Peter Finkelgruen auf biographischer Spurensuche in Shanghai
••• Peter Finkelgruen – Journalist, Publizist, Aktivist und Schriftsteller – wird am morgigen 9. März 70 Jahre alt. Kennengelernt habe ich ihn vor etwa zwei Jahren als streitbaren, ausnehmend sympathischen Herrn am Rande mehrerer Treffen des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland (früher Exil-PEN). Dass jemand wie Finkelgruen sich für die Identitätsprobleme der Protagonisten in der »Leinwand« sehr interessierte, war kein Wunder. Er selbst hat Identitätskrisen und auch -wandel hinter sich, wie man sie niemandem wünscht. Geboren als Kind von Shoah-Flüchtlingen in Shanghai führte ihn sein Weg über die Tschechei und Israel schließlich wieder nach Deutschland. Dem jüdischen Vater war die Flucht nach Shanghai nicht mehr gelungen. Er kam um. Die Mutter, selbst nicht jüdisch, doch wegen ihrer ungebrochenen Solidarität mit ihrem Ehemann der gleichen Verfolgung und KZ-Haft ausgesetzt, schaffte es nach Shanghai – schwanger, das »Andenken«, wie sie den Sohn gelegentlich nannte, dabei.
Der Lebensweg dieser Entwurzelten führte durch viele Länder und Sprachen. Eine Heimat wollte sich nicht finden, so etwas wie »gesicherte Identität« ebenfalls nicht. Peter Finkelgruen hat nach seiner journalistischen Tätigkeit – u. a. als Israel-Korrespondent der Deutschen Welle – mehrere Bücher vorgelegt, darunter zwei autobiographische Skizzen und einen Bericht über seinen zehn Jahre andauernden Kampf um die verspätete Anklage und Verurteilung des SS-Mannes Anton Malloth, der Finkelgruens Großvater im KZ Theresienstadt zu Tode geprügelt hatte und trotz diverser brutaler Morde unbehelligt in der BRD lebte. Erst im Mai 2001 wurde Malloth schließlich vom Landgericht München wegen Mordes und versuchten Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Verurteilt wurde er – so Finkelgruen in seinem Bericht »Haus Deutschland oder Die Geschichte eines ungesühnten Mordes« – wegen »drei von hundert Morden, die Anton Malloth begangen hat (…) Der Fall meines Großvaters Martin Finkelgruen war nicht einer der Fälle, die zur Verhandlung anstanden.«
Dass es einen ungeheuren Identitätsbruch bedeutete, als Finkelgruen bei weiteren biographischen Recherchen herausfand, dass seine Familie – christliche Mütter und jüdische Väter – nicht nur aus Opfern bestanden hatte, kann nicht verwundern. Der Sohn seiner Großmutter war bei Kriegsende, im Mai 1945, auf dem Marktplatz der Kleinstadt Kaaden (Böhmen) erschossen worden. Da trug er eine schwarze SS-Uniform. Dieses Geheimnis wurde sehr spät erst gelüftet. Was es für Finkelgruen bedeutete, beschreibt er in seinem Buch »Erlkönigs Reich. Die Geschichte einer Täuschung«.
Anlässlich seines runden Geburtstags sind einige Würdigungen erschienen. Unbedingt lesenswert – neben Finkelgruens Berichten selbst – ist die biographische Skizze »Keine Heimat. Nirgends« von Roland Kaufhold, die vor einigen Tagen bei haGalil online gestellt wurde und in der Kaufhold einen Einblick gibt in die verschlungenen Wege dieser spannenden Biographie.
Zum 70. alles Gute, Gesundheit und weiter viel Kraft an Dich, lieber Peter. Und natürlich weiter viel kreative Lust und Power und – viele Leser!
Peter Finkelgruen zum 70. Geburtstag
Am 8. März 2012 um 22:08 Uhr
Ein gut geschriebener, einfühlsamer Beitrag. Den haGalil-Einführungsbeitrag zum großen haGalil-Themenscherpunkt für Peter Finkelgruen, anlässlich seines 70. erstellt, findet man »» hier.
Am 9. März 2012 um 00:44 Uhr
dies ist ja eine gar nicht genug zu würdigende leistung
hut ab
respektvolle grüße
konrad klesse
Am 12. Januar 2014 um 12:47 Uhr
[…] Peter Finkelgruen («Haus Deutschland oder die Geschichte eines ungesühnten Mordes, Berlin 1992») findet sich der […]