Reden wir mal über eBooks und Geld

24. Februar 2012

••• Via Twitter fragte neulich [ˈziːmɔn plaɪ̯kiːs] (aka @eukalyp):

@Turmsegler Bekommt ein Autor eigentlich mehr Geld vom Verkauf eines eBooks als vom Verkauf eines gedruckten Buches (Material, Druck etc)?

Das ist eine in mehrerlei Hinsicht interessante Frage, denn in ihr steckt bereits eine Annahme, die so ohne weiteres nicht ganz richtig ist. Ich musste mich selbst erst einmal bei meiner Agentin und anderen Quellen unterrichten.

Grundsätzlich sind alle Honorarfragen Verhandlungssache zwischen Autor bzw. dessen Agentur und dem Verlag. Es gibt allerdings so etwas wie einen Branchen-Usus, also typische Abrechnungsmodelle und Beteiligungshöhen. Die Modelle hängen von den gesetzlichen Rahmenbedingungen des Buchhandels ab, namentlich von der Buchpreisbindung. Üblich ist in Deutschland (und anderen Ländern mit Buchpreisbindung) eine Verkaufsbeteiligung pro Buch als Prozentsatz vom Netto-Ladenverkaufspreis. Für den Autor ist damit der Erlös pro verkauftem Buch fix. Muss der Verlag bestimmten Großanbietern wie etwa Amazon einen günstigeren Einkauf bieten, geht die Einbuße zu Lasten des Verlages. In Ländern ohne Buchpreisbindung erhält der Autor hingegen in der Regel einen bestimmten Prozentsatz vom Handelsabgabepreis, dem Preis also, zu dem der Buchhandel ein Buch vom Verlag einkauft. Gewährt der Buchhändler dann dem Endkunden Rabatte, geht dies zu seinen Lasten, nicht jedoch zu Lasten des Autors. Man kann (und sollte) in solchen Fällen den Handelsabgabepreis vertraglich festhalten, so dass auch dann, wenn der Verlag bestimmten Händlern einen niedrigeren Einkaufspreis anbieten muss, der Autor dadurch keinen Schaden hat.

Nehmen wir ein Beispiel: Kostet ein Buch hier in Deutschland im Laden 10,- EUR, liegt der Nettoladenverkaufspreis bei 8,40 EUR. Davon erhält der Autor je nach Verhandlungsgeschick zwischen 7 und 14 Prozent, möglicherweise gestaffelt nach Verkaufserfolg, also bspw. beginnend bei 10 Prozent bis zum 10. Tausend, 12 Prozent bis zum 20. Tausend und 14 Prozent ab dem 20. Tausend. Je nach Verkaufserfolg erhält der Autor dann also zwischen 0,59 EUR und 1,18 EUR pro verkauftem Buch.

Bei einer Koppelung an den Handelsabgabepreis sieht die Rechnung anders aus. Der nämlich liegt zwischen 45 und 55 Prozent niedriger als der Nettoladenverkaufspreis, im Beispiel also irgendwo zwischen 3,78 EUR und 4,62 EUR. Hat die Agentur gut verhandelt und einen festen Handelsabgabepreis von 4,62 EUR vertraglich vereinbart, muss die Beteiligung zwischen 12,8 Prozent und 25,6 Prozent vom Handelsabgabepreis liegen, damit der Autor pro Buch wie beim anderen Modell zwischen 0,59 EUR und 1,18 EUR erhält.

An diesen Beispielen kann man übrigens gut sehen, wem die Buchpreisbindung nützt bzw. deren Abschaffung schaden würde. (In der Schweiz ist das momentan ein großes Thema, und ich finde, dass die Plakatkampagnen dort tendenziös sind und die Bürger fehlinformieren.) Ohne die Buchpreisbindung muss der Handelsabgabepreis zur Basis der Abrechnung werden. Dem Autor kann das egal sein, solange er bedenkt, dass er statt 7-14 Prozent (vom Nettoladenverkaufspreis) 13-25 Prozent (von einem festgeschriebenen Handelsabgabepreis) fordern muss. Der Autor verdient dann mit oder ohne Buchpreisbindung gleich viel (oder eben: wenig).

Schwer wird es bei der Abschaffung der Buchpreisbindung zunächst für die Buchhändler, die mit den üblichen 45 Prozent Rabatt beim Verlag einkaufen, statt mit bis zu 55 Prozent wie die wenigen Großen (deren Namen uns allen bekannt sind). Ein solcher Großer nämlich kann wegen des günstigeren Einkaufspreises Rabatte an den Endkunden geben, die sich der normale Buchhändler schlicht nicht leisten kann. Das Ergebnis wird unweigerlich ein Sterben vieler kleinerer Buchhandlungen und damit eine weitere Monopolisierung sein. Das aber schadet auch den Verlagen, denn je mehr Umsatz über die Monopolisten abgewickelt wird, desto mehr Bücher muss der Verlag mit dem höheren Rabatt abgeben und verdient entsprechend weniger. Das dürfte auch diversen Verlagen auf mittlere Sicht weh tun.

Würde es die Politik ernst meinen mit der Förderung des Buches, des Lesens und des wirklich noch beratenden Buchhandels, bräuchte es keine Buchpreisbindung, sondern es müsste gewährleistet werden, dass für alle Händler der gleiche Handelsabgabepreis gilt. Das würde den Großen Spielraum für Preiskriege nehmen, und die Frage des Service, der Beratung würde wieder im Vordergrund stehen.

Doch zurück zur eigentlichen Frage: Wie steht es bei eBooks? Für sie gilt auch noch die Buchpreisbindung. Aber der Markt ist noch sehr in Bewegung, was die Preisgestaltung gegenüber den Druckausgaben und die Buchhandelsrabatte angeht. Außerdem können eBooks leicht aus dem Ausland (mit deutlich geringerer Mehrwertsteuer) verschickt werden, was das ganze Prozentgefüge nochmal ordentlich in Bewegung bringt. Momentan liegen die eBook-Preise ca. 20 Prozent unter denen der Druckausgaben, und bei den Buchhandelsrabatten herrscht Verwirrung. Amazon bspw. – bei gedruckten Büchern gnadenlos, was die Rabattforderung angeht – staffelt bei eBooks diese Forderung nach Endpreis des eBooks und anderen Kriterien, weil damit der Kindle-Verkauf und der eBook-Verkauf (besonders der günstigeren eBooks) befeuert werden soll. Das kann Amazon sich auch leisten, da die eBooks aus Ländern mit niedrigerer Mehrwertsteuer »versandt« werden.

Bei eBooks sind die Autorenbeteiligungen daher üblicherweise bereits heute nicht an den Nettoladenverkaufspreis, sondern an den Handelsabgabepreis gekoppelt. Als branchenüblich wurde mir genannt: 10 Prozent vom Nettoladenverkaufspreis bei gedruckten Büchern, 20 Prozent vom Handelsabgabepreis bei eBooks.

Das scheint fair, ist es aber nicht, denn für den Autor bedeutet das: Nach all der Mathematik erhält er von eBook-Verkäufen etwa die gleiche prozentuale Beteiligung wie bei Print-Verkäufen. Aber: Der Preis des eBooks ist 20 Prozent niedriger. Je weiter sich der Umsatzanteil vom Buch zum eBook verschiebt, desto weniger bekommt der Autor. Würden nur noch eBooks verkauft, würde der Autor in Euro und Cent 20 Prozent weniger Tantieme überwiesen bekommen, als wenn die gleiche Anzahl gedruckter Bücher verkauft worden wäre.

Warum ist ein eBook überhaupt billiger als ein gedrucktes Buch? Der Markt erwartet das, und auch in der Ausgangsfrage kommt dies zum Ausdruck: Die Herstellung eines eBooks sei schließlich viel preiswerter als bei einem gedruckten Buch. Das habe ich auch lange gedacht, aber diese Vermutung stimmt so nicht. Gespart werden lediglich die Druckkosten, und die Logistik wird ein wenig günstiger. Lektorat, Korrektorat, Gestaltung, Pressearbeit, Vertrieb und Marketing gibt es aber schließlich auch, und diese Posten übersteigen in Summe die der Buchherstellung erheblich. Ich halte es für realistisch, dass die eBook-»Herstellungskosten« tatsächlich nur zwischen 20 und 25 Prozent niedriger als bei gedruckten Büchern angesetzt werden. Viel billiger werden eBooks daher kaum werden können.

Was wundert dabei, ist nun, dass die Autoren die Leidtragenden des eBook-Booms sein werden, wenn sie nicht höllisch aufpassen. Der Verlag kann an einem eBook ebenso gut verdienen wie an einem gedruckten Buch, solange die eBook-Preise bei 75 Prozent bis 80 Prozent der für Druckausgaben aufgerufenen Preise bleiben. Der Autor hingegen hat keine geringeren »Herstellungskosten«, verdient aber in Summe an eBooks weniger. Dass dies nach dem derzeitigen Stand so ist, kann nicht befriedigen. Die Forderung der Autoren müsste sein, für ein verkauftes eBook in Euro und Cent genauso viel Tantieme zu bekommen wie für ein gedrucktes Buch. Im Beispiel oben müsste man dann als Tantieme zwischen 15,5 und 31 Prozent fordern. Und mit dieser legitimen Forderung auf dem Tisch müssten die Verlage sich dann nochmals Gedanken über ihre eBook-Preisgestaltung machen.

3 Reaktionen zu “Reden wir mal über eBooks und Geld”

  1. matthias

    Die Forderung der Autoren müsste sein, für ein verkauftes eBook in Euro und Cent genauso viel Tantieme zu bekommen wie für ein gedrucktes Buch.

    auf jeden Fall. Das ist ja eigentilch gar keine Frage.

    aber:

    auch wenn die reinen materiellen Herstellungskostendes Buches nicht so wichtig sein mögen (wieso sind dann aber die Preisunterschiede zwischen TB und gebundenen Büchern so groß?) – beim Preis bzw. der Preiserwartung des ebooks spielt ja noch ein anderer Umstand eine Rolle: Bei den gängigen Modellen kaufe ich das Buch damit eben nicht, sondern erwerbe eine – gegenüber dem materiellen Buch – stark eingeschränkte Form des Nutzungsrechtes. Und das – so meine ich jetzt aus Leser-/Käufersicht – soll/muss sich eben auch im Preis niederschlagen. Aber am liebsten wären mir eh‘ solche Kombimodelle wie „HardcoverPlus“, wo ich zum klassischen Buch das ebook dazubekomme.

  2. Benjamin Stein

    stark eingeschränkte Form des Nutzungsrechtes

    Das ist ein sehr interessanter Aspekt, was die Preiserwartung des Käufers angeht. Ich finde die Vorstellung, das eBook als Dreingabe zur gedruckten Ausgabe zu bekommen, auch am charmantesten.

    Bei Filmen sieht es ja aber auch nicht anders aus. »Kaufe« ich einen Film über iTunes, »besitze« ich auch nicht die DVD, sondern nur eine eingeschränkte Form des Nutzungsrechtes. Der Preis widerspiegelt das auch nicht unbedingt.

    Bei Taschenbüchern übrigens ist die Verlagskalkulation nochmal eine ganz andere. Hier handelt es sich in der Regel um Nebenrechteverwertung, d. h. der Taschenbuchverlag kauft die Lizenz vom Hardcover-Verlag. Das verursacht deutlich weniger Kosten, als eine Originalausgabe herauszugeben. Auch die Stückkosten der Herstellung sind geringer. Der oft halbe Preis hängt jedoch nicht nur an den Unterschieden in den reinen Herstellungskosten. Preiswerter ist da ja nur die Paperback-Bindung und der Verzicht auf einen Schutzumschlag. Papier und Bindung kosten das gleiche.

  3. Reden wir über Geld – E-Book-Preisgestaltung | Privatsprache – Projekt: Blackbox

    […] weitgehend aus. Recht gute Infos fand ich (mal wieder) beim Berlin Story Verlag und bei Turmsegler. Auch schön war diese Stimmensammlung bei […]

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