Der Tod wird kommen und deine Augen haben,
der Tod, der uns begleitet
von morgens bis abends, schlaflos,
dumpf, wie ein alter Gewissensbiß
oder ein törichtes Laster. Und deine Augen
werden ein leeres Wort sein,
ein verschwiegener Schrei, ein Schweigen.
So siehst du sie jeden Morgen,
wenn du dich über dich neigst, mit dir allein
im Spiegel. O teuere Hoffnung,
an jenem Tage werden auch wir es wissen,
daß du das Leben bist und das Nichts.
Für alle hat der Tod einen Blick.
Der Tod wird kommen und deine Augen haben.
Das wird sein wie das Ablegen eines Lasters,
wie wenn man ein totes Gesicht
wieder auftauchen sieht im Spiegel,
oder auf eine verschlossene Lippe horcht.
Wir werden stumm in den Strudel steigen.
Cesare Pavese, geschrieben 1950,
wenige Wochen vor seinem Freitod
Nachdichtung: Oswalt von Nostitz
••• Von Cesare Pavese wird auf diesen Seiten noch häufiger die Rede sein. Kaum ein Dichter hat mich so stark beeinflusst wie er. Und das gilt für seine Gedichte ebenso wie für die Erzählungen und Kurzromane und die betrachtenden Überlegungen zur Poetik, die er in seinen Tagebüchern „Das Handwerk des Lebens“ anstellt.
Pavese ist für mich als Autor eine Liebe ohne Enttäuschungen. Wenn ich ehrlich bin, habe ich diese Liebe allerdings seit vielen Jahren nicht mehr auf die Probe gestellt. Abgesehen von den Gedichten, die mich immer begleitet haben, stehen die meisten seiner Werke schon lange unberührt im Regal. Vielleicht habe ich ein wenig Angst, dass seine Romane wie etwa „Junger Mond“ heute doch nicht mehr das gleiche Echo in mir auslösen würden wie zu jener Zeit, als ich sie zum ersten Mal las: mit 17. Und ist es nicht zu wahrscheinlich, dass meine Auffassungen zur Poetik von seinen heute deutlich abweichen? Aber spielt das für Zuneigung und Verehrung eine Rolle?
Zornig war ich, dass er das Leben nicht mehr ertragen konnte und gegangen ist, obwohl es doch für ihn sicher noch vieles zu sagen gegeben hätte.
Nicht Worte. Eine Geste. Ich werde nicht mehr schreiben.
So lautet die letzte Eintragung in seinem Tagebuch vom 17. August 1950. Nur zehn Tage später starb er in Turin an einer Überdosis Schlaftabletten.
Lyrik stand am Beginn seiner literarischen Produktion. Und auch am Ende seines Lebens standen Gedichte. Wer sich mit Pavese bekannt machen möchte, sollte mit den Gedichten beginnen. Wie am Anfang schon erwähnt: Auf diesen Seiten wird von ihm noch häufiger die Rede sein.
Am 24. Juni 2007 um 08:38 Uhr
[…] Recht kommen. Seit den ersten Tagen des Turmseglers habe ich das schon vor, doch bislang erst ein Gedicht von ihm […]
Am 25. Juni 2007 um 08:29 Uhr
[…] einmal alle Hoffnung in eine Liebe. Doch dieses Gedicht, das zum gleichen Zyklus gehört wie auch “Der Tod wird kommen und deine Augen haben”, entsteht ahnungsvoll bereits, bevor Constance zwei Wochen später “für zwei Monate”, […]