Die »Replay«-Technologie verspricht die ungeheure Intensivierung sexueller Erfahrung durch Rückkoppelungs- und Verdoppelungseffekte, aber was Ed Rosen über die Sexspiele mit seiner Freundin (und Physio-Trainerin) Katelyn und zu dritt mit einer Asiatin berichtet, bleibt vollkommen innerhalb der sprachlichen Konvention eines gängigen realistischen Softpornos. Nicht nur in der Darstellung der Herrschaft Pans bleibt die Rollenprosa des Ich-Erzählers hinter seinen technologischen Innovationen beträchtlich zurück. Man begreift rasch, dass er jedes neue Level des »Replay« so gleichmütig-affirmativ betritt, damit der Leser an seiner Stelle zum Kritiker der totalitären Gefahr wird – aber für den ästhetischen Reiz des Romans wäre einiges gewonnen gewesen, wenn Benjamin Stein ihm mehr euphorisch-diabolische Sprachkraft gegeben hätte. Dass dieser Ed Rosen übrigens gelegentlich seine jüdische Herkunft und Identität hervorkehrt, bleibt ein müßiges Spiel. Es bringt den Helden etwas markenzeichenhaft der Website seines Autors näher, ohne dass der Roman viel davon hätte.
Lothar Müller in der »Süddeutschen Zeitung« v. 27.08.2012
••• Nach sieben Monaten nimmt die »Süddeutsche Zeitung« heute im Feuilleton »Replay« zur Kenntnis, wenn auch nicht wirklich wahr.
Die Asiatin hat einen Namen, nämlich Lian, weil man nicht nur Sex, sondern eine Beziehung zu dritt hat, mit deren Scheitern Rosens schleifenhaftes Driften in den eigenen Replays ursächlich zusammenhängt. Dass Rosens jüdische Herkunft, namentlich sein missglückter Bar-Mitzwa-Unterricht — von beidem distanziert er sich vehement — eine wesentliche literarische Funktion für den Roman hat, ist dem Rezensenten ebenfalls entgangen. Zu schade. Das Sheol-Gleichnis in der Exposition, das zum Schluss wieder aufgenommen wird, öffnet den Assoziationsraum für Rosens Replays und ist verantwortlich dafür, dass sich der Erzähler in Pan gerade den antagonistischen Widerpart zur jüdischen Tradition als Gefährten erwählt.
Ob es nicht schließlich doch einen spürbaren Unterschied gibt zwischen »gängigen realistischen Softpornos« und explizit, aber literarisch gestalteten Schilderungen von Sexualität – davon schließlich sollten sich die Leser/innen selbst überzeugen.
Am 27. August 2012 um 10:52 Uhr
Goethe wird der Satz zugeschrieben, man solle einem Kritiker nur antworten, wenn der behauptet, man habe ein Dutzend silberner Löffel gestohlen. Ist vielleicht nicht in jedem Fall ganz korrekt, aber wahrscheinlich ein guter Punkt zur Kalibrierung.
Am 27. August 2012 um 10:56 Uhr
Das Zitat ist mir bekannt, und ich habe es selbst schon gebraucht. Herr Müller greift hier aber – so verstehe ich es – persönlich an und mit kräftigem Vokabular. Da sei eine ebenso persönliche Erwiderung in aller Kürze gestattet. Lesen, denken, dann rezensieren. Herr Müller verfügt über die intellektuellen Fähigkeiten. Er sollte sich auch die Zeit nehmen und die Mühe machen, sie zu nutzen.
Am 27. August 2012 um 11:07 Uhr
Nur so en passant: Es ist wahrscheinlich kein Zitat, sondern nur eine Zuschreibung; ich wenigstens habe bislang keinen Nachweis finden können.