••• Was ist schon das Schlachtfeld der Liebe gegen das Schlachtfeld der Kindheit?
In manchen Biographien findet der totale Krieg bereits in den ersten Jahren statt, so dass alles Folgende nur als Scharmützel erscheint. Von solchen Kämpfen berichtet Susanne Englmayer auf „over the bones“. Das sind Geschichten, die man so schnell nicht vergisst, Geschichten, die tiefste Verletzungen schildern wie im Vorbeigehen.
Sie spielen Vater Mutter Kind. Meistens im Sommer. Decken sind auf der Wiese ausgebreitet. Stellen die Wohnungen dar. Bunte Flecken im Grün. Das Spiel ist einfach. Man legt sich schlafen. Steht wieder auf. Der Vater verläßt die Wohnung. Essen wird gekocht. Kinder versorgt. Ab und zu gehen die Mütter einkaufen. Bis an den nächsten Hauseingang. Der ist das Geschäft. Die Decken bleiben dann verlassen. Für eine Weile. Aber nicht lange. Die Jungs spielen die Väter. Viel haben sie nicht zu tun. Sie kommen nach Hause, um sich auf der Decke auszustrecken. Nach einer Weile stehen sie wieder auf. Beeilen sich, den Ort der Handlung zu verlassen. Sie warten dann abseits und spielen Karten. Autoquartett. Oder kritzeln mit geeigneten Steinen großflächig auf den Fußwegen rum. Die jüngeren Geschwister, die, auf die die Mädchen aufpassen müssen, jeden Tag, zwei Stunden lang, sind die Kinder. Sie haben den angenehmsten Part. Dürfen jammern und quengeln. Dürfen wieder Babys sein. Auch wenn sie schon größer sind. Dürfen sich tragen und ziehen lassen. Dürfen allen auf die Nerven gehen. Besonders den Mädchen.
Harmlos beginnt Susanne Englmayers Geschichte „Camouflage“, um unvermittelt und drastisch die Perspektive zu wechseln vom Idylle konservierenden Spiel hin zum realen Kriegsgeschehen eines Familienlebens, das im Spiel auf der Sommerwiese nicht vorkommt.
Ich erinnere mich an eine Kindheitsfreundin, die ich sehr mochte. Auch sie wollte immer Familie spielen. Sie nannte es allerdings anders: Lass uns Ehekrach spielen! Dabei leuchteten ihre Augen. Sie lebte allein mit ihrer Mutter. Ich sollte sie lieber nicht zum Geburtstag einladen, meinte meine Mutter. Sie sei so ungezogen, so laut. Wenn wir spielten, schrie sie mich an. Ich wollte sie eigentlich immer umarmen. Aber, so muss sie wohl gemeint haben, das kommt in Familien nicht vor. In den von Susanne Englmayer geschilderten sicher nicht. In denen ist der Krieg alltägliche Realität.
Unter der Überschrift „selbst bewußtsein“ schreibt die Autorin:
‚over the bones‘ will nicht viel, nur ein paar geschichten erzählen, auf die eine oder andere art. dabei wird kaum aufwand betrieben, wenig überarbeitung im vorfeld und noch weniger korrektur in der nachbearbeitung. tipfehler und grobe unstimmigkeiten erlaube ich mir allerdings jederzeit abzuändern.
ist es also literatur? oder nur gerede, geplauder? wir werden sehen.
Gerede, Geplauder? Sowas macht keine Gänsehaut. Aber soll sie nur weiter „plaudern“. Camouflage ist nicht die einzige lesenswerte Geschichte auf diesem Autoren-Blog, das also ganz schnell „Auf die Rolle“ kommt.
PS: Nein, ich bin noch nicht am Ende mit Pablo Neruda…
Am 14. März 2007 um 09:51 Uhr
Ja Kindheit ist Krieg mit und ohne humanitäre Hilfe.
Das alles ist mir vertraut, sehr und vielleicht gibt es kaum einen/eine der das nicht vertraut ist. Bei uns waren es die Wochenenden, die immer so glänzend aussahen, Freitags wurde das Bier für Papa eingekauft, man bekam zur Belohnung ein paar Fußballbilder, aber abends wurde man für die Belohnung bestraft, da musste man plötzlich die Schulhefte rausholen.
Gute Noten gab es nicht, es ging nur ums bestrafen, ums bestrafen.
Am Ende endete es immer mit Stromabstellen und uns einschliessen, grauselig daran zu denken.
Ob ich es wagen würde darüber zu schreiben weiß ich nicht, dass es jemand getan hat ist gut und wichtig.
Am 14. März 2007 um 11:49 Uhr
Du solltest es wagen. Die Gespenster müssen ausgetrieben werden. Ich glaube, man muss diesen Rucksack leeren, das Blut auspucken, um den Mund frei zu bekommen. Es muss nicht zwingend in Geschichten oder Gedichten sein, solange es nur ausgespuckt wird.
Am 14. März 2007 um 18:19 Uhr
vielen lieben dank für den artikel, habe mich sehr gefreut heute morgen.
(danke auch für die erwähnung des ’selbst bewußtsein’s. das hatte ich schon lange nicht mehr angesehen. und mußte es natürlich gleich ein wenig revidieren, weil es ja inzwischen durchaus auch mal ausgearbeitete texte gibt. ganz und gar unbloggish, aber dennoch.)
Am 14. März 2007 um 23:36 Uhr
Schön, dass Sie vorbeigekommen sind. Und „unbloggish“… Ich glaube nicht, dass Leser von Autorenblogs darauf bestehen, un-ausgearbeitete Texte zu lesen. Gutes Gelingen weiterhin!