Der diplomatische Part

5. Oktober 2016

Hotel Alvear Palace Buenos Aires
Hotel Alvear Palace Buenos Aires

••• Der gestrige Tag war vollgepackt mit Terminen. Das Filba-Festival ist beendet. Gestern war ich unterwegs auf diplomatischen Wegen, und diese Formulierung ist nur ein wenig übertrieben. Nachdem ich vormittags hier berichtet habe, wurde ich gegen Mittag zum Alvear Palace Hotel gebracht, um dort am Empfang des deutschen Botschafters Bernhard Graf von Waldersee teilzunehmen, den dieser aus Anlass des Tages der deutschen Einheit gab. Für gewöhnlich findet dieser Empfang jährlich im Garten der Botschaft statt. Da diese jedoch zur Zeit grundsaniert wird, hatte ich Gelegenheit, den Festsaal des sicherlich imposantesten Hotels in Buenos Aires kennenzulernen.

Ich fand es unangemessen, an Ort und Stelle zu fotografieren. Ich glaube, das Protokoll verbietet so etwas auch. Aber ich habe Fotos gefunden, die das Hotel und sogar das Buffet so zeigen, wie auch ich es erlebt habe.

Hotel Alvear Palace Buenos Aires
Hotel Alvear Palace Buenos Aires

Das Essen war hervorragend, die Gesellschaft außerordentlich angenehm. Irgendwann wurden die argentinische und die deutsche Hymne gespielt – zum Mitsingen, versteht sich. Der Botschafter redete publikumsorientiert maximal fünf Minuten. Ich hatte mir zuvor Gedanken über die Kleiderordnung gemacht, und dann tauchte einer der Botschaftsmitarbeiter in bayrischen Krachledernen, Wadlnstrümpf und Karohemd auf! Auf dem Empfang wurde ich auch mit Prof. Michael Röhrig, dem Direktor der deutschen Pestalozzi-Schule in Buenos Aires bekannt gemacht. Ein Botschaftswagen »flog« uns im Anschluss durch den wahnwitzigen Verkehr von Buenos Aires zur Pestalozzi-Schule.

Hotel Alvear Palace Buenos Aires
Hotel Alvear Palace Buenos Aires

Gegründet wurde diese nach der »Gleichschaltung« der deutschen Auslandsschulen und besucht dementsprechend von all jenen deutschen Kindern, deren Eltern aus Deutschland hatten fliehen müssen: Juden, Kommunisten, Sozialdemokraten, Homosexuelle, Dissidenten jeglicher Herkunft. Unterrichtet wird an der Schule heute noch zu etwa 40% in Deutsch. Die Schüler haben die Möglichkeit, ein internationales Abitur zu machen, was ihnen allerdings Abschlussprüfungen in drei Sprachen abverlangt.

Einen Plan für das Zusammentreffen mit den Schülern gab es nicht, aber wir haben uns blendend unterhalten. Ich habe über meinen Besuch in Chile berichtet und darüber, warum es mir so wichtig war, dorthin zu reisen. Wir sprachen über sozialistische Experimente, meine Schreibanfänge in der DDR, natürlich auch meine Bücher. Vor allem von »Replay« war die Rede, denn nach wie vor halte ich das »Replay«-Thema für so wichtig, dass man es in einer Schule einfach anschneiden muss. Auch den argentinischen Schülern war nicht klar, womit Firmen wie Facebook ihr Geld verdienen und warum es so viel ist und was die bereitwillige Preisgabe unserer Privatsphäre für Gefahren in Bezug auf die Freiheit birgt. Wir haben uns verplaudert, und ich bin am Ende etwas länger geblieben, als eigentlich vorgesehen war.

Lesung und Gespräch im Goethe-Institut Buenos Aires
Lesung und Gespräch im Goethe-Institut Buenos Aires, mit Martina Fernández Polcouch und Moderator Damian Tabarovsky

Nach einer kurzen Pause ging es weiter zum Goethe-Institut. Die Niederlassung in Argentinien gehört zu den größeren Häusern des Instituts und liegt in einem sehr großstädtischen Bezirk von Buenos Aires. Die Lesung fand in der Bibliothek statt. Adriana Hidalgo und Fabián Lebenglik vom Verlag waren auch gekommen, was mich besonders gefreut hat. Gelesen habe ich nur zwei Minuten auf deutsch. Carla Natalia Imbrogno vom Goethe-Institut las aus der spanischen Übersetzung die Koffer-Szene aus dem ersten Wechsler-Kapitel. Den größten Teil des Abends aber nahm das Gespräch ein. Moderator Damian Tabarovsky wartete mit sehr interessanten Fragen auf. Wir machten Ausflüge in die Politik, zur Psychoanalyse, zu Hypnosetherapie, der Rolle vom Empathie im künstlerischen Prozess und und und. Martina musste einmal mehr hart arbeiten, um alles zu übersetzen. Dann wurde das Gespräch auch noch für Publikumsfragen geöffnet. Ein gelungener Abend, denke ich. Und er war mit der Veranstaltung noch nicht vorbei.

Das Auswärtige Amt organisiert in Zusammenarbeit mit der UNESCO ein Programm, das sogenannte Kulturfreiwillige, sehr junge Volontäre aus Deutschland, in kulturelle Einrichtungen rund um die Welt schickt. Ich habe vier von ihnen hier kennengelernt. Jan Felix und Joschua haben Carla Natalia und mich dann noch zum Essen begleitet. Es ist sehr spät geworden. Natürlich ist das UNESCO-Programm eine Möglichkeit, ein erstes Mal in den diplomatischen Dienst hineinzuschnuppern und das in einem Alter, in dem man sich für diesen Dienst noch lange nicht bewerben kann. Wenn Leute wie diese beiden jungen Männer unsere künftigen Vertreter im Ausland werden sollen, ist mir nicht bange. Sie werden ihren Weg machen und sie werden ihn gut machen. Es war ein sehr offenes, interessantes Gespräch. Und so war der Tag erst deutlich nach Mitternacht zu Ende.

Heute nun muss ich die Koffer wieder packen. Am frühen Nachmittag steht noch ein Besuch bei der jüdischen Schule Tarbut aus. Später am Abend geht dann der Flug nach Madrid. Vierundzwanzig Stunden werde ich von Tür zu Tür unterwegs sein.

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