Giacomo Joyce

5. September 2012

Giacomo Joyce - Faksimile

••• Alban Nikolai Herbst und Helmut Schulze verdanke ich diverse Inspirationen. Auf ihre Weblogs – Herbsts »Dschungel. Anderswelt« und Schulzes »parallalie« – wurde hier schon öfters Bezug genommen. Umso mehr freut es mich, dass beide sich seit kurzem gemeinsam einem literarischen Vorhaben verschrieben haben, dessen Fortschritt man in ANHs Weblog live mitverfolgen kann.

Die Rede ist von einer Neuübersetzung des »Giacomo Joyce« von James Joyce.

Wir beginnen nunmehr ein neues Netz-Projekt: nämlich die Neuübersetzung von James Joyce‘ frühen Aufzeichnungen „Giacomo Joyce“, worin in poetischer Prosa seine durchaus begehrenden Liebesgefühle zu einer seiner sehr jungen Triester Schülerinnen erzählt sind. Bislang liegt davon auf Deutsch allein die freilich sehr kluge Übersetzung Klaus Reicherts vor, die aber zum einen das Schicksal fast aller Übersetzungen teilt: nämlich daß sie altern. Zum anderen, und das finde ich zwingender, geht Reicherts genaue Texttreue, jedenfalls für meinen Geschmack, auf Kosten der so drängenden wie schwärmenden Männlichkeit des erotischen Gefühls, das Joyce damals getrieben zu haben scheint. Dieses möchte ich gerne, zusammen mit dem Übersetzer und Lyriker Helmut Schulze, deutlicher herausformen – auch wenn das bedeutet, ein stückweit die semantische Texttreue zugunsten einer des libidinösen Empfindens aufzugeben.

Täglich, so der Plan, wollen beide Autoren eine Passage des Werkes übertragen, wobei die Fassungen – zumeist kommentiert – einander gegenübergestellt werden. Dieses Projekt ist in mehrerlei Hinsicht interessant. Zum einen erhält man so Einblick in die Kunst der Nachdichtung, denn die hochpoetische Vorlage erfordert weit mehr als interlineare Sprachübertragung. Zum anderen lassen die Übersetzer uns Leser teilhaben an ihren Gedankengängen, Text-»Erfühlungen« und damit der Genese bestimmter Übertragungsvarianten. Es erübrigt sich beinahe zu erwähnen, dass die Passagen zum Teil von den beiden sehr unterschiedlich übertragen werden. Sehr deutlich wird, dass gerade die Intention, bestimmte Aspekte des Textes herauszuarbeiten (allein dies eine bewusste Entscheidung), maßgeblich die letztendliche Form der Übertragung bestimmt.

Konzipiert ist das Projekt ausdrücklich als öffentliche Netzarbeit. An eine spätere Buchpublikation ist gedacht, wobei sich noch die Frage stellt, wie diese aussehen könnte: Werden sich die Übersetzer auf eine gemeinsame Fassung einigen, oder könnten auch in einer Buchpublikation die unterschiedlichen Fassungen zum vergleichenden Lesen angeboten werden?

Auf jeden Fall verdient das Projekt die Aufmerksamkeit der Leser und insbesondere von Übersetzern und Autoren. Man hat nicht oft Gelegenheit, gemeinsame Textarbeit so nah mitverfolgen zu dürfen. Das Projekt kann in der »Dschungel« unter der Rubrik »Giacomo Joyce« begleitet werden. Einen eigenen RSS-Feed gibt es auch. bzw. eine Abo-Möglichkeit der Rubrik per Mail gibt es leider derzeit nicht.

2 Reaktionen zu “Giacomo Joyce”

  1. WT

    Es gibt doch einen Feed hier der Link.

  2. Benjamin Stein

    Danke für den Hinweis. Ich habe es oben angemerkt.

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