Ins Unendliche entfloh die Zeit. Aus dem Unendlichen kehrt sie zurück. Fern, ganz fern hinter dem Großen Ozean fliegt in unendlicher Höhe eine Schlange mit gewaltigen Flügeln, sie fliegt über rauchende Vulkane, die ihr mit heißem Atem ungeheure Kraft verleihen, sie fliegt über Dschungel, deren Schreie und Farben ihren Hunger und Durst stillen, sie fliegt über die endlose Prärie, die sie im Fluge wiegt. Die Schlange mit den gewaltigen Flügeln hat sich von Anfang der Welt an alles ins Gedächtnis geprägt, hat sich all das eingeprägt, was man sich seit eh und je auf der ganzen Welt erzählt über das, was war und ist und kommen wird. Lassen wir uns forttragen über das Große Wasser, über Vulkane, Dschungel und Prärie, hören wir, was die Schlange mit den gewaltigen Flügeln erzählt.
aus: „Die fünfte Sonne“
Indianerlegenden Mittel- und Südamerikas
Nacherzählt von Vladimir Hulpach
mit Illustrationen von Miloslav Troup
••• Atztekische Märchen waren mein erstes Zusammentreffen mit lateinamerikanischer Literatur. In kurzem Abstand bekam ich von meinen Eltern zwei Bücher von Valdimir Hulpach geschenkt mit prächtigen Illustrationen von Miloslav Troup. Ich konnte damals noch nicht lesen. Sicher ist meiner Mutter bitter Unrecht getan, wenn ich sage, ich erinnere mich besonders an jene Male, als mir mein Vater zum Einschlafen aus diesen Büchern vorlas. Es kam vielleicht nicht so oft vor, aber seine Mimik war unvergleichlich, wenn er versuchte, die schwierigen Namen auszusprechen: Tezcatlipoca, Quetzalcoatl, Teccuciztecatl…
Heute habe ich zum ersten Mal meinen Kindern aus diesen Büchern vorgelesen, eine Geschichte vom raffinierten Spinnenmännchen Anansi. Das war noch nicht so schwierig. Aber auch wenn wir später zu den Göttergeschichten kommen, werde ich es leichter haben als mein Vater damals. Ich habe da jetzt einfach ein bisschen mehr Übung…