Methode abgegangen. Das werfe ich mir heute noch vor. Ich konnte mir damals nicht vorstellen, dass ich mit einem Debüt-Roman in vergleichsweise schwieriger Konstruktion eine Chance auf Veröffentlichung gehabt hätte. (Ich halte mich also für schuldig im Sinne der Anklage, wenn ich an den Beitrag von gestern denke…)