Mephistopheles:
Da du, o Herr, dich einmal wieder nahst
Und fragst, wie alles sich bei uns befinde,
Und du mich sonst gewöhnlich gerne sahst,
So siehst du mich auch unter dem Gesinde.
Verzeih, ich kann nicht hohe Worte machen,
Und wenn mich auch der ganze Kreis verhöhnt;
Mein Pathos brächte dich gewiß zum Lachen,
Hättst du dir nicht das Lachen abgewöhnt.
Von Sonn‘ und Welten weiß ich nichts zu sagen,
Ich sehe nur, wie sich die Menschen plagen.
Der kleine Gott der Welt bleibt stets von gleichem Schlag,
Und ist so wunderlich als wie am ersten Tag.
Ein wenig besser würd er leben,
Hättst du ihm nicht den Schein des Himmelslichts gegeben;
Er nennt’s Vernunft und braucht’s allein,
Nur tierischer als jedes Tier zu sein.
Er scheint mir, mit Verlaub von euer Gnaden,
Wie eine der langbeinigen Zikaden,
Die immer fliegt und fliegend springt
Und gleich im Gras ihr altes Liedchen singt;
Und läg er nur noch immer in dem Grase!
In jeden Quark begräbt er seine Nase.
Der Herr:
Hast du mir weiter nichts zu sagen?
Kommst du nur immer anzuklagen?
Ist auf der Erde ewig dir nichts recht?
Mephistopheles:
Nein Herr! ich find es dort, wie immer, herzlich schlecht.
Die Menschen dauern mich in ihren Jammertagen,
Ich mag sogar die armen selbst nicht plagen.
Der Herr:
Kennst du den Faust?
Mephistopheles:
Den Doktor?
Der Herr:
Meinen Knecht!
Mephistopheles:
Fürwahr! er dient Euch auf besondre Weise.
Nicht irdisch ist des Toren Trank noch Speise.
Ihn treibt die Gärung in die Ferne,
Er ist sich seiner Tollheit halb bewußt;
Vom Himmel fordert er die schönsten Sterne
Und von der Erde jede höchste Lust,
Und alle Näh und alle Ferne
Befriedigt nicht die tiefbewegte Brust.
Der Herr:
Wenn er mir jetzt auch nur verworren dient,
So werd ich ihn bald in die Klarheit führen.
Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Dass Blüt und Frucht die künft’gen Jahre zieren.
Mephistopheles:
Was wettet Ihr? den sollt Ihr noch verlieren!
Wenn Ihr mir die Erlaubnis gebt,
Ihn meine Straße sacht zu führen.
Der Herr:
Solang er auf der Erde lebt,
So lange sei dir’s nicht verboten,
Es irrt der Mensch so lang er strebt.
Mephistopheles:
Da dank ich Euch; denn mit den Toten
Hab ich mich niemals gern befangen.
Am meisten lieb ich mir die vollen, frischen Wangen.
Für einem Leichnam bin ich nicht zu Haus;
Mir geht es wie der Katze mit der Maus.
Der Herr:
Nun gut, es sei dir überlassen!
Zieh diesen Geist von seinem Urquell ab,
Und führ ihn, kannst du ihn erfassen,
Auf deinem Wege mit herab,
Und steh beschämt, wenn du bekennen mußt:
Ein guter Mensch, in seinem dunklen Drange,
Ist sich des rechten Weges wohl bewußt.
Mephistopheles:
Schon gut! nur dauert es nicht lange.
Mir ist für meine Wette gar nicht bange.
Wenn ich zu meinem Zweck gelange,
Erlaubt Ihr mir Triumph aus voller Brust.
Staub soll er fressen, und mit Lust,
Wie meine Muhme, die berühmte Schlange.
Der Herr:
Du darfst auch da nur frei erscheinen;
Ich habe deinesgleichen nie gehaßt.
Von allen Geistern, die verneinen,
ist mir der Schalk am wenigsten zur Last.
Des Menschen Tätigkeit kann allzu leicht erschlaffen,
er liebt sich bald die unbedingte Ruh;
Drum geb ich gern ihm den Gesellen zu,
Der reizt und wirkt und muß als Teufel schaffen.
Doch ihr, die echten Göttersöhne,
Erfreut euch der lebendig reichen Schöne!
Das Werdende, das ewig wirkt und lebt,
Umfass euch mit der Liebe holden Schranken,
Und was in schwankender Erscheinung schwebt,
Befestiget mit dauernden Gedanken!
Mephistopheles (allein):
Von Zeit zu Zeit seh ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Es ist gar hübsch von einem großen Herrn,
So menschlich mit dem Teufel selbst zu sprechen.
Johann Wolfgang Goethe, aus:
„Faust – Der Tragödie erster Teil“
••• Wenn Gott Wetten abschliesst annimmt… Wie angekündigt noch ein paar Assoziationen zum Thema Götterspiele.
Am 28. Februar 2007 um 04:14 Uhr
Gott schließt hier gar keine Wette ab! Da teilst Du den Irrtum Mephistos.
Am 28. Februar 2007 um 07:33 Uhr
Mephistopheles schlägt eine Wette vor und Gott schlägt sie nicht ab, also wird gewettet.
Ist schon seltsam, wenn man einen Text von Goethe liest ohne dass man sich den großen Goethe vorstellt, sondern ihn einfach nur liest, als Text, wird einem die größe dieses Dichters erst bewusst.
Am 28. Februar 2007 um 09:54 Uhr
Willkommen bonaventura. Und danke Hilbi. Ich war jetzt erstmal ganz verwirrt. Wieso wird da nicht gewettet? Nun – immerhin ist das Stichwort Götterspiele; und ein solches ist es sicher, wenn Gott sich auf den Plan von Mephisto einlässt. Aber ich korrigiere das mal ein wenig oben.
Am 24. März 2008 um 14:58 Uhr
Hallo zusammen,
Gott ist nicht auf die Wette eingegangen, dennoch lies er Mephistopheles gewähren.
Gott;
Hab ich wahrlich Faust verloren?,
durch die Wahl die ich dir gab,
ewig wird mein Knecht geboren,
selbst zum Ende als Er starb!
Mephistopheles;
Zog den Geist in tiefstem Land,
der da strebte vor sich hin,
nun Er Lebt, ist wohl bekannt,
durch das Werk was dir im Sinn,
Gott;
viele meiner Kinder streben,
sei dir dessen wohl bewusst,
werde ihnen Klarheit geben!
wenn auch wächst in dir die Frust.
Mephistopheles;
Verwirrung ist des meines Gut,
durch des Menschen´s eigner Wahl,
schließ Verträge stets mit Blut!
forme Leben so zur Qual.
Gott;
Du wirst verlieren, wenn die Zeit,
dich für Tausend Jahre sperrt,
nun Gewiss so sei bereit,
bald der Sohn der Söhne Ehrt.
Mephistopheles;
Bin ich auch in Fesseln still,
wird es nicht mein Ende sein,
einer kommt, der es so will,
erweckt erneut, ja Leid und Pein.
Gott;
Du bist der der Böses bringt,
wahrhaft gutes dringt hervor!
doch ein Chor am Ende singt,
schreitest Du druch´s lichte Tor,
dann es herrscht ein klares Bild,
was den Menschen noch verborgen,
Der Blinde sieht, die Seele stillt,
Wenn Er kommt, der Sohn am Morgen
caesar
Am 11. September 2010 um 22:14 Uhr
genau!;O)
voraussetzung für eine wette wäre, dass zwei parteien gleicher hierachrchie miteinander „wetten“. da gott aber (wie auch deutlich wird) über mephisto steht bzw. ihn als werkzeug benutzt, kann nicht von einer wette gesprochen werden. mephisto ist lediglich teil des plans gottes; mephi rafft das selbst aber nicht. schon im prolog im himmel wird deutlich, dass mephisto seine „wette“ gar nicht gewinnen kann! wenn man so will, führt gott mephisto hier hinters (gottes) licht; ziemlich gemein, wie ich finde
gruß m.
Am 1. Dezember 2010 um 18:54 Uhr
Eins verstehe ich nicht ganz und zwar die Bedingung, welche der Herr an Mephisto stellt:
Was ist mit der Bedingung gemeint, dass Mephisto als Teufel „nur frei erscheinen“ darf? Heisst das, dass Mephisto seine wahre Identität vor Faust nicht offenbaren darf, weil sonst die „Wette“ manipuliert würde? Dafür würde auch die Erklärung geliefert werden, warum Mephisto Faust sich so rätselhaft vorstellt.
Am 8. April 2011 um 19:34 Uhr
Bitte kleine Textkorrektur: Weiß doch der Gärtner, wenn das Bäumchen grünt,
Dass Blüt und Frucht die künft’gen Jahre zieren. (Dass mit 2 s statt einem s)
… und von den Apostrophen halten Sie wohl insgesamt nichts?
Am 8. April 2011 um 19:38 Uhr
ausserdem heisst es in der letzten Zeile: Befestiget, (nicht befestigt)
Am 22. April 2012 um 06:01 Uhr
Schade, das die zwei kleinen, aber wichtigen, Korrekturen (von jochen23) nach einem ganzen Jahr immer noch nicht gemacht worden sind. Der Dreckfehlerteufel kann durchaus den Sinn und den Rhythmus verändern. Und die gleichen Feeler sieht man jetzt auch auf andern Webseiten.
Am 22. April 2012 um 19:05 Uhr
Wie unaufmerksam. Ich habe die Korrekturen angebracht. Ihren Kommentar lasse ich unkorrigiert stehen. No pun intended!