Es war eine paradiesische Zeit, eine Zeit des Erwachens und Erstarkens, eine Zeit der aufwuchernden, neugierigen Lust. Entgegen allen Befürchtungen entbehrte ich nichts und empfand keine Minute meiner Vorbereitungen als Qual. Nun wusste ich, welchem Zauber Katelyn das Vibrieren ihres Körpers verdankte, das ich of gespürt hatte, wenn sie mich nach ihrem Workout im Bademantel empfing. Und ich hatte auch keine Zweifel mehr, was sie in diesen Momenten trotz der gerade überstandenen Anstrengungen so empfänglich für meine Zärtlichkeiten gemacht hatte.
In dieser Zeit gab es nur einen kurzen Moment der Irritation zwischen uns. Nachdem wir etwa vier Monate gemeinsam trainiert hatten, meldete sich Katelyn krank. Mir schrieb sie, es sei nichts Seriöses, aber sie würde doch einige Tage zu Hause bleiben. Weil ich mir trotz ihrer Beteuerungen Sorgen machte, fuhr ich schon am Nachmittag zu ihr. Sie war nicht überrascht, mich zu sehen. Mich allerdings wunderte, dass sie eine Sonnenbrille trug.
Katelyn bat mich herein, und bevor ich noch fragen konnte, was es mit der Sonnenbrille auf sich hatte, drückte sie mir einen flachen Kunststoffbehälter mit zwei nickelgroßen Schraubverschlüssen, die mit L und R beschriftet waren, in die Hand.
Was ist das? fragte ich.
Schau nach, meinte sie.
Ich legte den Behälter auf den Tisch und schraubte behutsam den Deckel mit dem L auf. In einer leicht zähen klaren Flüssigkeit schwamm eine von Katelyns grünen Kontaktlinsen.
Du kannst sie als Andenken mitnehmen, sagte Katelyn schnippisch: Ich brauche sie nicht mehr. Sie nahm die Sonnenbrille ab, und ich sah ihr in die Augen, taubengrau mit winzigen braunen Sprenkeln, um die Iris herum noch ein wenig gerötet von der Laser-OP.
Ist denn alles ok? fragte ich besorgt.
Bestens, sagte sie. Der Eingriff habe nur zwanzig Minuten gedauert, schmerzlos, eigentlich ganz unaufregend. Die Lichtempfindlichkeit würde in ein paar Tagen verschwinden.
Ich sehe jetzt alles, sagte sie.
Ich schrak zusammen. Blökte da nicht laut ein Schaf? Es musste mich wie ein Schatten begleitet und nur auf das Codewort gewartet haben, um sich bemerkbar zu machen.
aus: »Replay«,
© Benjamin Stein (2011)