Takasago Dayu, Kabuki Renshujo Theater, Shimabara (1983), Gelatin Silver, 25×25 cm
••• Beinahe hätte ich es vergessen. Es ist ja hier noch über eine Foto-Ausstellung zu berichten, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Am 12. April war ich auf der Vernissage zu Gast und konnte den Künstler persönlich kennenlernen. Noch bis zum 16. Juni zeigt die Micheko Galerie in der Münchner Theresienstraße eine kleine Auswahl aus dem Schaffen des japanischen Fotografen Toshio Enomoto.
Die Galerie wurde im Februar 2010 von Keiko Tanaka und Michele Vitucci gegründet. Der Fokus der Galerie liegt auf zeitgenössischer Kunst aus Japan und Südkorea. Micheko bringt japanische und südkoreanische Künstler meistens zum ersten Mal nach Europa. Konzept, Kontext, Kontinuität, Technik und Potential für die Zukunft sind essentielle Kriterien bei der Auswahl der Künstler.
Toshio Enomoto ist in Japan sehr bekannt, sein bisheriges Werk in vielen, in Japan sehr beliebten und verbreiteten Foto-Büchern, schon lange einem breiteren Publikum vertraut. Der 1947 in Tokio geborene Toshio Enomoto steht ganz in der Tradition der japanischen Nachkriegsfotografie mit seinen prominenten Vertretern wie Shomei Tomatsu oder Imei Suda. Er fotografiert schwarz/weiß und nach wie vor auf Silberplatten, was auch das quadratische Format seiner Bilder erklärt. Unendliche Geduld muss zu seinen Werkzeugen gehören: Warten auf den richtigen Augenblick, der aus Motiv, Licht und Bewegung besteht. Diese Kombination macht die besondere Faszination von Enomotos Arbeiten aus.
Takizakura, Over a thousand and a few years old, Miharu Fukushima (1998), Gelatin Silver, 25×25 cm
Enomotos besonderes Interesse gilt neben Porträts Naturmotiven: Parkszenen, Landschaften und insbesondere die Kirschblüte. Stellt man sich unbedarft Fotos der blühender Kirschbäume vor, steht einem sofort das Warnsignal »KITSCH!« vor Augen. Enomotos »Hanami«-Fotos sind von Kitsch so weit entfernt, wie es nur geht. Allein die Beschränkung auf die Schwarz/Weiß-Fotografie wirkt wie ein Kontextwechsel. Dass diese Fotos so berühren, liegt aber vor allem an Enomotos Blick und dass sich in dem, was er sieht und über das Foto uns sehen lässt, Anschauung transportiert: Was eigentlich ist wichtig, was ist schön? Was bedeuten die Dinge, die wir sehen? Dass für den Japaner Enomoto ganz offenbar andere Dinge »wesentlich« sind als für uns europäische Betrachter seiner Fotos, wird sehr deutlich in der Wahl des Bildausschnitts und in der Wahl der Motive, die Enomoto für den Betrachter in den Fokus rückt.
Michele Vitucci beschrieb dies in seiner Begrüßung auf der Vernissage sehr treffend:
Gerade in den Sakura-Motiven seiner Serie »Kagirohi«, was sich grob mit »Licht kurz vor dem Sonnenaufgang« übersetzen lässt, zeigt sich der Gegensatz in der Sichtweise japanischer und westlicher Betrachter. Unser westliches Auge deutet die Kirschblüte als Zeichen der Neugeburt, des Aufwachens der Natur nach einem langen Winter. Wir erfreuen uns am Aufblühen der Kirschbäume und der restlichen Pflanzenwelt und wünschen uns einen möglichst langen, warmen und sonnigen Frühling. Japaner hingegen zelebrieren mit dem »Hanami«, dem Betrachten des Fallens der Kirschblüten, die Vergänglichkeit, die Schönheit der weiß bis zartrosa schimmernden Blütenblätter im Fall. Neuanfang gegen Vergänglichkeit, zwei Sichtweisen desselben Naturschauspiels.
Besonders faszinierend war für mich, wie es Enomoto gelingt, auf seinen Silberplatten nicht nur filigranste Strukturen, sondern auch Bewegung einzufangen. Seine Bilder sind selten statisch. Man fühlt geradezu den Windzug, der durch die Kirschblüten streift, und man hört das Geräusch des aus der Kelle fließenden Wassers. Ich fühlte mich an cummings erinnert, an sein Gedicht über das fallende Blatt. Wie cummings in diesem Gedicht gelingt auch Enomoto in seinen Fotos die Vermittlung einer Fülle von Sinneseindrücken in einem Medium, das diese eigentlich nicht wiedergeben kann. Eigentlich. Dass es dennoch gelingt, zeigt den Künstler.
Edo-Higan, Cherry blossoms in Eisanji, Sukagawa (2004), Gelatin Silver, 25×25 cm
Die Bilder in diesem Beitrag können nur einen ungefähren Eindruck von den Originalen vermitteln. Man sollte es sich nicht entgehen lassen, diese Fotos im 25×25 cm großen Original zu betrachten. Die Ausstellung ist noch bis 16. Juni zu sehen. Die Galerie in der Theresienstraße 18 ist Dienstag bis Freitag jeweils von 15:00 Uhr bis 20:00 Uhr, am Samstag von 11:00 Uhr bis 16:00 Uhr geöffnet.