In New York

25. Oktober 2012

New York China Town
New York China Town

••• Seit unserer Rückkehr aus Rochester nach New York sind wir kaum zum Durchatmen gekommen. Ich bin wieder im Sohotoel an der Ecke Bowery und Broome St. untergebracht, eigentlich Lower East Side, aber, wenn man sich umschaut, unterdessen eingemeindet in China Town. Ich mag die Gegend. Neben den unzähligen Lebensmittelgeschäften finden sich in vielen Häusern schmale Treppeneingänge zu Souterrain-Läden, in denen man jede Art von (vor allem Fuß-) Massagen bekommen kann. Ich wollte mir das eigentlich nicht entgehen lassen. Monique Truong wies mich freundlicherweise darauf hin, dass ich merkwürdige Fragen gegen Ende der Massage grundsätzlich mit Nein beantworten solle … Nun, ich hatte Hemmungen, mich da hinein zu wagen. Es wäre jetzt auch gar keine Zeit gewesen.

Brian Zumhagen vor dem Deutschen Haus in New York
Brian Zumhagen vor dem Deutschen Haus in New York

Vorgestern fand die Lesung im Deutschen Haus, Washington Mews, statt. Es war voll. Blake Eskin, der seinerzeit selbst ein Buch über den Wilkomirski-Fall geschrieben hat, gab den Moderator. Ich teilte mir diesmal die Lesung mit Brian. Ich las Zichroni, Brian las Wechsler. Die Aufnahme des Buches hier in den USA ist so anders als in Deutschland. Das mag an den vielen jüdischen Lesern liegen. Hier kreisen die Fragen auf den Lesungen explizit um das Thema jüdischer Identität, um Fragen der Ideologisierung der Shoah-Erinnerungen. Ich bin darüber sehr glücklich.

Die Debatte nach der Lesung war wieder sehr lebendig und setzte sich auch auf der Launch-Party in der KGB Bar fort. Besonders gefreut habe ich mich, dass Monique Truong kommen konnte, ein schönes Wiedersehen nach den gemeinsamen Midsummer-Tagen dieses Jahr in Finnland, das wir gestern dann auch noch bei einem Dinner in Brooklyn gefeiert haben.

Gestern sind wir noch einmal ins Deutsche Haus zurückgekehrt. Eine Gruppe von Studenten der Yale University war dorthin gekommen, um auf Deutsch mit Brian und mir über das Buch, Übersetzungs- und Gestaltungsfragen zu sprechen. Zwei Stunden dauerte das Seminar. Ich war erstaunt und erfreut, wie gut die Studenten Deutsch verstanden und sprachen. Sie alle lernen Deutsch im Nebenfach, einige erst im ersten Jahr. Wir haben den Wechsler-Anfang auf Englisch und zum Vergleich dann auf Deutsch gelesen und diverse Passagen aus dem Buch präsentiert, die Brian bei der Übersetzung Schwierigkeiten bereitet haben.

Mit Martin Rauchbauer, Direktor des Deutschen Hauses in New York
Mit Martin Rauchbauer, Direktor des Deutschen Hauses in New York

Heute nun kommmt es ganz dicke. Den ersten Termin haben wir schon absolviert. Morgens um 9 waren wir im Leo Baeck Institute, um das Buch kurz im Gespräch mit Mitarbeitern vorzustellen. Es scheint, als würde »The Canvas« sehr die Interessen der hiesigen Leserschaft treffen, die an jüdischem Leben in Deutschland sehr interessiert ist, an Fragen von Erinnerung und Identität, wie oben schon geschrieben, ohnehin. Mal sehen, was daraus wird, wenn die Leute das Buch erst einmal gelesen haben.

KGB Bar, 85 East 4th Street, New York
KGB Bar, 85 East 4th Street, New York

Im Moment sitze ich im Appartment von Brians wunderbarer (und cooler!) Mutter Pat. Brian und ihr ist die Organisation des Großteils der Events hier zu verdanken. In wenigen Minuten müssen wir schon wieder aufbrechen. Wir werden zu Gast sein in der Radio Show von Leonard Lopate auf WNYC. Brian ist ein wenig nervös, vielleicht weil WNYC ja sein Sender ist und er nun unter Kollegen plötzlich vom Moderator in die Rolle des Gastes schlüpft. Grund besteht dazu nicht. Wir sind ein eingespieltes Team. Ich glaube, das konnte man im Tablet Podcast hören. Ich kann mir kaum Fragen denken, die wir auf unserer Tour nicht schon beantwortet hätten. Es wird schon alles gut gehen.

Im Anschluss daran müssen wir zum Columbia University Bookstore flitzen für die Lesung dort. Danach fahren Pat, Brian und ich mit dem Auto nach Boston für die Lesung an der Harvard University. Auch in Boston sollten wir eine Radio Show bestreiten. Das hat leider nicht geklappt. Der Moderator fand »The Canvas« zu kompliziert. Es ist das erste Mal hier in den USA, dass ich das von jemandem gehört habe …

Wie auch immer – es mangelt ja nicht an Terminen und Begegnungen. Und man kann schließlich auch noch mal wiederkommen.

2 Reaktionen zu “In New York”

  1. Dorit

    Mensch‘, ist ja ordentlich was los da bei Dir / Euch… :-) – Sage mal, hast Du gar kein Lampenfieber / Berührungsängste oder so was…? – Studenten z.B. stellen doch bestimmt viele, viele neugierige und knifflige Fragen…?

    Sag‘ mal, die KGB-Bar wird jetzt aber nicht vom entsprechenden Nachrichtendienst gesponsert…?

    Liebe Grüße, und Danke für die Live-Berichtung… :-)

  2. La Toile bei Gallimard › Turmsegler

    […] Ich habe es schon vor Wochen erfahren, während ich in New York war, und als ich die Nachricht las, musste ich schon ein paar Freudentränen verdrücken. Unter […]

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