Der Tod ist groß.
Wir sind die Seinen,
lachenden Munds.
Wenn wir uns mitten im Leben meinen,
wagt er zu weinen
mitten in uns.
••• Da wir beim Thema sind… Heute lese ich einen Essay von Rabbiner Maurice Lamm über Sterbebegleitung. Und was lese ich da?
Während die Stunde der Dämmerung in der äusseren Natur leuchtende und unvergessliche Szenen hervorbringt, ist sie bei den Menschen meist grau und bleich, ein Dunst, der von der aufkommenden Finsternis verschluckt wird. Dies müsste nicht so sein. Nach dem anfänglichen Trauma sollte das Sterben als eine Stille empfunden werden, eine gelassene Heiterkeit, ein Zusammenkommen aller Ereignisse des Lebens, ein Schlussstrich, der alles zusammenfasst, ein bisher nicht gekannter Friede. Der unablässige Druck, „es zu schaffen“, der Drang nach immer mehr Besitz entfallen. Nun gibt es keinen Ruhm mehr zu ernten, keine unerreichbaren Ziele mehr zu erreichen, keine kleinlichen Machtpositionen mehr zu ergattern. Kein berühmtes Vorbild muss mehr nachgeahmt, niemand mehr beeindruckt werden. Keine Spiele sind mehr zu spielen. […] Der Patient am Lebensende kann sich endlich loslösen von allem, was nicht mehr unmittelbar zu seinem eigenen Selbst gehört. Er kann lieben, wen er lieben möchte, es gibt keine Hintergedanken mehr. Er ist allein mit seinem Sinn und seiner Seele, mit seinen Erinnerungen, seinem Glauben und seinen Werten. […] Es mag das erste Mal sein, dass er es sich leisten kann, in Reinheit und in völliger Aufrichtigkeit mit seinem eigenen Selbst zu leben.
Der Gedanke lohnt, ob dieser Zustand nicht auch zu erreichen wäre, bevor wir dem Tod ins Auge schauen müssen. Das wäre ein Leben.
Am 19. Februar 2007 um 16:25 Uhr
Der Tod ist groß
Wir sind die Seinen,
unfassbar dieser Rilke, unfassbar und unanstastbar…dafür
muss man ihn lieben
Am 19. Februar 2007 um 18:59 Uhr
Das ist wohl so. – Zwei ketzerische Fragen haben mich heute aber doch beschlichen bei diesen Zeilen: Wieso eigentlichen „weinen“? Und worin besteht das Wagnis?
Am 19. Februar 2007 um 20:39 Uhr
Wenn der Tod lacht, weint er auch, das könnte logisch sein. Aber der Tod ist nicht logisch und weinen und lachen auch nicht….
Am 19. Februar 2007 um 20:40 Uhr
vielleicht liegt das Wagnis darin das wir es sehen können und Rilke hat ihn gesehen und deshalb…“wagnis“
Am 19. Februar 2007 um 20:45 Uhr
Das gefällt mir: Dass wir ihn sehen könnten… Mitten im Leben, würde das dem Tod seine Sache schwerer machen? Oder nur uns das Vergnügen am Leben trüben? Lauter Fragen heute…
Am 19. Februar 2007 um 20:54 Uhr
Es gibt eine „wahre“ Geschichte aus Sarajevo die mir dazu einfällt, vielleicht passt sie, vielleicht passt sie nicht.
Ein paar Menschen dort standen um Wasser an, dazu noch mit der Angst beschossen zu werden, der Tod hatte in Sarajevo ein leichtes Spiel. Leicht, leicht, wars den Menschen als sie einen alten Mann an der Wand angelehnt sahen, er war einfach gestorben, ihn hatte der Tod angelächelt, um die anderen würde er weinen.
Am 19. Februar 2007 um 20:58 Uhr
Danke für die Geschichte. Das versöhnt mich jetzt mit vielen kommentarlosen Tagen. Wir sollten viel mehr plaudern hier… Wünsche Dir noch einen schönen Abend.