Amerikaner in Paris

12. Dezember 2012

Shakespeare & Co. Bookstore Paris
George Whitmans »Shakespeare & Co. Bookstore« in Paris

Among the visions which my fancies trace
There was one brightest star, one face –
One image from afar filled with syruped grace

Each poem is her heart’s fantasy
Each flower and tree is framed within her memory
Each dream, each midnight, and each dawn
Are garments, thoughts of her put on

Each beam of light from the imperial blue
With her in falls the good
The beautiful
The true

George Whitman (1913-2011)

••• Vor fast genau einem Jahr ist der legendäre Besitzer des legendären Buchladens »Shakespeare & Company« in Paris – George Whitman – gestorben. Geboren in den USA, siedelte er nach Paris über und lernte dort Sylvia Beach kennen, die in der Rue de l’Odéon unter dem Namen »Shakespeare & Company« einen Buchladen ganz besonderer Art betrieb. Spezialisiert auf englischsprachige Literatur, war der Laden nicht nur Geschäft, sondern auch Leihbibliothek und Lesebühne für heutige Berühmtheiten, die damals noch weniger bekannt waren. Whitman gefiel die Idee so sehr, dass er 1951 nach dem Vorbild in der Rue de la Bûcherie einen eignen Laden unter dem Namen »Le Mistral« eröffnete. Der Name bezog sich nicht auf Gabriela Mistral, sondern, glaubt man der Kolportage, auf Whitmans erste Pariser Freundin.

Vom ersten Tag an gestattete Whitman Reisenden, vor allem jungen Schriftstellern und anderen Künstlern, in den Räumen des Geschäfts zu übernachten. Als Gegenleistung wurde erwartet, dass die Gäste wenige Stunden im Geschäft beim Verkaufen, beim Sortieren von Büchern, Bauen von Regalen oder ähnlichem halfen. Dafür gab es dann neben der Unterkunft auch noch ein Pancake-Frühstück, von Whitman höchstselbst zubereitet.

Sylvia Beach liebte den Laden und vererbte Whitman 1962 nicht nur den Löwenanteil ihrer privaten Bibliothek, sondern auch den Namen »Shakespeare & Company«. Seither firmiert Whitmans Laden unter diesem Label.

Unter dem poetischen Titel »Portrait of a Bookstore as an Old Man« drehten Gonzague Pichelin und Benjamin Sutherland 2007 für The Sundance Channel eine Reportage über Whitman und seine Bücherhöhle. Sehen kann man ihn unter erschwerten Bedingungen (in Teilen) auf Youtube.

Das obige Gedicht zitiert Whitman gegen Ende dieses Films in einer Szene, in der er sich mit einer Kerze die Haare schneidet. Richtig: Er fackelt sie ab und zitiert dabei dieses Gedicht. Wenn wir in diesem Alter nur halb so cool (und poetisch!) drauf wären…


Ausschnitt aus: »Portrait of a Bookstore as an Old Man«

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