Szenenfoto aus dem Film »Das Verhör« (nicht der hier erwähnte)
••• Ich habe es mir bei der »Leinwand« an vielen Stellen nicht leicht gemacht. Auch das Wechsler-Kapitel 10 wird eine Herausforderung. Das Wechsler-Finale wird mit diesem Kapitel eingeleitet, und es besteht ausschließlich aus einem Verhör.
Wechsler hat sich einerseits seit Jahren in Lügen verstrickt. Anderseits ist er sich mittlerweile seiner eigenen Identität völlig unsicher geworden. An entscheidende Details seiner letzten Israel-Reise erinnert er sich gleich gar nicht. Wenn er nun von einem israelischen Beamten am Flughafen abgepasst wird, um ein paar Fragen zu beantworten, hat er schlechte Karten…
Die 1:1-Situation (mitunter auch 2:1-Situation) von Verhören fasziniert mich schon lange. Ich werde nie den Film „Das Verhör“ von Claude Miller mit Lino Ventura und Romy Schneider vergessen, in dem zwei Leben, eine Ehe und noch einiges mehr vollständig demontiert werden, bis man ganz zum Schluss erfährt… (Das darf man den Uneingeweihten jetzt natürlich nicht verraten!) Vor nicht allzu langer Zeit wurde ein Remake gedreht, in dem Penelope Cruz die Ehefrau des Verhörten spielt. Auch das Remake ist absolut sehenswert.
Das Wunderbare am »Leinwand«-Verhör, wie ich es mir vorstelle, ist nun, dass weder der Beamte noch Wechsler wissen, ob es überhaupt eine Tat gibt und – wenn ja – ob Wechsler der Täter ist. Wechsler wird zunächst nichts zur Last gelegt. Psychologisch ist das Verhör für ihn dennoch die Hölle, weil er nicht weiß, ob er lügt oder nicht, weil er mit seinen »Wahrheiten« unglaubwürdig wäre oder erst recht in einen Verdacht käme, den vielleicht bislang noch niemand gegen ihn hegt.
In der Verhörsituation wird sich die Figur vollständig demontieren, so dass sie reif fürs Finale im 11. und letzten Kapitel wird.
Das ist ein schöner Plan. Aber wie, frage ich mich nun, plant man dramaturgisch ein Verhör?
Am 6. Oktober 2008 um 13:12 Uhr
[…] Das Bild im letzten Beitrag ist ein Szenenfoto aus dem im Mai 2008 angelaufenen Film »Das Verhör«, der eine ganz andere […]
Am 6. Oktober 2008 um 14:12 Uhr
Die Ausgangslage ist ja gegeben: der Beamte muss ja einen Grund dafür haben, dass er Wechsler am Flughafen abfängt. Dieser Grund wird auch die Verhörrichtung zu Beginn vorgeben.
Dann muss das Ganze auf einen Punkt zusteuern, an dem sich der Verdacht des Beamten mit Wechslers Lebensdilemma berührt bzw überschneidet.
Alles andere ist Erzählkunst.
Am 6. Oktober 2008 um 14:30 Uhr
Das ist nicht die Frage, die ich meinte. Ich meine es technisch? Notiere ich die Fragen und potentiellen Antworten und finde so die Stellen, an denen ich erzähltechnisch Rückblenden und Reflexionen einbauen kann, also Dinge, die Wechsler eben nicht dem Beamten mitteilt?
Genau das versuche ich jetzt mal.
Am 6. Oktober 2008 um 14:34 Uhr
Übrigens: Wie meine Recherchen ergeben, gibt vor allem die Gesetzeslage zunächst die Verhörrichtung vor. Es ist festgelegt, wie so etwas ablaufen muss und welche Informationen dem Vernommenen gegeben werden müssen. Das ist in meiner Situation auch spannend: Die obligatorische Aufnahme der Personalien erfordert gar keine Belehrung des Vernommenen. Im folgenden kannn der Beamte mit Zoll-Dingen argumentieren, etwa um Einsicht in Wechslers Koffer zu nehmen. Und erst ziemlich gegen Ende des Verhörs muss der Beamte überhaupt damit herausrücken, dass ein Verdacht gegen Wechsler besteht und ihn dann belehren…
Das finde ich sehr reizvoll. Weil bei Wechsler im Laufe des Verhörs mehrfach die Situation kippt: Aus einer Befragung zu Personalien und Grund der Reise wird ein Zollproblem und plötzlich ein Kriminalverhör…
Ha! Da kribbelt es ja schon in den Fingern!